Eifel: Ihr Namensgeber ist fiktiv, die Gruppe echt und zwar schon seit 45 Jahren: Necronomicon, die Aachener Progressive-Krautrock-Band hat ihren Namen nach dem Buch von H.P. Lovecraft gewählt. Das Buch ist dabei schlichtweg erfunden. Dennoch „existiert“ es, weil sich andere Bücher auf das fiktive Buch beziehen. Necronomicon – übersetzen lässt sich der Name mit „Das Ding, das die Bräuche, die Gesetze der Toten betrifft“. Angeblich sind in ihm sämtliche Gräuel dieser Erde niedergeschrieben. „Wir haben unsere Gruppe nach diesem Namen benannt, weil die Themen, die wir mit unserer Musik behandeln, obwohl real, den fiktiven Gräueln des Necronomicon nahe kommen“, erklärt Bassist Gerd Libber. 1972 hat er die Gruppe mit gegründet. Derzeit spielt die Band ihr neuestes Album ein. Anfang nächsten Jahres kommt es auf den Markt. Vorab haben Fans die Möglichkeit, einige Lieder schon jetzt zu hören: Die Band spielt sie bei ihrem Auftritt am 31. März ab 20.00 Uhr im „Franz“ in Aachen. Exklusiv für EIFELON-Leser verlosen wir zwei Konzerttickets.
Sein Blick durch die runde rahmenlose Brille ist auf unendlich scharf gestellt, seine blauen Augen leuchten auf, wenn der heute 69-Jährige an die Zeit von damals zurückdenkt: „Wir wollten es anders machen“, erzählt der pensionierte Deutschlehrer von den Anfängen der Necronomicongründung. In Aachen gab es damals Ballsäle, in deren Räumen zur selben Zeit jeweils eine andere Hobbyband spielte. „Ich habe da auch gespielt.“ Irgendwann kam er mit Musikern anderer Gruppen ins Gespräch. „Black Sabbath, Pink Floyd, Deep Purple, sie haben uns alle beeinflusst. Vor allem aber auch Uriah Heep, Genesis, Procul Harum, die Beatles, die Rolling Stones oder die Kinks.“ Sie gründeten Necronomicon, coverten zunächst ihre Idole. Ziemlich schnell machten sie aber ihre eigene Musik. „Wir bewegten uns in eine rockigere Ecke. Alles wirkte immer etwas sperrig bei uns.“ Ein wesentliches Merkmal der Band: ihre Gesellschaftskritik. „Es herrschte Vietnam-Krieg. Da und bei anderen brennenden Missständen musste man protestieren.“ Zwar waren die Bandmitglieder nicht in Berlin, nicht in der Kommune 1 organisiert. „Den Geist der 68er hatten wir trotzdem. Wir haben vieles in unseren Stücken kritisiert, haben unsere Kritik über Texte mit der Musik verbunden.“
Eine der ersten deutschsprachigen Rockgruppen mit Gesellschaftskritik
Dem Kritisieren sind sie bis heute treu geblieben. Persönlich sagt Libber: „Auch heute, wenn ich spiele, empfinde ich natürlich Spaß am Musikmachen. Aber trotzdem will ich meine Kritik mitteilen.“ Neben weltpolitischen Themen sprechen sie innenpolitische wie die Wohnungsnot oder Umweltprobleme an. „Im Grunde genommen gibt die Zeitgeschichte die Themen vor.“ In neueren Songs wie „Verwundete Stadt“ beschäftigen sie sich beispielsweise mit islamistischem Terror, der auch europäische Städte erreicht hat, oder mit der Umweltkatastrophe in Fukushima. Auch die aktuellen Lieder, die sie im Aachener Pink Noise Studio gerade aufnehmen, beschäftigen sich hiermit. Und weiterhin prangern sie die Missstände des Großstadtlebens an, das Villen- neben dem Armenviertel. Ob sie mit ihren Songs etwas verändert hätten? „Nein“, sagt der Bassist schulterzuckend, „es sind dieselben Probleme wie früher, nur dass sie noch größer geworden sind.“ Trotzdem hätten sie das Gefühl, mit ihrer Kritik weitermachen zu müssen, um etwas „gegen die Missstände zu tun“.
Das zweite hervorstechende Merkmal der Band aus damaliger Sicht gesehen: Die Deutschsprachigkeit. „Ein englisches Musikmagazin hat einmal geschrieben, wir seien die erste Band gewesen, die Rock auf Deutsch singe“, erzählt Gerd Libber nicht ohne Stolz. „Allerdings“, so fügt er ehrlich hinzu, „mit mäßigem Erfolg“. Die Leute hätten sich erst daran gewöhnen müssen, dass die Texte auf Deutsch waren. Bei Auftritten in Jugendhallen hätte die Band die Texte vorher vervielfältigt und im Publikum verteilt, damit es mitsingen konnte. Hier in Deutschland sind sie vor allem im Raum Aachen bekannt. Ihre kleine, aber feine Fangemeinde erstreckt sich allerdings über den ganzen Globus. „Wir verschicken Platten bis nach Amerika oder Neuseeland.“ Die Band legt größten Wert auf Qualität, lässt ihre Lieder auf bestem Vinyl pressen, die CD gibt es als Beiwerk, alles in kleiner Auflage. Liebhaber wissen das zu schätzen: Die allererste Platte „Tipps zum Selbstmord“ wird inzwischen für bis zu 2.500 Dollar gehandelt.
