Hillesheim: „Früher gab es überall in der Eifel Kinos“, erinnert sich Christine Runge, Betreiberin der Eifel-Film-Bühne in Hillesheim. „Als Schülerin war ich in den 70ern noch in Daun im Kino.“ Ende der 1960er, Anfang der 70er machte jedoch ein Filmhaus nach dem anderen dicht. 1967 kam der Farbfernseher auf den Markt, 1984 das Privatfernsehen. Dies bedeutete eine riesige Konkurrenz für die Kinos auf dem Land, die zwischen 1984 und 1990 eben nicht die anspruchsvollen Faßbenderfilme zeigten, sondern Filme auf dem Niveau der Privatsender nach 22.00 Uhr, wie Runge erzählt.
Dass die Eifel-Film-Bühne überlebte, hat sie vor allem der Schwiegermutter von Christine Runge zu verdanken. Deren Mann, Hans Runge, führte 1943 den ersten Kinofilm in Hillesheim vor. Die Menschen strömten in den Saal, um neben Unterhaltungsfilmen auch die Wochenschauen zu sehen. Nach dem Krieg bauten Hans und Maria Runge das heutige Kinogebäude. Als ihr Mann 1965 starb, hielt Maria Runge am Kino fest, auch als immer weniger Menschen kamen. „Es war für sie eine Herzenssache und auch ein Stück Erinnerung an ihren Mann“, schildert Schwiegertochter Christine Runge. Mit den Jahren zog sich Maria Runge immer mehr aus dem Kinobetrieb zurück. 1991 stand dann Christine Runge mit Ehemann Günter vor der Frage, schließen oder durchstarten. Sie entschieden sich für Letzteres. „Aber mit Filmen, die wir selbst sehen wollen“, sagt Christine Runge. Dazu zählten nicht die in den 1990er Jahren populären Mumienfilme. Stattdessen füllten ausgewählte, anspruchsvolle Filme jenseits des Mainstreams das Programm und sorgten für mehr oder minder gut gefüllte Kinosessel. „Für unsere gewohnten Besucher war der Programmwechsel nicht so einfach. Die waren schwere Kost nicht gewohnt“, erinnert sich Runge.
Mit den Jahren hat sich die Eifel-Film-Bühne jedoch einen treuen Kundenstamm aufgebaut, feierte letztes Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum als Programmkino. Besucher um die zwanzig Jahre bis ins hohe Alter schauen sich regelmäßig die von Christine Runge ausgewählten Filme an, darunter eine Dame über 90, die mit ihrer Tochter das Kino besucht. Von Bad Münstereifel, Kall oder Nettersheim, Daun und Prüm kommen die Zuschauer. Oder es sind Wochenendgäste der Eifel aus größeren Städten wie Köln, wo manche Filme in den Programmkinos auch nur eine Woche lang laufen. „Manchmal sind die Leute so dankbar, dass der Film dann bei uns dreht, und sie ihn hier noch sehen können.“ Wenn es ihr möglich ist, geht die Kinobetreiberin sogar auf Kundenwünsche ein. „Wenn ein Besucher einen Film unbedingt sehen möchte, dann versuche ich schon im Rahmen des Machbaren, den Termin so zu legen, wann er kann.“
Doch was bietet die Eifel-Film-Bühne eigentlich? „Filme mit Neben- und Nachwirkungen“, antwortet Christine Runge. „Es sind Filme, die berühren, zumindest mich.“ So wie „Ich, Daniel Blake“, eine schonungslose Anklage des Verfalls von Sozialsystemen und Mitmenschlichkeit. Regisseur Ken Loach erhielt hierfür im vergangenen Jahr in Cannes die Goldene Palme für den Besten Film und in Locarno und San Sebastian den Publikumspreis. „Oft bin ich von einem Film begeistert. Wenn ich dann die bundesweit unterirdisch niedrigen Besucherzahlen für den Film in der Fachpresse lese, denke ich nur ‚Oh Gott‘.“ Allerdings: „Wenn mich ein Film überzeugt, bringe ich ihn trotzdem, so wie eben ‚Ich, Daniel Blake‘.“ Heute Abend feiert er in der Bühne Premiere. Ob sich bei dem Schneefall heute Abend jemand vor die Tür bis in ihr Kino wagt? Christine Runge ist skeptisch.
