EIFELON weiterempfehlen

Wir informieren die Eifel

unabhängig. überparteilich. unbezahlbar.

neue Kommentare
0
1949 feierte die 22-jährige Friedger Kolvenbach ihre Hochzeit auf der Vlattener Burg. [Foto/Repros: bwp]

Vlattener Burgfest lässt alte Erinnerungen aufleben

Heimbach, Vlatten: „Wär das nicht was für mich“, fragte Frieda Gerda Kolvenbach – von ihren Eltern liebevoll „Friedger“ genannt – vor 75 Jahren und las ihrer Mutter eine Zeitungsanzeige vor: „Burg Vlatten sucht Hausmädchen…“ Im Frühjahr 1941 hatte die 15-jährige Kölnerin – wie damals üblich – nach acht Schuljahren ihr Abschlusszeugnis bekommen und machte sich nun Gedanken über ihre berufliche Zukunft. Als „Tipse“ in irgendeinem Büro wollte sie nicht arbeiten. Und in einer Fabrik? „Um Gottes Willen“, winkt die Seniorin noch heute energisch ab. „Ich wollte raus, an die frische Luft!“

friedchen_eislaufausweis_2

Eine Karriere als Eiskunstläuferin war ihr Traum.

Am liebsten wäre sie natürlich Eiskunstläuferin geworden, denn Ende der 1930er Jahre hatte sie als Kölner Vizemeisterin auf dem Siegertreppchen des neu eröffneten Eisstadions gestanden. Doch der Krieg zerbombte all ihre Träume. Statt Kreise auf dem Eis zu ziehen, fuhr das zierliche Mädchen nun mit Dampflok und Bus von Köln nach Vlatten zum Vorstellungsgespräch. „Am 25. August 1941 habe ich dann hier angefangen“, erinnert sie sich. Griffbereit liegt ihr Album mit alten Fotos auf dem Tisch. Das Benefiz-Fest auf dem Burggelände zum Erhalt der Vlattener Jugendhalle, die in diesem Jahr ihr 100-Jähriges feiert, hat all ihre Erinnerungen wieder wachgerufen.

Zunächst war Friedger Kolvenbach in der Vlattener Burg nur für die Zimmer zuständig. Fürs Aufräumen und Staubwischen. „Allein zum Abstauben des schmiedeeisernen Geländers im dreistöckigen Turm brauchte ich fast eine Stunde.“ Für die vielen Rundungen nahm sie damals – neben Pinsel und Tuch – lieber den Zeigefinger, verrät sie vergnügt. Voller Übermut sei sie als junges Mädchen anschließend bäuchlings auf dem hölzernen Treppenhandlauf ins Erdgeschoss hinuntergesaust: „Das ging viel schneller! Ich durfte mich nur nicht erwischen lassen“, zwinkert sie 75 Jahre später mit immer noch jugendlichem Schalk in den Augen.

Die Vlattener Burg wurde Friedgers zweites Zuhause. Nach kurzer Zeit kümmerte sie sich auch um Küche und Keller. Lernte, wie man Kaninchen schlachtet oder Spalierobst zieht. Und wenn zu Kriegszeiten – im wahrsten Sinne des Wortes – Not am Mann war, kutschierte sie ein Ochsengespann nach Embken, um am dortigen Bahnhof den Dünger für die Landwirtschaft abzuholen. „Das dauerte und dauerte, bis so ein Ochse am Ziel ankommt. Besonders bei der Steigung zurück nach Vlatten“, meint Friedger schmunzelnd und ahmt den trägen Schritt des Rindviechs nach. Temperamentvoller ging es bei einem Fußmarsch nach Bleibuir zu. Dorthin sollte sie – ein Schaf an der Leine – das weibliche Tier zum Besamen bringen. Nach dem vollzogenen Akt sei das Mutterschaf an der Leine allerdings „raderdoll“ gewesen und zerrte das junge Mädchen auf dem Rückweg kreuz und quer. Ein zufällig vorbeifahrender Militärlaster beobachtete das Spektakel und hievte Friedger und den Vierbeiner auf einen leeren Anhänger: „So sind das Schaf und ich mit ‚militärischen Ehren‘ in Vlatten abgesetzt worden“, amüsiert sich die alte Dame noch heute mit ansteckendem Lachen.

Ihre Jugenderinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg sind ins Gedächtnis eingraviert: Die einquartierten Fremdarbeiter auf der Burg, die schnell zu Freunden wurden. „Obwohl es damals politisch strengstens verboten war, aßen wir immer zusammen an einem Tisch in der Küche“, erzählt die fast 90-Jährige und zeigt ein Foto von Malenka, einem jungen, hübschen Mädchen aus der Ukraine. Und wenn die quirlige Kölnerin – trotz aller Kriegswirren – Sehnsucht nach dem Eislauf packte, schlüpfte sie zumindest in ihre Rollschuhe und drehte Pirouetten auf der Terrasse im Park.

burgfest_musikverein

Beim Benefiz-Fest standen die Gäste Schlange, um den Blick vom Burgturm zu genießen.

