Mechernich: Auf ihrer Sommerreise machte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Station im Mechernicher Rathaus. Dort sprach sie mit Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick, Vertretern der Bürgerinitiative „Putenfabrik – nein danke“ und des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) über die geplante Putenmastanlage in Antweiler und über das Thema Intensivtierhaltung im Allgemeinen. „Es gibt eine Fehlentwicklung in der konventionellen Landwirtschaft und in der konventionellen Tierhaltung. Die konventionelle Landwirtschaft muss sich wieder ihrer Verantwortung bewusst werden und sich neu besinnen“, sagte sie. Dabei sprach sie auch den Export von Billigfleisch an. „Normalerweise exportiert Deutschland Qualität und nicht Masse. In der Landwirtschaft ist es genau umgekehrt. Massenware wird exportiert und Qualitätsfleisch importiert. Das entspricht nicht der deutschen Produktionsweise“, kritisierte Hendricks.
In Putenmastanlagen, wie sie auch ein Wachendorfer Landwirt auf einem Acker zwischen den beiden Dörfern Antweiler und Wachendorf bauen will, wird Billigfleisch produziert. Welchen Preis Verbraucher tatsächlich dafür bezahlen, wenn sie Fleisch zu Dumpingpreisen kaufen, darauf machte im vergangenen Jahr der BUND aufmerksam. Er ließ Putenfleischproben auf multiresistente Keime untersuchen. Das Ergebnis war erschreckend: Auf knapp 74 Prozent der Proben fand das Labor MRSA-Keime, auf rund 53 Prozent ESBL-bildende Bakterien. Beide können gefährlich werden, weil gegen sie fast alle Antibiotika wirkungslos sind. „In neun von zehn Geflügelmastbetrieben wird Antibiotika eingesetzt“, sagte Ralf Bilke, der Agrarreferent des BUND-Landesverbandes, der ebenfalls am Treffen mit der Ministerin teilnahm.
Bürgermeister Dr. Schick informierte die Ministerin, wie Rat und Verwaltung versuchen, den Standort des Bauvorhabens planerisch zu steuern, um eine Ansiedlung in Dorfnähe zu vermeiden: Der Bebauungsplan wurde so aufgestellt, dass die Anlage mindestens 500 Meter Abstand zur Wohnbebauung haben muss. Der bislang vorgesehene Standort ist nur 320 Meter von der Wohnbebauung entfernt. Der Landwirt hat Klage eingereicht, seit März 2015 befasst sich das Oberverwaltungsgericht Münster mit dem Mechernicher Plan. Der könnte bundesweit Bedeutung erlangen. „Erkennen die Richter den Bebauungsplan an, dann haben wir einen bundesweiten Präzedenzfall geschaffen“, so Schick.
Barbara Hendricks, die nicht nur Bundesumwelt-, sondern auch Bundesbauministerin ist, berichtete von ihren Plänen, über Möglichkeiten des Baurechts, die Intensivtierhaltung einzuschränken. Eine dementsprechende Initiative wolle sie vorstellen, auch liege bereits ein Gesetzentwurf dazu vor. „Wir wollen den Kommunen Mitspracherecht einräumen“, kündigte sie an. Bürgermeister Dr. Schick sah weder in der geplanten Flächenbindung für Tiermäster, nach der nur so viele Tiere gehalten werden dürfen, dass mindestens die Hälfte des Futters selbst produziert werden kann, noch in einer Änderung des Bundesbaugesetzes „ein allein seligmachendes Mittel“. „Mit einer Flächenbindung wäre der Betrieb in Antweiler nicht zu verhindern. Die Kernfrage ist doch: Welche Betriebsgrößen, vor allem in der Tierhaltung, will man in Zukunft noch zulassen? Diese Diskussion muss auch im Bauernverband geführt werden“, forderte er. Es müsse ein gesellschaftlicher Konsens geschaffen werden. Gleichwohl müsse sich dann aber auch der Verbraucher darüber im Klaren sein, dass eine klein- und mittelständische Landwirtschaft teurer sei, so Schick, der bei den Protesten auch „viel Heuchelei“ vermutete.
In Mechernich war die Bundesumweltministerin auf einen kompetenten Gesprächspartner getroffen und machte keinen Hehl daraus, dass Bürgermeister Schick ihr durchaus imponierte. „Ihre Dreifaltigkeit als Bürgermeister, CDU-Politiker und Agraringenieur ist Ihnen beim Thema natürlich von Nutzen“, sagte sie schmunzelnd. [pp]
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