Nettersheim: Es war eine Buchpräsentation der ganz besonderen Art. Im kleinen Eifeldorf Engelgau stellte Verleger Ralf Kramp gemeinsam mit Autor Ulrich Land das Buch „Michel B. verzettelt sich“ vor. Der in Freiburg lebende Autor war zur Vorstellung seines neuen Romans extra in die Eifel gereist. Der Grund dazu liegt auf der Hand: Das Werk erzählt über das Leben seines Großvaters Michel Becker, der hier als Schriftsteller einige Jahre seines Lebens verbracht hatte. Das ehemaligen Wohnhaus des Großvaters wurde zur idealen Kulisse.
Land hatte im Laufe seiner Recherchen das Haus ausfindig gemacht, in dem sein Opa damals wohnte. Großvater Michel Becker war zu seiner Zeit im Rheinland kein Unbekannter und vor allem bei der katholischen Bevölkerung als Schriftsteller bekannt: „Kaum einer seiner Romane, und die bringen es immerhin auf gut einen Regalmeter, blieb unter einer Auflage von 10.000 Stück“, so Ulrich Land, der Enkel.
Sein Großvater, der von 1895 bis 1948 lebte, war einer der radikalsten Vertreter des rheinischen Katholizismus – zumindest in seinen Werken. Die Wirklichkeit des Schriftstellers, der viele Jahre in Engelgau wohnte, sah völlig anders aus als die Welt, die er in seinen Büchern erdichtete. „Pünktlich um 11 Uhr ließ er den Bleistift fallen, um anschließend ins Gasthaus zu eilen und sich um die Damen im Ort zu kümmern. Außerdem erbettelte er bei den Kirchen und Klöstern im Umland Geld, das er natürlich nie zurückzahlte“, beschreibt Ulrich Land das Leben seines Großvaters. Der Schriftsteller begab sich schon vor vielen Jahren auf die Spurensuche nach seinem Großvater und stellte dabei schnell fest, dass der Vorfahre als schwarzes Schaf der Familie galt.
Im Jahr 1936 zog Michel Becker mit seiner Familie als Mieter in das kleine Häuschen in Engelgau Nummer 6 (heute: Dahlienstraße 1) – einem für die Eifel typischen Haus, erbaut um 1900. Er taufte es „Michelsklause“. Bei der Buchvorstellung war auch die heutige Besitzerin des Hauses, Marlene Ludes, anwesend, die genauso gespannt den Erzählungen des Autors folgte wie die heutige Mieterin Claudia von der Lippe.
Ulrich Land bekam von seiner Mutter immer wieder Geschichten seines als „Filou“ verschrienen Opas erzählt und schrieb diese in kurzen Texten auf. Danach begab er sich auf Spurensuche nach Michel B. „So sehe ich mir seine Frauengeschichten in der Rückblende an, mit voyeuristischer Neugier, spioniere ihm Jahrzehnte später hinterher, sammle seine Fragezeichen auf und werfe sie ihm als Moralpredigt an den längst verstorbenen Schädel“, schreibt Land in seinem Buch.
Land durchstöberte alte Pappschachteln des Großvaters, Bücher und Liebesbriefe, die er an seine Frau Käthe geschrieben hatte, und wertete Informationen von Zeitzeugen aus. Zu Wort kommen Sohn und Tochter des Schriftstellers sowie Elfriede Kern, eine Ende der 1990er Jahre verstorbene Verlegerin aus Köln. „Der Roman basiert zum Teil aus Erfragtem, aber auch ein großer Teil Erdachtes fließt ein“, umschreibt Land sein Werk.
„Eigentlich habe ich rund 40 Jahre an diesem Buch geschrieben“, gestand Autor Ulrich Land abends bei seiner Lit.Eifel-Lesung im Literaturhaus Nettersheim. Die ersten Manuskripte von „Michel B. verzettelt sich“ erarbeitete der Autor noch auf einer „Erika“-Schreibmaschine, die – ebenso wie die Dokumente aus Michel B.s Leben – ein Geschenk seiner Eltern war.„Wenn ich etwas nicht wusste, habe ich es dazu erfunden“, erklärte der Autor seinem Publikum bei der Premierenlesung. Darunter auch einige Familienmitglieder und Engelgauer Nachbarn, die sich nicht nur für den widersprüchlichen Lebenswandel von Ulrich Lands Großvater Michel Becker zwischen Katholizismus und Ehebruch interessierten, sondern ebenso für die Ausstellung von Bildern und Dokumenten des Heimatforschers Wolfgang Rößler über die Gemeinde Engelgau zwischen 1932 und 1943.
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