Heimbach: Es war der 1. August 1970, als der damals gerade 17-jährige Peter Boje im dunklen Anzug, adrettem Haarschnitt und ordentlich gebundenem Schlips an seinem ersten Arbeitstag das Heimbacher Rathaus betrat. 46 Jahre lang hat er anschließend von dort die Geschicke der kleinen Stadt mitgestaltet. In den letzten zwölf Jahren agierte er als Stellvertreter des Bürgermeisters: Zehn Jahre in der Ära von Bert Züll und seit 2014 als Allgemeiner Stellvertreter von Peter Cremer. Gestern Abend wurde Peter Boje in seiner letzten Stadtratssitzung in den Ruhestand verabschiedet.
Bis aufs Bauamt hat der gebürtige Hasenfelder in all den Jahren sämtliche Verwaltungsabteilungen durchlaufen. Ein Jahr lang war er auch Kämmerer der Stadt, doch an seiner Mimik ist abzulesen, dass ihm dieses Ressort nicht besonders behagte: „Ich war nie ein ‚Paragraphen‘-Beamter.“ Ganz im Gegenteil. Mit Fingerspitzengefühl, persönlichem Einsatz und viel Bürgernähe entschärfte er im Laufe der Jahre so manch explosives Thema.
Und das nicht nur im übertragenen Sinn: „Anfang der 1970er Jahre wurden auf der trockengefallenen ‚Liebesinsel‘ im Rursee Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die dringend abtransportiert werden mussten. Doch die schweren LKW des Aachener Kampfmittelräumdienstes konnten den schmalen Schotterstreifen dorthin nicht passieren. Also bin ich damals mit meinem kleinen NSU Prinz rübergefahren. Auf der Rückfahrt saß dann der Sprengmeister mit den scharfen Granaten neben mir“, erzählt Peter Boje und schüttelt Jahrzehnte später noch den Kopf. Wesentlich entspannter ging es zu, wenn er plötzlich den Kindergartenbus kutschieren sollte, weil ein Fahrer ausgefallen war. „Damals war es noch üblich, dass die Auszubildenden überall dort, wo Not am Mann war, eingesetzt wurden.“ Nicht immer zur Freude von Peter Bojes Vater Ernst. „Als ich eines Tages nach Hause kam, begrüßte mich mein Vater mit den Worten ‚Wie sieht Dein Anzug aus? Du bist ja völlig verdreckt.“ „Kein Wunder“, lacht Peter Boje noch Jahrzehnte später: „Im dunklen Anzug war ich in die Kriechkeller der Heimbacher Häuser geschickt worden, um zwischen all den Spinnweben die Wasseruhren abzulesen.“
Während seiner Verwaltungslaufbahn hat der Stadtoberamtsrat selber unzählige junge Leute ausgebildet. Unter anderem den 33-jährigen Benedikt Marx, der gestern zu seinem Nachfolger, zum Allgemeinen Stellvertreter des Bürgermeisters, ernannt wurde.Peter Bojes Beamtenalltag war all die Jahre nach den Bedürfnissen der Stadt getaktet: „Wir als Verwaltung sind Dienstleister und dafür verantwortlich, dass in unserer Stadt alles – von der Schule bis zum Straßenverkehr – funktioniert.“ Das sei aber nur im harmonischen Zusammenklang von Bürgern, Stadtvertretern und Verwaltung möglich, mahnt der 63-Jährige. Über die EIFELON-Frage, ob es für seine Arbeit hilfreich oder eher hinderlich gewesen sei, viele Menschen noch aus Sandkastenzeiten zu kennen, grübelt er kurz nach und meint nachdenklich: „Sowohl als auch.“ Manchmal müsse man auch durchgreifen und hart sein, obwohl man das Gegenüber seit Kindesbeinen kennt. Aber ebenso selbstverständlich war es für ihn, an Wochenenden mitten in der Nacht aus dem Bett zu springen, um beispielsweise im Rathaus einen dringend notwendigen Reisepass auszustellen, damit ein Heimbacher Bürger wegen eines familiären Todesfalls in die damalige DDR einreisen konnte. „Damals war das noch vor Ort möglich“, erinnert er sich.
Im Alter von 17 Jahren machte er gemeinsam mit dem Sohn niederländischer Nachbarn an der Dahlemer Binz den Segelflugschein. „Mein Freund wurde später Fluglehrer in Florida“, erzählt Boje. Seine eigene Sehnsucht nach der weiten Welt stillte er in den Urlauben, denn Fernweh hatte er immer. „1980 war ich im Reggae-Fieber, hörte Peter Tosh und Bob Marley“, blickt der damals passionierte Surfer zurück. Irgendwann sei dann die Idee gereift, nach Jamaika „abzuhauen“. Doch weiter als bis nach Hamburg sei er nicht gekommen, schmunzelt er über seine frühen, wilden Jahre.Als Rucksacktourist entdeckte er anschließend mit seiner Frau Ellen auf eigene Faust die USA. Zu Fuß eroberte das Paar vor über drei Jahrzehnten Canada, um die Niagarafälle zu bestaunen, oder überquerte – per pedes – die vom Autoverkehr schwankende Golden Gate Bridge. „Das war Abenteuer pur“, schwärmt Boje noch heute. Ein Land hat es dem begeisterten Angler aber ganz besonders angetan: „Ohne jedes Jahr nach Norwegen zum Fischen zu fahren, würde ich nicht überleben“, beteuert Peter Boje, der seit vier Jahrzehnten in den hiesigen Fischereiverbänden aktiv ist. So ist es für ihn Ehrensache, dass er nach über 25 Jahren nicht nur die Fischnamen von Dorsch, Makrele oder Seelachs in der norwegischen Landessprache kennt. Sein Traum nach der Pensionierung? „Auf eigene Faust Norwegen erkunden. Bis hin zum Nordkap. Und diesmal nicht nur als Angler!“ Ab 1. August kann er sich seine Zeit – frei von allen stadtrelevanten Terminen – selber einteilen.
„Voller Loyalität und Respekt hat sich Peter Boje jahrzehntelang für seine Heimatstadt eingesetzt“, würdigte Bürgermeister Peter Cremer in der gestrigen Ratssitzung seinen Wegbegleiter: „Das Gesicht der Heimbacher Verwaltungsspitze geht nun in Rente.“ Zwischen den Heimbacher Bürgern, die dem scheidenden Verwaltungsmann herzlichen, aber auch wehmütigen Applaus spendeten, saß auch seine Ehefrau Ellen. „Für mich ist es die letzte Ratssitzung, für meine Frau Ellen die allererste. Wir haben Job und Privates immer strikt getrennt!“
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