Beim Benefiz-Fest „Vlattener für Vlatten“ saß die Seniorin im Schatten der vertrauten Bäume des Burgparks und beobachtete, wie die zahllosen Besucher Schlange standen, um vom Turm aus erstmals den Panoramablick über das historische Dorf zu erleben. Nein, die vielen Turm-Stufen entlang des seit Jahrzehnten vertrauten Geländers hat sie diesmal nicht erklommen: „Das schaffe ich in meinem Alter nicht mehr“, meint sie. Ohne Wehmut, aber wieder mit diesem unvergleichlichen Lachen.

15.7.2016LebenHeimbach, Vlatten0 Kommentare bwp

Bisher 0 Kommentare
Kommentar schreiben

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag. Schreiben Sie den Ersten.

Einen neuen Kommentar schreiben

Um einen neuen Komentar zu schreiben, melden Sie sich bitte mit ihrem Benutzernamen und Passwort an. Wenn Sie noch keinen EIFELON-Account haben, können Sie sich kostenlos und unverbindlich registrieren.


  1. *Ihre eMail-Adresse wird nicht veröffentlicht
  2. Ein Passwort wird Ihnen an Ihre eMail-Adresse zugeschickt, Sie können es anschließend in Ihrem Benutzerberich leicht ändern.
  3. Den Button zur Registrierung finden Sie unter unserern folgenden Richtlinien:
Die Richtlinien für die Nutzung der EIFELON Diskussionsplattform
Die Benutzer bestätigen/akzeptieren mit ihrer Anmeldung unsere Richtlinien. Falls es im Nachhinein noch Änderungen an den Richtlinien gibt, werden die User beim nächsten Einloggen aufgefordert, die Richtlinien erneut zu bestätigen: Wir bieten Ihnen hier eine Plattform für sachliche und konstruktive Diskussionen. Um dies zu gewährleisten, behält sich die Redaktion vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen, die einer sachlichen Diskussion nicht förderlich sind. Wir bitten Sie daher, durch die Einhaltung unserer Richtlinien zu einem freundlichen Gesprächsklima beizutragen.
1. Gegenseitiger Respekt
Bitte behandeln sie andere Nutzer so, wie Sie selbst behandelt werden möchten. Zeigen Sie Toleranz gegenüber anderen Meinungen und verzichten Sie auf persönliche Angriffe und Provokationen.
Selbstverständlich werden Kommentare, die ehrverletzend, beleidigend, rassistisch, pornografisch oder auf andere Weise strafbar sind, nicht freigeschaltet.
2. Wortwahl und Formulierung
Sachliche Argumentation ist die Basis für eine konstruktive Diskussionskultur. Nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Kommentar vor dem Abschicken zu überprüfen. Habe ich den richtigen Ton getroffen? Könnten meine Formulierungen Missverständnisse hervorrufen?
3. Benutzernamen
Diese genannten Richtlinien gelten auch für die Verwendung von Benutzernamen.
4. Quellenangaben und Verlinkungen
Wenn Sie Zitate verwenden, verweisen Sie bitte auf die Quelle und erläutern Sie deren Bezug zum Thema.
5. Zeichenbegrenzung
Die Länge eines Kommentars ist auf 1000 Zeichen zu begrenzen, um eine Moderation in einem adäquaten Zeitrahmen zu gewährleisten. Mehrteilige Beiträge können daher leider nicht berücksichtigt werden.
Bitte sehen Sie davon ab, denselben oder einen sehr ähnlichen Kommentar mehrmals abzuschicken.
6. Werbung
Die Nutzung der Kommentarfunktion zu kommerziellen Zwecken ist nicht erlaubt. Inhalte gewerblichen oder werbenden Charakters werden nicht freigeschaltet. Gleiches gilt für politische Aufrufe aller Art.
7. Sonstige Hinweise
Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung eines Kommentars. Beiträge, die sich als falsch oder unwahr herausstellen, können auch im Nachhinein noch gelöscht werden. Sollten Sie auf Beiträge stoßen, die gegen die Richtlinien verstoßen, machen Sie die Moderation bitte darauf aufmerksam. Schicken Sie einfach den Link des betreffenden Kommentars mit einer kurzen Erläuterung an redaktion@eifelon.de. Bei wiederholten oder besonders schweren Verstößen gegen diese Richtlinien behalten wir uns einen Ausschluss einzelner User vor.


zurück zur Startseite