Eifel: „Literatur an ungewöhnlichen Orten“ ist eine der Maximen der Lit.Eifel. Als Einheimischer ist man diesbezüglich aber manchmal etwas „betriebsblind“. Erst der auswärtige Gast zeigt durch sein Verhalten, ob ein Ort wirklich ungewöhnlich ist. Beim Hollerather Hof passte die Beschreibung. Hellenthals Bürgermeister Rudolf Westerburg wollte die Veranstaltung pünktlich um 19.30 Uhr eröffnen, da war Autor Reiner Lehberger kurz verschwunden. Er musste mit dem Handy noch schnell ein paar Fotos vor dem Hotel machen, denn die Aussicht in Richtung Ramscheid hatte ihn doch sehr beeindruckt.
Für den gebürtigen Bochumer und in Hamburg als Professor für Erziehungswissenschaft tätigen Reiner Lehberger war es eine Eifel-Premiere. Im gefüllten Speisesaal des Hollerather Hofs trug er in äußerst kurzweiligen 90 Minuten Passagen aus seinem Buch vor, erzählte Persönliches aus seinen Begegnungen mit den Eheleuten Schmidt und zeigte Bilder aus dem Privatarchiv der beiden – nur unterbrochen zu jeder vollen und halben Stunde durch das Klingeln der antiken Wanduhr.
Lehberger hatte einiges zu erzählen: 1995, bei einer Ausstellung über die Lichtwarkschule, auf die Helmut und Loki Schmidt gingen, lernte er die Frau des Altkanzlers kennen. Aus einer Arbeitsbeziehung wurde eine Freundschaft zu ihr. Es dauert aber zehn Jahre, bis er die Eheleute duzen durfte.
Das ‚Du‘ muss man sich bei den Schmidts verdienen“,
hatte schon Siegfried Lenz gesagt. Für seine Recherchen zum Buch „Die Schmidts. Ein Jahrhundertpaar“ machten ihm die Eheleute ihr gesamtes Privatarchiv zugänglich. 300 Fotoalben, eine Wand voller Briefe – eine wahre Fundgrube an Geschichten. Selbst Einblicke in privaten Briefverkehr erhielt Lehberger.
81 Jahre kannten sich die Schmidts, fast 70 Jahre waren sie verheiratet – ein absolutes Vorzeigepaar. So zumindest die Außensicht. Doch das reichte Reiner Lehberger nicht. Ihn interessierte, wie das Binnenverhältnis der Partner war – und die beiden öffneten sich ihm, sparten auch die schmerzhaften Kapitel nicht aus. Der frühe Tod des Sohnes Helmut Walter, sechs Fehlgeburten – und dann die große Ehekrise in den 60ern, herbeigeführt durch seine Affäre und einen Enthüllungsbericht darüber im „Stern“.
Obwohl Loki Schmidt schwer getroffen war, sie physisch und psychisch erkrankte und nicht mehr in der Lage war, ihren Beruf als Lehrerin auszuüben, hielt sie an Helmut fest.
Der Bestand der Ehe ist allein Lokis Verdienst“,
resümiert Lehberger, der aber auch konstatierte: Als er die Eheleute 1995 kennenlernte, sei das eine Beziehung auf Augenhöhe gewesen, beide waren gleichberechtigt. Das sei in der gemeinsamen Schulzeit in der Hamburger Lichtwarkschule noch anders gewesen. „Loki war mir bis zum Abitur um zwei Jahre voraus“, erzählte Helmut Schmidt später. Mehr als zehn Jahre war sie sein Schwarm. Dabei hatte sie sogar schon jemanden kennengelernt, den sie heiraten wollte. „Der Krieg hat Loki und Helmut Schmidt zusammengeführt“, so Lehberger.
Ein überraschender Brief des Frontsoldaten an Loki mit der Bitte um ein Treffen in ihren Sommerferien 1941 war wohl ebenso entscheidend wie die daraus resultierende gemeinsame, offenbar sehr intensive Woche, an deren Ende ein Eheversprechen stand. Noch im Krieg wurde geheiratet, der spätere Bundeskanzler trug dabei seine Offiziersuniform, auch in der Hochzeitsanzeige hatte er sich mit Dienstgrad (Oberleutnant im RLM) verewigt.
Selbst wenn Loki nie verstanden hat, wieso sich Helmut freiwillig zum Fronteinsatz gemeldet hatte, führt Lehberger dessen späteres Handeln als Politiker auch auf die Offizierslaufbahn zurück: „Er war forsch, keck, beurteilte die Lage und handelte. Diese Affinität zum Soldatischen hat er nie abgelegt.“ So wurde der Hamburger Innensenator 1962 zum „Herr der Flut“, so agierte er als späterer Staatsmann.
Am Ende des Vortrages gab Lehberger Antworten auf Fragen der Gäste, unter denen sogar ein Ehepaar aus Lehbergers Wahlheimat Hamburg war, das im Eifelurlaub von der Lit.Eifel-Veranstaltung erfahren hatte.
Ein Zuschauer wollte mehr zum persönlichen Verhältnis zwischen den Eheleuten und dem Autor wissen.
Zu Loki freundschaftlich, zu Helmut freundlich“,
so die Antwort. Auch der in Mechernich lebende Geobotaniker Professor Wolfgang Schumacher war unter den Besuchern und berichtete von eigenen Erfahrungen mit Loki Schmidt, die er seit 1976 kannte. Später tauschte er noch unter vier Augen Anekdoten mit Lehberger aus. [pp/Agentur ProfiPress]
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