Kreise, Kreis Euskirchen: „Auch aus Steinen, die in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen“ von Johann Wolfgang von Goethe. Ein Lieblingszitat des Bundestagsabgeordneten Detlef Seif. Zum dritten Mal gewann der Rechtsanwalt aus Weilerswist in der Eifel das Direktmandat im Bundestagswahlkreis 92. Und er hat noch viel vor auf der politischen Bühne.
Vorm überdachten Eingang des Jakob-Kaiser-Hauses gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio stehen bei frostigen Temperaturen zwei aufrechte Raucher. Hinter der Glastür sitzen zwei Pförtnerinnen – „Sprechen Sie mal deutlich ins Mikrofon! Zu wem wollen Sie?“ Eine Tür weiter das Sicherheitspersonal, das den Rucksack mit Kameraequipment und Handtasche durchleuchtet und nichts Verdächtiges findet. Im Berliner Dialekt sagt ein Mitarbeiter des Sicherheitspersonals: „Warten se mal hier in dem kleenen Raum. Gleich werden se abjeholt“.
Ohne offizielle Begleitung kommt man als Besucher nicht ins Jakob-Kaiser-Haus, dem größten deutschen Parlamentsgebäude. In der sechsten Etage liegt das Büro des Bundestagsabgeordneten Detlef Seif. Im lichtdurchfluteten Büro steht Detlef Seif. Ein großer Mann im dunkelblauen Jackett mit jugendlichem Gesicht – ein bisschen wie Günther Jauch. Sein Dialekt ähnelt dem Kölschen und seine Mimik zeigt Neugierde. Im Vorzimmer surren leise zwei Computer auf den Schreibtischen.
„Überall und in der Politik haben Sie Menschen, die ihnen das Leben nicht einfach machen und Steine in den Weg legen. Wenn man die als Baustoff begreift und mit denen so schön umgeht, dass man etwas daraus bauen kann, was gibt es Besseres“, sagt Detlef Seif.
Geplant war die Karriere als Politiker nicht. Er wollte ursprünglich nur mal mitgestalten. Mit den Jahren nahm seine politische Karriere dann an Fahrt auf. „Mir macht die Arbeit als Bundestagsabgeordneter viel Spaß“, sagt Detlef Seif.Während der Sitzungswochen des Deutschen Bundestages lebt Detlef Seif in einer Wohnung im Berliner Bezirk Karlshorst. Weil die Berliner Luft im Bezirk Mitte besonders mit Feinstaub und Stickoxiden belastet ist, zog es ihn ins grüne Karlshorst. „Manchmal schmerzten meine Lungen auf dem Fahrrad“, sagt Detlef Seif.
Detlef Seif ist das, was man einen Tausendsassa nennt. Bungee-Springen, Tandem-Springen aus dem Flugzeug, Joggen, Kampfsport und Radtouren durch die Eifel oder um den Berliner Müggelsee. Wenn Plenarsitzungen anstehen, läuft Detlef Seif die gefühlten 600 Meter zu Fuß zum Reichstagsgebäude. Sich viel bewegen, den Fahrstuhl ignorieren und Treppen laufen – ein Ausgleich zu seiner anstrengenden und vielseitigen Arbeit. So eine Art Selbstfürsorge.
Detlef Seif hat viel um die Ohren und wirkt immer noch entspannt dabei, ein Abgeordneter mit guten Nerven im Berliner Politikgeschäft: Er ist EU-Obmann für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, unter anderem Berichterstatter für Großbritannien im Brexit-Verfahren und Mitglied im Rechtsausschuss. Seine Funktion als Obmann geht mit einer Vielzahl an Delegationsreisen ins Ausland einher.
Für die Arbeit in seinem Wahlkreis 92 stehen ihm 24 Wochen und die Wochenenden zur Verfügung, als Ansprechpartner für Bürger. Es gibt Fälle, da kann ein Abgeordneter sofort im Wahlkreis helfen. Ein Student etwa hatte Anspruch auf BAföG-Leistung, aber keine Rücklagen. Der zuständige Sachbearbeiter war monatelang krank, der Antrag lag unbearbeitet in der Behörde. Der Student war sehr verzweifelt, weil er sich noch nicht einmal etwas zum Essen kaufen konnte. In einem anderen Fall wollte ein Paar heiraten, der Hochzeitstermin stand fest. Einer der Partner lebte im Ausland und konnte nicht einreisen, weil die deutsche Auslandsvertretung mit den notwendigen Papieren nicht hinterher kam. „In beiden Fällen konnten wir helfen und den Vorgang bei den Behörden beschleunigen“, sagt Detlef Seif stolz.
