Heimbach, Blens: „Achtung, alle hinter die Absperrung zurücktreten“, ruft einer der Feuerwehrleute den Blensern und ihren Gästen auf dem Dorfplatz zu und weist auf das frisch gezogene rot-weiße Flatterband, das Frauen, Kinder und ältere Herren von den Maibaumaufstellern in Aktion trennt. Schon setzt der Traktorfahrer an, den frisch geschlagenen und von Kindern mit Linten bunt geschmückten Maibaum in die Senkrechte anzuheben. Tatkräftig ziehen Männer des Dorfes unter Kommando unterstützend an zwei Seilen, die um den Baumstamm befestigt sind. Gemeinsam schaffen sie es, den Baum senkrecht in die Vorrichtung auf dem Blenser Platz zu stellen, während die Kapelle spielt und die Dorfgemeinschaft „Der Mai ist gekommen singt“. So war es letztes Jahr, so war es vor fünfzig Jahren (vielleicht unter geringeren Sicherheitsaspekten), und so wird es auch in der morgigen Mainacht sein, die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai.
Die Mainacht. Eine Tradition nicht nur im Heimbacher Ortsteil Blens, sondern in vielen Orten der Eifel und anderswo. „Die Feier und das ganze Drumherum ist hier in Blens so ziemlich gleich geblieben“, schildern Vroni (66) und Martin (67) Waider. Auch schon damals, in den Sechzigern, während Martins junger Jahre, haben die Männer, darunter etwas mehr Jüngere als heute, den Maibaum mit der Kettensäge gefällt und mit dem Traktor aus dem Wald ins Dorf gezogen. Dann in den Siebzigern wollten sie traditioneller werden. Fußmarsch war angesagt und das Schlagen des Baumes mit der Axt. Die Jünglinge mussten ran, so manche Axt ist in ihren Händen zerbrochen, weil nach Martin Waider „wissen, wie man einen Baum schlägt, und es praktisch tun, ein Unterschied ist“. Bis heute hat sich die Tradition gehalten, schlagen die Junggesellen den Maibaum mit der Axt. Mit vereinten Kräften ziehen die Männer den Baum dann aus dem Gestrüpp auf den Traktorhänger. Dieser wartet auf dem Waldweg auf die kostbare Ware und fährt sie bis zum Ortseingang. Dann legt sich die Männlichkeit ein Handtuch auf die Schulter der alten, neu geflickten Pullover und schleppt den bis zu 22 Meter langen Baum zum Dorfplatz, nicht ohne Zwischenstärkung mit Bissfestem und Flüssigem, das in diesen Tagen sein Jubiläum zum 500-jährigen Reinheitsgebot feiert.
Der Baum selbst wurde unter großem Getöse ausgesucht. Kräftig muss er sein und vor allem groß. Im Unterschied zu den umliegenden Dörfern ist nicht die Birke, sondern die Fichte der Baum der Wahl, weil sie im nahe liegenden Wald gut wächst. Einmal, zu Martin Waiders Jugendzeit, hatten sie es gewagt, eine Birke zu holen. Selbst die Frauen des Dorfes fanden ihn zu schäbig und hatten ihn kurzerhand abgesägt, während die Männer in der Dorfkneipe ihren Durst gelöscht hatten. Damals war es auch üblich, den Maibaum amerikanisch zu versteigern: Mit 20 Mark Erstgebot begann die Auktion. Jeder der wollte, bot 50 Pfennig oder 1 Mark dazu und legte die Münzen sogleich in einen herumgereichten Hut bis irgendwann die Taschen leer waren. So hatte die Dorfgemeinschaft schon eine Geldsumme um die 500 Mark erzielt. Das Geld kam der Blenser Jugendgruppe zugute, die sich gerade im Aufbau befand und seitdem die bunten Linten, Büschel aus Krepppapierstreifen, für den Maibaum bastelt und ihn damit vor dem Aufstellen schmückt. Im letzten Jahr hatte der Jünglingsverein, der die Mainacht wie die anderen Traditionsfeste des Dorfes organisiert, Lose verkauft. Das Glückslos hatte den Maibaum zum Preis, der nach einigen Wochen aus seiner Aufrichtung befreit und dem neuen Eigentümer übergeben wurde.Mainacht, neben einem Traditionsfest, gelebter Gemeinschaft und Begrüßung des Frühlings ist sie vor allem für die Jungs im Dorf eines der Topereignisse des Jahres: Bis zum Morgengrauen sitzen sie um das Lagerfeuer neben dem Maibaum und bewachen ihn. Denn anders kann es passieren, dass Gruppen aus den anderen Dörfern versuchen, den Maibaum abzusägen. In Blens ist ihnen das noch nie gelungen, in benachbarten Dörfern schon. Gleichzeitig kommt an ihnen kein anderer Jüngling auf dem Weg zu seiner Ausgewählten vorbei, ohne einen Kasten Bier abzugeben. Erst danach darf er weiter ins Dorf ziehen und am Haus der Liebsten einen (kleineren) Maibaum aufstellen oder ein Herz aufhängen. All diese Geschichten hat Martin Waider selbst mitgemacht. Zwei Mal musste er im benachbarten Schmidt einen Kasten Bier opfern, um Vroni seinen Maibaum aufzustellen. Dann hat sie „Ja“ gesagt.
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