Eifel: Im Sommer 1817 sorgte Freiherr Drais von Sauerbronn nicht nur in seinem Freundeskreis für Aufsehen: Der „spinnige Baron“ – von Beruf aus eigentlich Forstmeister – hatte schon mit einigen ungewöhnlichen Erfindungen überrascht, deshalb warteten seine Freunde nun gespannt in einem Mannheimer Vorstadtlokal auf den rührigen Erfinder und fragten sich, welche Neuerung er ihnen wohl heute präsentieren würde?
Zur ihrer Verwunderung kam Baron Drais von Sauerbronn auf einem merkwürdigen Holzgestell – halb sitzend und halb laufend – vorgefahren. Zunächst erntete der Tüftler schallendes Gelächter. Als er aber beweisen konnte, dass er auf seiner Laufmaschine – der „Draisine“, wie er das Vehikel nannte – sein Ziel genauso schnell erreichen konnte, wie ein trabendes Pferd, verstummten Spott und Hohn. Der Testlauf fand damals auf der 14 Kilometer langen Strecke zwischen Mannheim und Schwetzingen statt.
Mit Erfindung der „Draisine“ waren die Grundvoraussetzungen für ein zweirädriges Fahrzeug, das mit eigener Muskelkraft fortbewegt wird, gefunden. Doch bis zum heutigen Fahrrad, das aus dem modernen Straßenverkehr nicht mehr wegzudenken ist, machte das Laufrad des Baron von Sauerbronn in den vergangenen 200 Jahren viele kuriose Entwicklungen durch.
Mit seiner Laufmaschine ging Drais von Sauerbronn auf Werbetour – nach Österreich, Frankreich und sogar Amerika, doch das Interesse an dem kuriosen Vehikel hielt sich in Grenzen. Lediglich in England stieß die „Draisine“ auf größeres Interesse: Der Mechaniker Birch kaufte die Patent-Lizenz und baute Draisinen als Sportgeräte für Herren und Damen – so genannte „Dandy Horses“. Ein englischer, kolorierter Kupferstich aus dem Jahr 1822 zeigt bereits den ersten Tretantrieb. Doch im Brockhaus Konversations-Lexikon aus dem Jahr 1833 ist beim Stichwort Draisine zu lesen:
Nachdem die Maschine eine Zeitlang großes Aufsehen erregte, ist sie schnell in Vergessenheit geraten, da sie den Erwartungen nicht entsprach.“
1851 stirbt der mittlerweile verarmte Drais von Sauerbronn, doch Tüftler und Techniker entwickeln seine Idee vom Zweirad weiter.
Zunächst wurde am Vorderrad eine Kurbel mit Pedalen angebracht. Zehn Jahre später greift der französische Wagenbauer Ernest Michaux die Idee des Tretkurbelrads auf. 50 Jahre nach Erfindung der „Draisine“ stellt er 1867 auf der Pariser Weltausstellung ein leicht gebautes Holzzweirad mit Tretkurbeln vor, lässt sich seine Erfindung patentieren und gründet eine erste Fabrik. Der endgültige Durchbruch gelang, als Kaiser Napoleon persönlich für seinen Sohn Lulu eine „Michauline“ kaufte. Nun war das zweirädrige Sportgerät auch in der gehobenen Pariser Gesellschaft etabliert.
Furore machte das elegante „Velocipède“ des Engländers Hanton, der seine schnittigen Fahrräder ebenfalls für sportliche Damen baute. Von ihm stammt auch die Idee eines Zweirades in Schiffsform, mit dem man auf dem Wasser fahren konnte. Die Urform des heutigen Tretbootes?
Über Frankreich, England und Amerika schwappte die Fahrrad-Begeisterung nach Deutschland zurück, zahlreiche „Velocipeden-Reit-Clubs“ wurden in Altona, Köln, Magdeburg oder München gegründet und am 1. September 1869 fand in Hamburg das erste Velocipeden-Rennen statt.
In Deutschland wurden die Zweiräder mittlerweile nach den Wünschen der Kunden von Schmieden und und Schlossern hergestellt. Vom Baumaterial Holz gingen die Konstrukteure immer mehr zum Eisen über. Zudem nahm das Vorderrad im Vergleich zum Hinterrad an Größe zu, damit mit einer Pedal-Umdrehung größere Geschwindigkeit erzielt werden konnte. Das Hochrad war erfunden…
Der zweite Teil unserer vierteiligen EIFELON-Serie zum Thema Fahrrad folgt nächste Woche.
Fotostrecke von einem treuen Drahtesel:
Dieses Fahrrad ist zwar noch keine 200 Jahre alt, wie die das Laufrad des Barons Drais von Sauerbronn, doch mit seinen 55 Jahren leistet es immer noch gute, zuverlässige Dienste.
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