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Alina Herbing las aus ihrem Debut-Roman in der Vlattener Jugendhalle. [Fotos: Kirsten Röder/pp/Agentur ProfiPress]

Letzte Lesung der Lit.Eifel: „Felder bis an den Horizont“

Heimbach: Ein Milchviehbetrieb mitten in der ländlichen Ödnis ist der zentrale Ort des vielgefeierten Debüts von Alina Herbing. Sie las aus ihrem Erstlingswerk „Niemand ist bei den Kälbern“ bei der Lit.Eifel in der Jugendhalle Vlatten und hinterließ eindrückliche Szenen, die sich im Kopf der Zuhörer sicher eingebrannt haben. Etwa als Christin, die Protagonistin und Ich-Erzählerin des Romans, dem mit dem Tode ringenden, frisch geborenen Kälbchen die Nüstern zudrückt, um es zu erlösen. Schonungslos zeigt sie das Leben auf dem Land.
Alina Herbing, die eigens für die Lit.Eifel-Lesung aus Berlin angereist war, plaudert viel Persönliches neben den ausgewählten Zeilen des Buchs und lässt so trotz des corona-bedingten, großen Abstands in den Reihen der Zuschauer eine Wohnzimmer-Atmosphäre in der Vlattener Jugendhalle aufkommen.

Sie erzählt von ihrer Mutter, dem benachbarten Milchviehbetrieb in ihrer Kindheit in Schlagsülsdorf, einem kleinen Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, der sie mit all den Eindrücken, die sie als junges Mädchen auf dem Hof gewinnen konnte, zu dem Roman inspirierte. Streift aber auch die zahlreichen Lesungen, die sie seit dem Erfolg ihres Erstlingswerks halten durfte.

Ihre Geschichte, ihre Wortwahl fesselt. Eigentlich für Eifeler fast Alltägliches wie eine Kuh, das Melken oder Treckerfahren wird mit ihr und ihrem Werk zu etwas Wunderlichem. Das man von jetzt an mit einem anderen Blick betrachten wird. Sie räumt gnadenlos auf, mit dem romantischen Image des Landlebens. Mehr noch, sie spinnt ihre Fäden, zieht die Lit.Eifel-Zuhörer in den Sog, wählt und bietet unvorhersehbare 180-Grad-Wendungen – wühlt auf und bewegt. Gleichzeitig bleibt sie authentisch, beschreibt das Leben auf dem Land, aus dem Christin so gern ausbrechen würde.

Ich habe versucht, mir Büros vorzustellen, Strände und Cafés mit Tulpen auf den Tischen, aber überall sind nur Felder bis an den Horizont,

macht sie Christins Verzweiflung über die ländliche Ödnis greifbar.

Geschickt fädelt sie regionale Bezüge und Besonderheiten in ihre Lesung mit ein, wie die freilebenden Nandus, die exotischen Einwanderer-Vögel, die vor 20 Jahren von einer Farm ausgebüxt sind und nun fröhlich Mecklenburg-Vorpommern bevölkern. Außerdem erkundigt sie sich bei den Zuschauern freundlich nach den Milchbauern und dem Landleben der Eifel: „Ist das hier auch so?“

Ob sie selbst schon kleine Ausbruchsversuche als Jugendliche vom Landleben in Schlagsülsdorf unternommen habe? Sicherlich habe sie als Jugendliche immer mal darüber nachgedacht. Doch sie habe andere Voraussetzungen gehabt, habe sich eingebettet gefühlt in Familie und die Region, sodass das innere Drängen nicht so stark gewesen sei, wie bei ihrer Protagonistin, die alles daran setzt: Hauptsache weg.

Alina Herbing schafft es, den Milchviehbetrieb rund um Sterken (Jungrinder) und Trockensteher (so heißen Milchkühe, die zwischen zwei Kälbern einige Wochen nicht gemolken werden) zu großer Literatur zu machen und den Besuchern der Lit.Eifel-Lesung einen bereichernden Abend zu bieten.

Professor Frank Günter Zehnder, der sowohl Autorin, als auch die Besucher im Namen der Lit.Eifel eingangs begrüßte, zieht Parallelen zur Eifeler Region, wo die Milchviehbetriebe sich ähnlich gestalten. Die Lesung in Vlatten war die letzte Veranstaltung dieser Lit.Eifel-Saison. Bedingt durch den „Corona-Lockdown-light“, beschlossen von der Bundesregierung für den Monat November, müssen alle weiteren Lesungs-Termine für 2020 abgesagt werden. [pp/Agentur ProfiPress]

30.10.2020KulturHeimbach0 Kommentare redaktion

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