Zülpich: Seit knapp einer Woche sind sie auch in Zülpich zu sehen: Stolpersteine, die zeigen, wo jüdische Mitbürger ihren letzten, selbst gewählten Wohnsitz hatten, bevor sie im Zweiten Weltkrieg deportiert wurden. Seit einigen Jahren verlegt der Künstler Gunter Demnig in Deutschland und Europa diese Stolpersteine. Mittlerweile sind es rund 55.000 in 1.600 Orten. Im nächsten Jahr will Demnig auch Steine in Weißrussland verlegen. Mit dem Projekt möchte der Künstler die Erinnerung an Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig halten.
Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es einige jüdische Mitbürger in Zülpich, sie nahmen am Stadtleben teil, gingen in ihre Synagoge und waren integriert. Doch mit den Nationalsozialisten wurde alles anders. Noch gibt es Zeugen in der Römerstadt, die sich an jüdische Nachbarn und Freunde erinnern können. „Eine Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Deportation jüdischer Familien aus Zülpich war bereits seit langem überfällig. Sie findet mit dieser Verlegung nun auch dauerhaft einen sichtbaren Ausdruck“, sagte Bürgermeister Ulf Hürtgen am vergangenen Freitag vor dem Rathaus.
Dort war die Familie Moritz Sommer ansässig. Hermann-Josef Klinkhammer, Mitglied des Geschichtsvereins Zülpich, erinnerte sich noch an die Familie, denn er wohnte nicht weit entfernt. „Ich wusste erst gar nicht, dass sie Juden waren, bis ich eines Tages den Judenstern auf ihrer Kleidung sah“. Er sei damals zehn Jahre gewesen und habe sofort seine Eltern nach der Bedeutung des Sterns gefragt. Wenige Wochen später war die Familie weg – deportiert – und ihre Möbel und Habseligkeiten aus der Wohnung wurden in die Schützenhalle zur Versteigerung gebracht. Dies sei so üblich gewesen, erklärte Hans-Gerd Dick, Kulturreferent der Stadt Zülpich.
Wie sehr die jüdischen Bürger integriert waren, zeigt das Beispiel der Familie von August Klaber, der in der Münsterstraße ein Malergeschäft führte. Er war Mitglied beim Roten Kreuz, bei den Blauen Funken und im Zülpicher Männergesangsverein. Franz-Josef Schulte, Mitglied des Geschichtsvereins, ließ ein klein wenig die Geschichte der Familie aufleben. Dritte Station war die Von-Lutzenberger Straße, wo die Familie Moses Klaber wohnte. Einige Nachfahren waren zur Stolpersteinverlegung extra nach Zülpich gekommen, so wie Carla Cohn. Ihre Großmutter Sibilla Klaber hatte dort gewohnt. Ihre Mutter habe sich in den Niederlanden verstecken können, erzählte Carla Cohn, ihre Großmutter nicht. „Es fühlt sich an wie eine Beerdigung, denn meine Oma hatte keine.“ Mit diesen wenigen Worten bewegte sie die Bürger, die gekommen waren, um an der Verlegung der Stolpersteine teilzuhaben. Sie legten an allen drei Orten Blumen und Kerzen neben den frisch verlegten Stolpersteinen ab.
Bürgermeister Hürtgen dankte dem Geschichtsverein für die Initiative. Die Mitglieder, allen voran Hermann-Josef Klinkhammer und Franz-Josef Schulte, erforschten zusammen mit Rita Reibold vom Stadtarchiv die Geschichte der jüdischen Familien und legten damit die Grundlage für die Verlegung. Stadtarchivarin Reibold ist zur Zeit dabei, eine umfassende Publikation zum jüdischen Leben in Zülpich vorzubereiten. Eine Hilfe sind ihr dabei die beiden Herren des Geschichtsverein, denn sie kannten noch einige der Familien. Sie sei auf Zeitzeugen angewiesen, meinte Reibold. Bis spätestens Anfang 2017 soll das Werk fertig werden. Über die Familie Klaber gibt es zur Zeit eine Ausstellung in der Geschichtswerkstatt in der Landesburg zu sehen: „Die Klabers, Geschichte einer jüdischen Familie aus dem Rheinland“. Sie wurde von der Gedenkstätte Bonn ausgeliehen und kann noch bis zum 10. Januar samstags von 13.00 bis 16.00 Uhr, sonntags von 11.00 bis 16.00 Uhr oder nach Vereinbarung angesehen werden.
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