Mechernich, Kommern: „Klopf Klopf“ steht mit roten Buchstaben aufmunternd auf der Pappschachtel des „neuen Beschäftigungs-Baukastens“. Darunter das gezeichnete Portrait eines kleinen Jungen mit sorgsam gezogenem Scheitel. Mit einem hölzernem Hämmerchen zielt er auf den Messingnagel zwischen seinen Fingern, um aus bunten, flachen Holzelementen Häuser zusammenzubauen. Früh übt sich, wer ein (Bau)Meister werden will. Direkt im Schaukasten daneben stehen putzige Spielsachen für die zukünftige Hausfrau. Kleine elektrische Herde, kurbelbetriebene Küchenmaschinen in Miniaturmaßstab und elegante Einbauküchen im Chic der 50er Jahre, an denen die Hausfrau von morgen schon einmal – auf einem Esbit-Feuerchen – Kochen üben konnte. Damals, in den 1950er und -60er Jahren, waren die Rollen eben klassisch verteilt. Das machen die Exponate deutlich.
Bis zum 27. September 2017 zeigt das Freilichtmuseum Kommern auf 200 Quadratmetern die Ausstellung „Wir WirtschaftsWunderKinder – Spielen und Spielzeug in den 1950er und 1960er Jahren“. Die Spielsachen in den Vitrinen spiegeln „en miniature“ den gesellschaftlichen Wandel wider, der sich während dieses Zeitraums in Technik, Wirtschaft, Kultur und sozialem Leben vollzog. Für viele ältere Besucher vielleicht eine Reise in die eigene Vergangenheit, doch auch die jüngeren Gäste werden bei dieser nostalgischen Spielzeugfülle leuchtende Augen bekommen – gerade in der Vorweihnachtszeit.
In der Not der ersten Nachkriegsjahren wurden Puppen aus Stoffresten genäht und handfestes Spielzeug aus Holzresten geschnitzt. Damals tollten die Kinder noch über Trümmerlandschaften, spielten zwischen den Ruinen und auf den wenig befahrenen Straßen. In der Aufbau-Ära konnten Handwerker-Honorare manchmal sogar mit einem selbst geschriebenen, gezeichneten und anschließend kunstvoll gebundenem Bilderbuch beglichen werden. Das belegen die Abenteuer von „Kuno“, einem kleinen Wicht, der in seiner Hasenkutsche auf große Fahrt geht. Das zauberhafte Heftchen wurde digitalisiert und lässt sich nun – über ein halbes Jahrhundert später – per „touch screen“ von jedem Besucher der Spielzeug-Ausstellung durchblättern. Das Original ist auf dem Museumsgelände in einer der „Nissenhütten“ – den damaligen Notunterkünften für Flüchtlinge – zu sehen.Mit zunehmendem Wiederaufbau und wachsendem Wirtschaftswunder verlagerte sich das Kinderspiel immer mehr nach drinnen. Pädagogisch wertvolles Spielzeug hielt Einzug in die neu etablierten Kinderzimmer, die jetzt in jeden Neubau mit eingeplant werden. Auch in den Sandkästen kommen Lastwagen, Planierwalzen, Förderbänder und Bagger zum Einsatz. Hier können schon die Kleinen symbolisch am Wiederaufbau und Bauboom mitwirken. „So ist Spielen nicht nur Zeitvertreib, sondern auch Erziehung“, steht auf einer der zahlreichen Informationstafeln.
„Ich hatte damals kein eigenes Zimmer“, sagt Sabine Thomas-Ziegler, die Kuratorin der sehenswerten Ausstellung, gerade heraus. Gemeinsam mit ihren Kollegen entwickelte sie Themenschwerpunkte für die, auf den ersten Blick spielerische Präsentation. „Spielen in Trümmern“ wird dabei genauso beleuchtet wie die Generation „Schlüsselkinder“. Kindergarten, Schule und der neu eingeführte Schulfunk – liebevoll als „Kino für die Ohren“ gelobt – stehen ebenfalls im Fokus. Wer es sich leisten konnte, gönnte sich erstmals wieder einen Urlaub in den Alpen oder am Strand – egal, ob Nordsee oder Mittelmeer. An verschiedenen Video- und Audiostationen können sich die Besucher in diese Zeit zurückversetzen lassen.
Zum Greifen nah ist der damalige Schulalltag. Die starren Schulbänke symbolisieren den üblichen „Frontalunterricht“. Sauber ausgerichtet der Griffelkasten und die Schiefertafel mit dem angehängten Tafelläppchen aus Baumwolle – selbstverständlich mit „Mäusezähnchen“-Rand. „Bei den Schulranzen gab es genaue Unterscheidungen zwischen einem Jungen- oder Mädchenmodell“, weiß die 61-jährige Kuratorin. So reichten die Tornister-Deckel bei Jungen bis zum Ranzenboden. Bei den Schulranzen für Mädchen endete der Überschlag bereits auf halber Höhe, verrät sie. „Früher wurde der Tornister an das nächst jüngere Geschwisterkind weitergegeben. Bei kinderreichen Familien konnte das dann zu Problemen führen, wenn plötzlich ein Junge mit einem Mädchenranzen in die Schule gehen musste, oder umgekehrt.“
Schon während der Wirtschaftswunder-Zeit gab es so genannte „Neue Medien“. Das wird in der Ausstellung deutlich: Mit den Kult-Serien „Lassie“, „Fury“ oder “Flipper“ wurde ein wahres Fernsehfieber bei den jungen TV-Zuschauern ausgelöst. Die aufregenden Karl May-Verfilmungen entwickelten sich zu Kino-Dauerbrennern und wurden von den Pänz auf der Straße nachgespielt. Ausgestelltes Spielzeug wie Blechrevolver, Munitionsgürtel, Zwille und „Flitzebogen“ lassen diese Erinnerungen wieder wach werden. In einem feudalen Fernsehschrank mit Namen „Maharadscha“ läuft in einer Endlosschleife unter anderem das Kinder-Casting für die Verfilmung von Erich Kästners „Doppelten Lottchen“. Das turbulente Kinderbuch wurde 1950 verfilmt und dutzende Zwillingspärchen – mal mit braven Zöpfen, dann wieder mit kessem Bubikopf – hofften auf eine Kino-Karriere.
Zum Knuddeln schön die zahlreichen Puppen und Steiff-Tiere, die Kinderträume wecken. Faszinierend auch die Tatsache, dass die kleinen Baumeister früher im Kinderzimmer noch Theater und Kinos aus Lego-Steinchen bauen konnten: Der jeweilige Schriftzug auf dem schmalen Bauteilen gehörte damals mit zur Grundausstattung…
Weitere Informationen zu der empfehlenswerten Ausstellung für Jung und Alt finden sich unter www.kommern.lvr.de. Das Freilichtmuseum ist 365 Tage im Jahr geöffnet.
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