Die kleine Fangemeinde ist auch einem weiteren Wesensmerkmal der Band geschuldet, der Songlänge: „Wir spielen unsere Lieder nicht einfach, wir tragen sie vor.“ Und tatsächlich, wer in die Platten reinhört, merkt schnell, die Lieder gleichen Symphonien mit Spiellängen zwischen zehn und 20 Minuten, untauglich für die Verbreitung über Radiosender. Der Text nimmt dabei den kleineren Teil ein. Oftmals kommt es auch zu einer Zäsur innerhalb des Songs, und der Zuhörer hat das Gefühl, hier startet ein neues Lied, bis die Melodie wieder zu den anfänglichen Tönen zurückführt. Die Band arbeitet nicht nach der klassischen Notenschrift. Die Hobbymusiker, von denen jeder damals sein Instrument bei einem Musiklehrer neben der Schule gelernt hat, schreiben keine Noten im klassischen Sinn auf, sondern arbeiten mit so genannten „sheets“, Noten- und Informationsblätter, erstellt nach den jeweiligen Erfordernissen. Und sie entwickeln ihre Stücke zeitgemäß mit der neuesten Computertechnologie. Meist haben die Gitarristen eine Idee, und alle arbeiten weiter am Sound und am Text.
„Rock-Opas“ gewannen beim Nachwuchswettbewerb
Einmal allerdings hatten sie doch den Wunsch, einen radiotauglichen Song aufzunehmen: „Verwundete Stadt“ heißt er und dauert nur 3.33 Minuten. Eine Longversion gibt es natürlich auch. 2016 dann, 44 Jahre nach der Gründung, nahmen sie zum ersten Mal an einem Wettbewerb teil, dem „Deutschen Rock- und Pop-Preis“ in Siegen – und räumten in der Kategorie Beste PROG-Rockgruppe den ersten Preis ab. „Es war noch einmal schön, auf einer richtig großen Bühne im Rampenlicht zu stehen“, schwärmt Gerd Libber, der noch immer auf seinem Fender Jazz Bass von 1963 spielt, und denkt, dass er mit seiner Empfindung vielen Musikern aus der Seele spricht. Den Bandmitgliedern ging es dabei um „puren Spaß, reinem Musikmachen“. „In unserem Alter – das älteste Mitglied wird 70 – denkt man nicht mehr daran, berühmt zu werden“, sagt Libber augenzwinkernd. Dass sie am Wettbewerb teilgenommen haben, war Zufall. Ihr Schlagzeuger hatte die Ausschreibung irgendwo gelesen. Sicherheitshalber hatten sie im Vorfeld bei der Jury angerufen, weil „für hoffnungsvolle Nachwuchstalente“ in den Bewerbungsunterlagen stand. Man versicherte ihnen allerdings, dass 65 Jahre kein Problem darstellten. „Als wir in Siegen auf die Bühne kamen, haben die Leute schon gestarrt. Die dachten bestimmt: `Da kommen so ein paar Opas, was wollen die denn hier?`“, erzählt Libber amüsiert. Dann fingen sie an zu spielen, und alle haben geguckt. Nach dem dreiminütigen Auftritt war der Applaus groß. „Dann war alles auch schon wieder vorbei.“Vorbei war es zwischendurch auch immer mal wieder mit Necronomicon. Der Zusammenhalt war nicht immer gegeben. Einige Musiker stiegen aus, neue kamen hinzu, es kam auch zu Pausen, in denen jeder in einer anderen Band spielte. Seit 2009 treten sie jedoch wieder gemeinsam auf, proben in der Regel einmal die Woche in ihrem Probenraum im Aachener Umland. Jetzt, wo sie die neue Platte aufnehmen und ihr Konzert im „Franz“ in Aachen vorbereiten, sehen sie sich fast täglich. Ihren Stil haben sie über die Zeit beibehalten, machen auch heute noch 70er-Jahre-Rock, vielleicht etwas „glatter als früher“. „Aber“, fragt Libber amüsiert, „können Sie sich vorstellen, dass wir als 70-Jährige Rap-Dance machen?“ Das sei doch nicht authentisch. Andersherum bekämen die jungen Rocker den Beat nicht so hin wie die „Rockopas“. Ein Manko jedoch: Die Zeit, sie geht auch an ihnen nicht spurlos vorbei, selbst ohne Alkohol und harte Drogen. „Die Gebrechen sind da“, sagt Libber, nicht ohne selbst darüber schmunzeln zu müssen. „Aber solange wir können und vor allem Lust dazu haben, machen wir weiter.“
Wer noch mehr zur Band, ihren Alben und dem Konzert am 31. März wissen möchte, schaut einfach unter http://www.necronomicon-1972.de rein. Der Kartenvorverkauf läuft über „Franz“ (www.franz-aachen.de) und Eventim (www.eventim.de).
Exklusiv für EIFELON-Leser verlosen Necronomicon und unser Magazin 1×2 Eintrittskarten für das Aachener Konzert im „Franz“ am 31. März. Wer weiß, mit welchem Titel die Band den 34. Deutschen Rock&Pop-Preis 2016 gewonnen hat, sendet uns diesen gemeinsam mit seiner Anschrift an . Einsendeschluss ist nächste Woche Freitag, 25. März. Allen Teilnehmern wie immer viel Glück!
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