Umland, Köln: Im Spiel fürs Leben lernen, verschiedene Rollen ausprobieren, einen Gegner austricksen und gewinnen. Oder einfach Spaß haben. Das ist nicht nur für Kinder wichtig, sondern auch für Erwachsene. Wie das schon seit alters her „funktioniert“, ist Thema der Ausstellung „Im Spielrausch“, die bis zum 4. Februar im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) gezeigt wird.
Masken, Puppen, Trailer, Screenshots, Bücher, Brettspiele und Theatermodelle sind zu sehen – rund 150 Exponate. Wobei ein Exponat auch schon einmal aus Dutzenden Zinnsoldaten bestehen kann. Und die Spielkegel beim „Mensch ärger dich nicht“ werden natürlich auch nicht einzeln mitgezählt. Gut 60 Prozent davon kommen aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität Köln, die hierfür auch mit ihren Studierenden zum dritten Mal mit dem MAKK zusammenarbeitet. Viele der anderen Objekte wurden aus Privatsammlungen und von Stiftungen zur Verfügung gestellt.Das älteste Stück ist eine gut 400 Jahre alte No-Maske aus Japan. Die jüngsten sind Videospiele aus der aktuellen Gegenwart. Doch Achtung: Spielen ist nicht, nur gucken! Lediglich ein Kasperle-Theater zu Beginn und ein Videospiel am Ende erfüllen den modernen Wunsch nach „Interaktivität“. Der Faszination der bunten Ausstellung tut das allerdings keinen Abbruch.
Aufgegliedert ist die Ausstellung – das nun ganz modern – nicht in „Abteilungen“, sondern in sechs „Level“ (wobei man hier auch mit dem höchsten anfangen kann). Gezeigt wird, wie verschiedene Aspekte des Spiels im Laufe der Zeit unterschiedlich umgesetzt wurden – nicht zuletzt durch neue Techniken.
Es beginnt mit der Verwandlung – durch Masken und Kostüme. Realität und Fiktion verschwimmen durch die Verkleidung – und wer es nicht selber tut, kann sich mit den Figuren identifizieren, die etwa stellvertretend auf einer Theaterbühne stehen. Wofür hier auch Tünnes und Schäl und andere Puppen stehen. Heutzutage bieten Videospiele die Übernahme verschiedener Rollen an.
Das alles wirkt – Level 2 – durch Bewegung im Raum. Da sind die klassischen, oft sehr aufwändigen Bühnenbilder. Oder die kleine Modelleisenbahn-Anlage, die ihren Besitzer zum Lokomotivführer werden lässt. Zumindest auf den ersten Blick scheinen es da die Videografiker einfacher zu haben. Sie können in der Zweidimensionalität des Bildschirms verblüffende, bewegliche Perspektiven schaffen, gegen die die surrealen Phantasien eines M.C. Escher buchstäblich platt wirken. Aus diesen „Einzelbildern“ entwickeln sich ganze Welten. Laien können sie sich mit Legosteinen konstruieren – die Computertechnik eröffnet auch hier die größeren Möglichkeiten.
Mit Zinnsoldaten lassen sich nachträglich historische Schlachten gewinnen
Und was kann man spielen? Krieg zum Beispiel. Mit historischen Zinn- oder Papiersoldaten lassen sich Schlachten nachspielen – vielleicht können kluge Strategen hier im Nachhinein den Sieger zum Verlierer machen. Klassisch ist der geistige Wettkampf beim Schachspiel – egal ob man stereogeometrische Bauhaus-Figuren oder Super-Mario und seine Kumpel ins Feld schickt.
Level 5 schließlich widmet sich den Regeln, dem Regelbruch und der „Selbstoptimierung“. Der Filmemacher Harun Farocki „verwandelt“ einen realen US-Einsatz im Irak-Krieg in ein Videospiel – eine gruselige Inszenierung. Mit dem Würfel schickte man beim „Spiel des Lebens“ die Figuren übers Spielbrett und muss sich den Zufallskarten stellen.
Beim Spielen werden auch Geschlechterrollen vermittelt
Schließlich werden durch Spiele ganz subtil Geschlechterrollen vermittelt – auch heute noch. Barbiepuppen für die braven Mädchen, Pippi Langstrumpf für die aufmüpfigen. Die Jungen dürfen sich am Bildschirm als Pilot des Kampfjets F 16 üben. Eine makabre Aktualität: Eine Karte von Nordkorea wird mitgeliefert.
Schließlich – im letzten Kapitel, pardon: Level – wird der Spielrausch zum Thema. Dem kann man in dieser Ausstellung – siehe oben – kaum verfallen. Aber zu Hause warten ja wohl genug Spiele…
181.000 Euro hat die Ausstellung gekostet. Den weitaus größten Teil davon brachten Sponsoren auf wie die Kunststiftung NRW oder die Peter und Irene Ludwig Stiftung. Was fehlt, ist die Unterstützung der Global Player, die mit dem Merchandising beliebter Video- oder Rollenspiele ihr Geld verdienen.
Wegen hoher Copyright-Gebühren auf Starwars-Exponate verzichtet
Weil sie zu hohe Copyright-Gebühren verlangten, sind zum Beispiel keine Kostüme oder Requisiten der „Starwars“-Filme zu sehen. „Leider sind einige Bereiche der aktuellen Spielkultur hochkommerzialisiert und nicht an einer Auseinandersetzung mit dem Kultur-Phänomen Spiel interessiert“, kommentiert deshalb Peter W. Marx, Direktor der Theaterwissenschaftlichen Sammlung.
Kostenlos ist dagegen der WhatsApp-Guide. Er kann mit der Mobilfunknummer 0157 – 92373865 aufs Smartphone geladen werden und bietet dann zu den Objekt-Erklärungen auch noch Videos. Da muss der höchst informative Katalog passen. [ehu]
Bisher 0 Kommentare
Kommentar schreiben
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag. Schreiben Sie den Ersten.
Einen neuen Kommentar schreiben
Um einen neuen Komentar zu schreiben, melden Sie sich bitte mit ihrem Benutzernamen und Passwort an. Wenn Sie noch keinen EIFELON-Account haben, können Sie sich kostenlos und unverbindlich registrieren.