Heimbach: „Die erste Viertelstunde ist es laut in unserer Turnstunde. Da lasse ich die Kinder sich erst einmal austoben. Ich glaube, dass das vielen im Alltag fehlt“, sagt die 54-jährige Brigitte Pütz. Einige Jahre hat sie in der Nachmittagsbetreuung einer offenen Ganztagsschule in Zülpich gearbeitet. Die Kinder haben dort acht Stunden fast nur sitzend verbracht: die Unterrichtsstunden, das Mittagessen, die Hausaufgaben. Und selbst danach saßen die meisten bastelnd auf einem Stuhl. Wer dann noch in einem Mietshaus wohnt, in dem sich der Untermieter über zu viele laute Schritte über sich beschwert, startet jung seine Karriere der Bewegungsarmut. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, dass sich Kinder täglich mindestens eine Stunden bewegen sollen und damit bereits im jungen Alter Krankheiten vorbeugen. Die Arbeit von Trainern wie Brigitte Pütz ist demnach auch aus gesundheitlicher Sicht wichtig.
Seit ihrem fünften Lebensjahr ist die Vlattenerin selbst aktiv im Sportverein, hat als Kind geturnt, als Jugendliche Volleyball gespielt. 1997 hat Pütz erstmals das Mutter-Kind-Turnen geleitet und dazu ihre damals kleinen Kinder mitgenommen. Seit 2007 turnt sie mit Drei- bis Sechsjährigen, bringt ihnen den Purzelbaum bei, auf einem Bein zu hüpfen, die Balance auf dem Schwebebalken zu halten. Es gibt Lauf- und Fangspiele. Die Kinder lernen anzustehen und aufeinander zu hören. Inzwischen ist jeden Donnerstag ab 16 Uhr Anpfiff zur Turnzeit mit 50 Kindern: Nach der Turnstunde mit den Drei- bis Sechsjährigen folgt um 17 Uhr Kinderturnen für die ersten beiden Schuljahre. Wenn andere um sechs ins Abendbrot beißen, hilft Brigitte Pütz Kindern aus dem dritten und vierten Schuljahr am Reck, bevor sie nach dem Turnen um halb Acht aerobicbegeisterten Frauen voll Elan die neue Step-Choreografie beibringt.
Die Trainingsstunden kommen bei den Kindern gut an. „Da machen wir immer so tolle Spiele“, schwärmt die sechsjährige Carla. Der achtjährige Julian turnt gern an den Geräten. Für die vierjährige Anne ist Brigittes Kurs der Grund, weshalb sie immer ihre Kindergärtnerin beim Laufwettkampf schlägt. Die Grundschullehrer signalisieren der Trainerin, dass sie im Sportunterricht sehr gut merken, wenn ein Schüler auch ihren Turnkurs besucht, etwa weil das Kind motorisch sehr fit ist, die Bälle gut fangen und werfen kann. Für Brigitte Pütz sind es tolle Momente, wenn sich ganz ängstliche Kinder auf einmal trauen, über den Bock zu springen oder ihre Höhenangst überwinden und auf dem Schwebebalken balancieren.
Nachfolger gesucht
Doch jetzt mit fast 55 ist sie ein wenig trainingsmüde. Ein Nachfolger (m/w) muss bis Jahresende her. Früher hat der Verein Jugendliche zum Trainer aufgebaut. Inzwischen sei das wegen der langen Schulzeiten nicht mehr möglich, sagt Pütz. „Für die Nachfolgersuche gibt es kein Patentrezept“, weiß Frank-Michael Rall vom Landessportbund NRW. Heute sei die Trainernachfolge auch nicht mehr so fließend wie früher. Besonders in geringer besiedelten ländlichen Regionen, habe es bisher aber immer geklappt. Rund Dreiviertel der 18.500 Sportvereine in NRW sind Turnvereine. Viele bieten neben Turnen auch andere Sportarten wie Aerobic oder Basketball an. Die Trainer erhalten einen geringen Stundenlohn oder arbeiten ehrenamtlich. Der Turnverein Heimbach 1908 setzt erst einmal auf ehrenamtliches Engagement, um die Mitgliedsbeiträge niedrig zu halten. Für das erste Kind zahlen Eltern jährlich 20 Euro, für das zweite Kind 15 Euro. Jedes Kind soll am Turnen teilnehmen können. Den Trainer zu bezahlen, ist Plan B. Dann würde der Turnverein kostenpflichtige Kompaktkurse anbieten müssen.
Dem Verein geht es darum, den Kindern Bewegung und Spaß am Sport zu ermöglichen. Er zeigt sich daher sehr offen, wie die Stunden konkret gestaltet werden. „Die künftigen Trainer können sich gern aufteilen“, sagt Brigitte Pütz. Niemand müsse alle Kurse übernehmen. Auch könnten sich jeweils zwei Trainer für einen Kurs abwechseln. Statt Geräteturnen sind etwa Ballspiele möglich. Hauptkriterium für die Nachfolger sei die eigene Sportlichkeit und Erfahrung in einer Turnhalle. Ein Übungsleiterschein sei nicht zwingend erforderlich. Einen Weiterbildungskurs würde der Verein aber bezahlen. „Die Nachfolger werden nicht ins kalte Wasser geschmissen“, versichert Pütz. Gern lehrt sie an, zeigt an einem Wochenende Handgriffe für Hilfestellungen an den Geräten und läuft während der ersten Stunden neben dem neuen Trainer mit. Der kann sich dann langsam an das Temperament und die sportlichen Vorlieben der bewegungsdurstigen Kinder gewöhnen.
Interessierte melden sich bei Petra Ketter-Bongard, erste Vorsitzende des Turnvereins Heimbach 1908 (Telefon: 02446 – 911376).
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