Mechernich, Kommern: „Ich komme nach Kommern“ steht auf der bedruckten Bauplane, mit der der Schwertransporter vorsorglich umhüllt ist. „Ein Gebäude mit Geschichte“, ist dort zusätzlich zu lesen. „Wir schreiben sie weiter.“
In der Tat: In der Baugruppe „Rheinland“ des Kommerner Freilichtmuseums wird die ehemalige Brühler Milchbar aus den 1950er Jahren ein neues Zuhause finden. Genauso, wie an ihrem ursprünglichen Standort in der Brühler Carl-Schurz-Straße. Von dort wurde das historische Ensemble mit großem Gerät verladen und in Begleitschutz von Polizei und TÜV Meter für Meter durch die oft engen Straßen bis in die Eifel gelotst. Zuvor aber musste das Gebäude erst einmal transportfähig gemacht werden. Dazu wurden die Wände – samt Fußboden und Decke – so sorgfältig stabilisiert und verpackt, dass sie in einem Paket auf einem Tieflader ins LVR- Freilichtmuseum Kommern gekarrt werden konnten. „Die Brühler haben mitgefeiert und mitgefiebert“, beschreibt Daniel Manner das nächtliche Umzugs-Szenario. In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde die Brühler Milchbar nach Kommern „transloziert“, wie so ein Gebäude-Umzug an einen anderen Ort in der Fachsprache bezeichnet wird. Das spektakuläre Event glich einem Volksfest. Viele kamen, um Abschied zu nehmen und zu feiern, dass ihre Milchbar nicht einfach nur gnadenlos der Abriss-Birne weichen muss, sondern inzwischen als bauhistorisches Denkmal einen festen Standort im Museum gefunden hat. Viele der nächtlichen Zuschauer brachten Fotos, Zeitungsausschnitte mit und erzählten interessante Geschichten rund um diese legendäre Brühler Bar. Einst Treffpunkt von Petticoat-Schönheiten und Rock‘ n Rollern, verwandelte sich das Lokal in den 60ern zum Zentrum der Rockerszene. Nicht unbedingt zur Freude der Anlieger. Die Fachleute des Freilichtmuseums sammelten all die Anekdoten und zeichneten die Zeitzeugen-Interviews vor Ort auch filmisch auf.Der spektakuläre Umzug startete später, als erwartet. Nachdem die beiden Kräne aufgebaut waren, hob die Milchbar gegen 23.15 Uhr ab und wurde – unter Jubel und aufsteigendem Feuerwerk – auf den Tieflader gehievt. Anschließend bahnte sich der Schwerlasttransport – unter Begleitung der Polizei – seinen Weg durch Brühl, über die Autobahn und anschließend auf der Bundesstraße bis nach Kommern. Gegen 7.15 Uhr erreichte die historische Milchbar die Zufahrtsstraße zum Freilichtmuseum und bewältigte die steile Anfahrt über den alten Eingang zur Baugruppe Marktplatz Rheinland. „Das war eine heiße Phase, denn die steile Anfahrt war mit dem tonnenschweren Gewicht kaum zu meistern“, resümiert Daniel Manner. „Der Schwertransport musste den Berg bezwingen.“
Viele interessierte Museumsbesucher verfolgten am nächsten Morgen den Abladevorgang. Zwischen zwei Kränen schwebend nahm die Milchbar die letzten Meter in Angriff und gegen 12.00 Uhr konnte das ‚Gesamtpaket‘ auf dem bereits vorgefertigten Fundament punktgenau abgesetzt werden.
„Der Tanz der beiden Kräne war schon beeindruckend“, schaut Manner auf diesen magischen Moment zurück. Und die Erleichterung ist im EIFELON-Gespräch aus seiner Stimme herauszuhören. „Das 71 Tonnen schwere Haus mit angebautem Kiosk ist nicht auseinandergefallen“, sagt er begeistert. Es war ein waghalsiges Unterfangen, das historische Gebäude zu verpflanzen.
Bis die Milchbar aus den 1950er Jahren aber endgültig für die Museumsbesucher zugänglich ist, wird es wohl noch ein bis zwei Jahre dauern. „Bei der Instandsetzung wollen wir durch eine diagonal Zweiteilung die Geschichte des Gebäudes deutlich machen“, erklärt der wissenschaftliche Referent.
Schließlich sollen im Freilichtmuseum die beiden prägenden Phasen der Milchbargeschichte dokumentiert werden.
„Wir freuen uns, dass alles so reibungslos geklappt hat“, betont Manner, „aber ehrlich gesagt, haben wir alle momentan ein Schlafdezifit. Letztes Wochenende haben wir den ‚Zeitblende‘-Einsatz gestemmt, und nun dieses Abenteuer.“
Hier wurde neben weißer Milch auch Mokka-, Erdbeer- und Bananenmilch verkauft. Daneben gab es auch Joghurt und verschiedene Eissorten. In einem integrierten Kiosk wurden Zigaretten, Schokolade, Bier, Bonbons und viele andere Kleinigkeiten, insbesondere „chewing gum“ (Kaugummi) angeboten.
Im Laufe der 1960er-Jahre änderte sich die Angebotspalette und auch die Kundschaft in der Milchbar. Der Milchverkauf wurde eingestellt. Die Milchbar wurde zur Kneipe und schon bald zum Zentrum der Rockerbewegung in Brühl. Überall standen die schweren Motorräder um die Milchbar herum, sehr zum Ärger der Nachbarn.
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