Umland, Düren: Sie waren als „Blaustrümpfe“ oder „Suffragetten“ verpönt – jene engagierten Frauen, die Anfang des 20. Jahrhunderts weltweit voller Protest auf die Straße gingen und ein allgemeines Wahlrecht auch für Frauen einforderten. In Deutschland war es im Januar 1919 soweit: Erstmals durften Frauen ab 20 Jahren durch ihren Gang zur Urne die politische Situation mitbestimmen. 54 Prozent der Wahlberechtigten zur Reichstagswahl waren damals Frauen. Mit Plakaten wie „Frauen und Mädchen nutzt am 19. Januar Euer Wahlrecht“ hatten sie zuvor ihre Geschlechtsgenossinnen ermuntert, sich aktiv ins politische Geschehen einzumischen.
Zu diesem geschichtsträchtigen Datum – 19. Januar – haben Lisa Haßler und Sarah Höner vom Team des Dürener Stadtmuseums in Kooperation mit Christina van Essen, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Düren, ein interessantes Programm aus Vorträgen und Führungen zusammengestellt. Ab 11.00 Uhr wird im Museum, Arnoldsweilerstraße 38, an dieses spektakuläre Jubiläum erinnert und auf 100 frauenbewegte Jahre zurückgeblickt. Doch auch die Gegenwart soll in den Fokus gerückt werden.
Im Ausstellungsbereich hinter dem Eingang des Stadtmuseums werden Lisa Haßler und Sarah Höner zunächst eine kurze Einführung in das Thema geben. Christina van Essen hält anschließend einen Vortrag über „100 Jahre Frauenwahlrecht“ und rückt dabei auch die Dürenerin Julie Heusgen in den Blickpunkt.
Mit vollem Namen hieß die kämpferische, 1860 geborene Hamburgerin Juliane Pauline Dorothea Heusgen, geborene Enger. Von Freunden und Familie wurde sie jedoch Julie genannt. Später heiratete sie den Dürener Peter Josef Heusgen, der als Geselle bei ihrem Vater – einem Schuhmachermeister – arbeitete. Auch er engagierte sich im sozialistischen Bereich.
Das junge Paar zog anschließend nach Düren, wo Peter Josef Heusgen eine Schuhmacherwerkstatt eröffnete. Julie Heusgen selbst war seit 1905 Mitglied im Sozialistisch Demokratischen Parteiverein und engagierte sich für die Ausbreitung sozialdemokratischer Ideen unter Frauen. Außerdem warb sie Mitglieder für die Zeitschrift „Die Gleichheit – Zeitschrift für die Interessen von Arbeiterinnen“.
1909 wählte man sie zur offiziellen Delegierten des Reichstagswahlkreises auf dem oberrheinischen Parteitag der SPD. Es ist überliefert, dass sich die Mitglieder des Sozialdemokratischen Vereins für Düren und Umgebung, gegründet 1895, jeden Sonntagvormittag in der Wohnung der Heusgens trafen und diskutierten. Sie nannten die Wohnung das „Revolutionsbüro“. 1896 wurde ihnen die Wohnung gekündigt. Ob es dem Vermieter dort zu politisch herging?
Bereits 1908 wurde das Reichsvereinsgesetz geändert und sechs weitere Frauen traten in die SPD ein. Ein Jahr später waren es dann aber nur noch insgesamt vier weibliche Mitglieder. 1912 waren zehn Frauen vertreten, danach ging die Zahl erst einmal wieder zurück, auf sechs Frauen.
Julie Heusgen verstarb am 5. Februar 1911, an welcher Krankheit ist nicht übermittelt. An ihrer Beerdigung nahmen mehrere hundert Personen teil, so beispielsweise Sozialdemokraten aus Aachen und anderen umliegenden Städten sowie auch vom oberrheinischen Agitationskomitee. Am 30.11.1911 wurde Julie Heusgen in einem Bericht des Regierungspräsenten als „Seele der dortigen Frauenbewegung“ bezeichnet. Klara Zetkin widmete ihr in der Zeitschrift „Die Gleichheit“ einen langen Nachruf und würdigte ihre Verdienste um die Parteiarbeit. Den endgültigen Erfolg – die Durchsetzung des Frauenwahlrechts in Deutschland – hat Julie Heusgen nicht mehr erlebt. Und trotz detaillierter Suche der Historiker ist es bislang noch nicht gelungen, ein Foto von der politischen „Vorreiterin“ aufzufinden.
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