Actionfilme und viele große Blockbuster sucht man in der Eifel-Film-Bühne vergebens. Die Starwars-Filme hat die Bühne wohl im Programm. Das hat einen Grund: „Manchmal möchte ich ja auch so etwas sehen“, gesteht Runge. Auch „Bridget Jones – Schokolade zum Frühstück“ lief in der Bühne. Der Film war hier jedoch sehr schlecht besucht. „Hier wurde ich vom Publikum abgestraft. Die Leute erwarten so einen Film nicht bei mir.“ Zusätzlich bietet die Film-Bühne-Eifel auch Filmreihen an. Im November ist das die Reihe gegen das Vergessen der NS-Zeit, zu der Christine Runge für den 9. November auch immer einen Referenten einlädt. Daneben gibt es beispielsweise die Reihe „weiblich – mutig – selbstbestimmt“ und eine Reihe, die sich mit dem Thema lesbisch – schwul – transsexuell beschäftigt. „Sie wird schlecht angenommen. Vielleicht, weil die Leute sich nicht trauen“, mutmaßt die Betreiberin. Zum Weltfrauentag am 8. März bringt sie den Film „Hidden figures“. In diesem auf einer wahren Geschichte basierenden Film geht es um drei verkannte Afroamerikanerinnen innerhalb der NASA, die aufgrund ihrer mathematischen Leistung die erste Erdumrundung mit ermöglicht haben. Obwohl Jugendliche normalerweise selten ihr Kino besuchen, applaudieren sie regelmäßig nach den Filmen, die die Bühne während der Schulkinowoche zeigt. Das können auch britische und französische Filme im Originalton mit Untertitel sein. An den guten Kinderfilmen hält sie ebenfalls fest.Rechnet sich das Kino überhaupt? „Es ist auf jeden Fall ein Liebhaber-Ding“, antwortet Christine Runge. „Aber dank der Preise trägt es sich schon.“ Damit meint sie die zahlreichen Auszeichnungen, beispielsweise den Preis für ein gutes Kinder- und Jugendprogramm und den Filmtheaterprogrammpreis vom Rheinlandpfälzischen Kultusministerium oder auch Preise vom Bundesinnenministerium für ein gutes Kurzfilmprogramm. Die fallen dem Kino nicht in den Schoß. Jedes Jahr muss sich das Kino erneut um die Auszeichnungen bewerben, die mit Preisgeldern verbunden sind. Viel Einsatz und ein Gespür für inhaltsstarke Filme gehören dazu. Regelmäßig besucht Christine Runge die Filmmessen in Berlin, Leipzig und Köln. Nur von den Filmen, die sie selbst überzeugen, bucht sie eine Filmkopie. Bei „Toni Erdmann“ hatte sie ein gutes Gespür. „Als ich ihn buchte, wusste ich noch gar nicht, dass so viele über ihn reden.“ Sie hatte ihn bereits im letzten Jahr gezeigt, im Februar läuft er aber nochmal. Bei den Golden Globes hat „Toni Erdmann“ zwar nicht gewonnen, dafür ist er für den Auslandsoskar nominiert und bleibt somit im Gespräch. Das lockt auch Besucher in den Saal der Eifel-Film-Bühne.
Seit vielen Jahren betreibt Christine Runge nun schon das Kino. Ans Aufhören denkt die 63-Jährige noch lange nicht. „Meine Schwiegermutter stand noch mit 84 an der Kasse“, erzählt Christine Runge. Zahlreiche weitere Jahre möchte sie „Kino machen“ und hofft, dass viele ihrem Aufruf zur Neugierde folgen, den sie regelmäßig unters Programmheft setzt. Wer sich für das aktuelle Kinoprogramm interessiert, schaut am besten unter www.eifelfilmbuehne.de nach.
Bisher 0 Kommentare
Kommentar schreiben
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag. Schreiben Sie den Ersten.
Einen neuen Kommentar schreiben
Um einen neuen Komentar zu schreiben, melden Sie sich bitte mit ihrem Benutzernamen und Passwort an. Wenn Sie noch keinen EIFELON-Account haben, können Sie sich kostenlos und unverbindlich registrieren.