Kreise, Kreis Düren: Der BUND und das Forum Politik hatte am Donnerstag zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion in die St. Angela Schule nach Düren geladen. Titel des Abends: „Energiewende regional – ohne Kohle nix los?“
Moderiert wurde die Veranstaltung von Carina Peters vom Energienetzwerk Köln, einer Außenstelle der Energie Agentur NRW. Von dort kam auch der Referent Simon Trockel, dessen Thema „Stärken und Schwächen der Energiewende im Kreis Düren“ betitelt war. Auf dem Podium: Ingo Vosen von der Rurenergie, Bernd Ohlemeyer von der CDU-Mittelstandsvereinigung, Professor Isabel Kuperjans vom Institut NOVUM der FH Aachen Campus Jülich, Walter Jordans, BUND Kreisgruppe Düren, Oliver Krischer, MdB der Grünen mit Wahlkreis Düren, und – last but not least – die beiden Bewerber um das Landratsamt, Peter Münstermann und Wolfgang Spelthahn. Somit war das Thema hochkarätig aus dem Kreis besetzt. Es hätte ein spannender Abend werden können…
Simon Trockel, Nachhaltigkeitswissenschaftler der Energieagentur NRW, versuchte in seinem Vortrag, die zunehmend kritische Befindlichkeit der Bevölkerung zur Energiewende zu charakterisieren. Dabei wirkten die von ihm genannten Punkte eher wie Durchhalteparolen: Es gibt keinen Weg zurück, es gibt keine Inseln der Glückseligkeit, die Menschen müssen Bereitschaft zur Verantwortung zeigen, es gäbe zwar „ernstzunehmende Sorgen“ und „systemische Herausforderungen“ – dazu wurde von Simon Trockel Wald-Verspargelung, Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der Infraschall genannt. Aber die Politik hätte sich ja den forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien auf ihre Fahnen geschrieben. Punktum.
Das Ziel: Bis 2025 40 bis 45 Prozent Anteil am Energieaufkommen. Dazu sollte die Windenergie in NRW mit 15 Prozent bis 2020 beitragen. Der Kreis Düren würde 586 GW/h im Jahr durch Windenergie zur Energiewende beisteuern, das mögliche Potenzial läge aber bei 6.500 GW/h pro Jahr, also beim mehr als Zehnfachen, so zumindest nach der Vorstellung der Energie Agentur NRW.
Soweit ist alles bekannt, hatte aber mit dem Thema „Die Stärken und Schwächen der Energiewende im Kreis Düren“ eher weniger zu tun. Hier wurde der politische Standpunkt des Umweltministers transportiert und im Schnelldurchgang über den versammelten Zuhörern ausgekippt.
Die spezielle Situation des Kreises Düren mit drei Braunkohletagebauen und ca. 5.000 Familien, die direkt von der Kohleförderung leben, wurde vom Referenten lapidar mit „RWE hätte ausgepowert“ bedacht. Alles in allem ein engagierter Standpunkt, der allerdings mit den Realitäten im Kreis Düren wenig zu tun hat. Auch die Antwort auf die Frage, wer denn im Fall von Windstille und Sonnenmangel die Energieversorgung in Deutschland sicherstellen solle, fand in dem Vortrag keine Beantwortung.
Dann wurden die Gäste des Podiums aufgefordert, Stellung zu nehmen. Dabei war auffallend, wie vorsichtig sich die Vertreter der Dürener Realpolitik der geballten Öffentlichkeitsarbeit der Energieagentur NRW stellten. Landrat Spelthahn betonte, dass der Einstieg in die Energiewende im Kreis erfolgreich gestartet sei und dass bereits über 27 Prozent des Energieverbrauchs im Kreis aus erneuerbaren Energien komme. Da die Landesregierung die Entscheidung über die Errichtung von Windrädern an die Kommunen übertragen habe, gäbe es hier Handlungsbedarf. Es kann nicht sein, dass sich Ratsvertreter durch 1.200 Seiten Gutachten und Stellungnahmen durcharbeiten müssten, um zu einer Entscheidung für ihre Gemeinde zu kommen. Damit würde auch die gewünschte Bürgerbeteiligung an der Energiewende ad absurdum geführt. Hier sei der Kreis gefordert. Deswegen plant Spelthahn für 2016 eine Unterstützung der Kommunen durch ein beim Kreis angesiedeltes Klimaschutzmanagement.