„In der Bundeshauptstadt Berlin und im dortigen politischen Prozess geht es in der Regel um abstrakte Sachverhalte. Erst die Rückkopplung zum Wahlkreis und die Anwendung der Gesetze vor Ort zeigt, wie diese in der Praxis umgesetzt werden und wirken. Erst durch die Arbeit im Wahlkreis wird deutlich, welche Gesetze besonders gelungen sind, andererseits aber welche möglicherweise nicht so wirken wie angedacht und dringend einer Korrektur bedürfen“, sagt Detlef Seif zum Unterschied der Politik in der Eifelregion und in Berlin.
„Wir müssen technologieoffen bleiben“
„Wir sind viel zu sehr fixiert auf bisherige und alte Technologien“ sagt Detlef Seif kampfeswillig über die Energiewende. Mit Nachdruck möchte er Fraktionskollegen mobilisieren, die Energiewende zu überdenken und Mittel in die Forschung für neue Verfahren und Methoden zu investieren. „Mir gefällt nicht, dass man unterm Doppelstrich nicht mal nachfragt, ob die Energiewende noch zielführend ist“, so Detlef Seif. Eine wahnsinnige Förderung von Windkraftanlagen, die zwar zurückgefahren wurde, aber nicht das gleiche Ausmaß von Speicherkapazitäten und Netzen hat, die erforderlich sind, um den Strom weiter zu transportieren. „Ich bin aber auch Realist und sehe zur Zeit keine Mehrheit im Deutschen Bundestag. Alles, was grün angestrichen ist, darf nicht kritisiert werden. Sofort ist man der Feind, der den Klimawandel unterstützt“, so Detlef Seif.
„Wir sind kein Bananenstaat“
Der kürzlich ausgestrahlte authentische und bedrückende ARD-Dokumentarfilm „Der Anschlag“ erschütterte auch sichtlich Detlef Seif. Sie bringt die Perspektive der Opfer vom Breitscheidplatz mit den Versäumnissen der Behörden zusammen. „Weil zu wenig Personal da ist“, so Detlef Seif. Der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit unter den Behörden muss länderübergreifend dringend verbessert werden. Auch eine seiner Aufgaben als Bundestagsabgeordneter. „Ein schwieriger und langer Prozess, an dem mit Nachdruck weiter gearbeitet werden muss. Es gibt mehr als einen Bürger, der gesagt hat, ihr habt hier als Staat versagt. „Kölner Silvesternacht, Anis Amri, Sexualverbrecher“, zählt Detlef Seif hier beispielhaft auf.
„Ja, der Terrorismus ist schlimm, trotzdem muss man das in Relation setzen: „Das Risiko, Opfer eines Terroranschlags hier in Deutschland zu werden, ist immer noch gering“, so Detlef Seif.
Detlef Seif ist von einer Familie umgeben, die sein politisches Engagement unterstützt: „Das bedeutet aber nicht, dass wir stets politisch einer Meinung sind“, betont Seif. Seine Kindheit war behütet und er erinnert sich an schöne Winter mit viel Schnee. Einmal wurde er von seinen Eltern ausgeschimpft, weil er ein Stück Fleischwurst ohne Brot aus der Hand aß. Seine Eltern aus der Kriegsgeneration mit schlimmen Erlebnissen und gebliebenen Ängsten. Detlef Seifs politischer Traum: „Gute Lebensbedingungen und Frieden für alle Menschen“.
Es dämmert draußen. Für ein Foto gehen wir 300 Meter durch einen schmalen langen Flur in den großen, lichtdurchfluteten Sitzungsraum mit Blick auf das riesige Reichstagsgebäude. Klick, Klick – zwei Fotos sind im Kasten. Wir laufen zurück in sein Berliner Büro mit zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen. Neben zwei weiteren Mitarbeitern im Regionalbüro in Euskirchen recherchieren sie zu den anstehenden Themen im Rechts- und Europaausschuss und unterstützen Detlef Seif dabei, die zahlreichen Anfragen von Bürgern, Vereinen, Unternehmen und Verwaltungen zu bearbeiten.
Detlef Seif stört am politischen Ablauf oftmals, dass Meinungskampagnen von außen – unterstützt von Medien – verhindern, dass gute Gesetze auf den Weg gebracht werden. Nicht nur am politischen Ablauf, sondern insgesamt bei Gesetzen und deren Umsetzung stört ihn Bürokratismus, der verhindert, kreative Arbeit zu leisten, schnell auf Entwicklungen reagieren zu können und Projekte auch zügig umzusetzen.
„Ich habe keine Zeit, vor einer Rede im Bundestag nervös zu sein, aber ich habe Respekt davor, denn eine ganze Nation hört zu.“
Der Eifeler CDU-Politiker Detlef Seif schaut auf die Uhr und erhebt sich blitzartig aus dem Ledersessel. Er muss rüber ins Reichstagsgebäude, in den Plenarsaal zu einer europapolitischen Debatte. Als er zügig durch die Bürotür läuft, ist nur noch ein kleiner Zipfel seines dunkelblauen Jacketts aus dem Augenwinkel zu erkennen. [sku]
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