Euskirchen: Nur wenige fanden kürzlich den Weg ins Casino in Euskirchen. Die Kreis-SPD hatte zu einem Vortragsabend „Mit Sicherheit für die Freiheit – Die Arbeit des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen“ eingeladen. „Schade, dass wir so wenig sind“, meinte Markus Ramers, Kreis-SPD-Vorsitzender. Referent Burkhard Freier, Leiter der Abteilung Verfassungsschutz im NRW-Innenministerium, stand Rede und Antwort. „Wir leben in einem der sichersten Länder der Welt“, betonte Freier gleich zu Anfang. In der Bevölkerung werde jedoch subjektiv etwas anderes wahrgenommen und Organisationen wie die AFD schürten diese Ängste, erklärte der Verfassungsschützer. Er bestritt jedoch auch nicht, dass es sehr wohl Anschläge geben könne.
Ausführlich ging Freier auf Zusammenhänge im Extremismus ein. Zwischen Salafisten und Rechtsextremen gibt es beispielsweise starke Wechselwirkungen. Aktionen der einen Seite bedingen wiederum Aktionen der anderen Seite.
Ein Anschlag auf ein Flüchtlingsheim löst wieder bei den Salafisten etwas aus und auf diese Weise dreht sich die Spirale immer weiter. „Der Extremismus wird radikaler“. Freier gab den Zuhörern einen Einblick in die Salafisten-Szene und Denkweise. „Das Ziel ist die Spaltung der Gesellschaft“, betonte er. 90 Prozent haben einen Migrationshintergrund, 10 Prozent sind Konvertiten, 75 Prozent der Szene haben einen deutschen Pass und der Schwerpunkt bewegt sich im Alter zwischen 14 und 30 Jahren. Dies macht aber auch deutlich, dass sich schon sehr junge Menschen radikalisieren. Für Jugendliche sei der Salafismus sehr attraktiv. Sie bekämen dort die Anerkennung und Wertschätzung, die sie in der Gesellschaft nicht fänden, machte Freier eine der Hauptursachen der Radikalisierung aus. In NRW gibt es zur Zeit rund 2.850 Aktivisten bei den Salafisten (im Bundesgebiet 9.200).Auch bei den Rechtsextremisten machte der Verfassungsschützer einen neuen Tätertypus aus. Heute würden sich die Täter blitzschnell radikalisieren und nicht mehr über Jahre, wie es früher war. Dies macht das Vorgehen gegen diese Gruppen nicht einfacher. Teile der Gesellschaft würden ihre Scheu vor Rechtsextremisten verlieren und bei Demonstrationen mit ihnen zusammen laufen. Die Sprache sei in diesem Bereich weniger radikal geworden. Für die fremdenfeindlichen Äußerungen wird eine weiche Verpackung gefunden. Die vielen Flüchtlinge und Angst vor der Globalisierung werden zum Nährboden für verschiedene Bewegungen. Viele hätten das Gefühl, die Eliten kümmerten sich nicht mehr um sie, beschrieb Freier die Ängste vieler Bürger. Aber: Die Gesellschaft müsse lernen, dass das Ausgrenzen von Menschen in die Radikalisierung führe.
Der Verfassungsschutz setzt jedoch nicht nur auf Beobachtung. Vielmehr wurde ein Gesamtkonzept zur Prävention entwickelt zu dem Information, Qualifizierung, Beratung und Vernetzung zählen. Für Salafisten-Anhänger wird beispielsweise das Aussteigerprogramm „Wegweiser“ angeboten. Der Ausstieg sei schwierig, aber die Programme seien alternativlos, meinte Freier. Die Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiges Standbein in der Präventionsarbeit. Die Familie und das soziale Umfeld spielen eine große Rolle, wenn es darum geht, Jugendliche von einer Radikalisierung abzuhalten. Gute Zukunftsperspektiven und Bildung für die jungen Menschen sind Voraussetzungen, damit sich jeder in der Gesellschaft aufgehoben fühlt und die Propaganda ins Leere laufe. Das ist eine große Aufgabe – nicht nur für die Verfassungsschützer.
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