Peter Münstermann möchte einen Energiemasterplan für den Kreis, fordert bezahlbare Versorgungssicherheit beim Strom und betont die Notwendigkeit neuer Jobs für die wegfallenden Arbeitsplätze in der Braunkohle.
Oliver Krischer bleibt bei seinen Schlagworten, fordert das Ende der Braunkohle und keine neuen Tagebaue mehr. So könne es nicht weitergehen, man solle die Ziele der Energiewende endlich ernst nehmen. Düren müsse lernen, dass die Zeit der Braunkohle vorbei sei. Kurz: Vom Vertreter der Grünen und energiepolitischen Sprecher seiner Partei im Bundestag kommt wenig Konstruktives zu der schwierigen Situation im Kreis Düren. Mehr Realitätsbezug kam mit Ingo Vosen von der Rurenergie und Bernd Ohlemeyer als Vertreter der CDU-Mittelstandsvereinigung in die Diskussion. Lebensmittelvernichtung in Biogasanlagen könne kein Ziel der Energiewende sein und hohe Strompreise würde die Investitionsbereitschaft der Menschen bremsen, betonte Bernd Ohlemeyer. Man dürfe die Industrieunternehmen im Kreis nicht durch eine überstrapazierte Energiewende verjagen und damit an das Ausland verlieren, erklärte Ingo Vosen. Ohne Akzeptanz in der Bevölkerung sei die Energiewende nicht hinzubekommen.
Professor Isabel Kuperjans sieht das Energiesparen als wichtigen Beitrag zur Energiewende. „Energiewende ist Energieeffizienz“. Neben Wind und Photovoltaik sieht sie in der Nutzung der Abwärme im Industriesektor noch große Potentiale.
Walter Jordans (BUND) als Gastgeber der Veranstaltung meinte, „es läuft nicht rund.“ Die Energiewende werde von außen getrieben und nicht von innen gewollt. Auch wenn Jordans anmerkte, dass er diese Äußerung als Provokation verstanden haben wolle, so trifft er doch damit eine relevante Aussage, an deren Zustandekommen er nicht ganz unbeteiligt ist.
Wenn der Kreis-Vorsitzende des „Bund für Umwelt und Naturschutz“ lapidar erklärt, der Artenschutz habe in Zeiten der CO2-Minimierung nur eine untergeordnete Bedeutung, muss er sich fragen lassen, ob ein solcher Standpunkt noch mit den Zielen seiner Organisation vereinbar sei. Schlechte Zeiten für das Überleben von Rotmilan und Schwarzstorch und dem Schutz der unversehrten Wälder in der Eifel, wenn sich die Fürsprecher der Natur von ihrem gesetzlich definierten Naturschutzauftrag lossagen.
Die Stimmung im Saal war ambivalent. Auf der einen Seite die Unterstützer einer radikalen Energiewende ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten vor Ort. Auf der anderen Seite die Skeptiker, die die offensichtliche Gesprächsregie der Moderatorin Carina Peters von der Energie Agentur NRW mit Unbehagen zur Kenntnis nahmen. War doch offensichtlich, dass sich nach dem Vortrag von Simon Trockel ein ehrlicher offener Dialog mit den betroffenen Bürgern nicht im Interesse der Organisatoren befand. Hier sollten die Postulate der Düsseldorfer Umweltpolitik transportiert werden: Die Energiewende ist unumkehrbar, findet euch gefälligst damit ab. Einwände gegen unser Diktat, wie auch immer sie begründet werden, haben keinen Platz in unserer Gesellschaft: „Es gibt kein weiter so oder einen Weg zurück,“ wie es Simon Trockel in seinem Vortrag formulierte. Das sehen mittlerweile die Bürger im Rhein-Hunsrück Kreis anders: Sie haben ihrer Landesregierung die rote Karte gezeigt und weigern sich, weitere Windräder in ihrem Kreisgebiet zuzulassen.
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