Nideggen, Wollersheim: Nach zwei Jahren Pause ist es am Wochenende wieder soweit: Zum 21. Mal richtet das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege in seiner Außenstelle Wollersheim erneut das traditionelle „Stiftshoffest“ aus. Neben einem bunten Handwerkermarkt mit Filzen, Leder- und Wollbearbeitung werden auch antike Fertigkeiten spielerisch vermittelt: Dann können Besucher mit vollem Körpereinsatz Getreidekörner auf einem eisenzeitlichen Mahlstein zu Mehl zerreiben. Ein nachgebautes Katapult erfordert Muskelkraft und Zielsicherheit, damit wassergefüllte Miniballons ihr Ziel erreichen und Bogenschützen wetteifern darum, wer mitten ins Schwarze trifft. Und wie wurden früher Fachwerkhäuser wetterfest gemacht?
Nicht nur das Bearbeiten steinzeitlicher Artefakte mit dem Holunderbohrer und Feuerschüren in vorgeschichtlicher Technik werden vermittelt, sondern auch, wie aufwändig es war, den damaligen Alltag zu meistern. Auch das Nachempfinden von steinzeitlicher Höhlenmalerei zeigt, dass schon unsere urzeitlichen Vorfahren ein großes künstlerisches Mitteilungsbewusstsein hatten.
Bereits beim Pressetermin gibt es absolute Highlights zu entdecken: Behutsam löst Ossama Ayash Bröckchen für Bröckchen der verkrusteten Lehmschicht von einem Urnendeckel. Auf seinem Arbeitstisch liegen mehrere Werkzeuge griffbereit: Eine robuste Grabungskelle, feine Stuckateur-Spachtel, sowie ganz gewöhnliche Malerpinsel.
Hoch konzentriert und umsichtig kratzt er mit einem spitzen Gegenstand millimeterweise die Jahrhunderte alte Erdkruste von dem archäologischen Fund, der einem alten Schildkrötenpanzer gleicht. „Wissen Sie, womit unser Kollege gerade arbeitet“, fragt Petra Tutlies mit verschmitztem Lächeln. Wir Journalisten schauen genauer hin. Eine Ahle? „Nein, dass ist ein Dosenöffner, mit dem man normalerweise Kondensmilchdosen aufpiekst.“
Genau wie bei Konservendosen kann die silberne Spitze punktgenau angesetzt werden und so die Zwischenräume des zerborstenen Tondeckels freilegen. „Zwei bis drei Tage wird es wohl noch dauern, bis wir das Gefäß endlich öffnen können“, erklärt Petra Tutlies. Natürlich hoffen sie und ihre Kollegen, dass sie im Urneninneren noch kleine Grabbeigaben entdecken. Gäste des Stiftshoffestes können diesen spannenden Moment am Sonntag live miterleben.
Begeistert verweist Petra Tutlies auch auf eine weitere, ganz besondere Rarität: Eine kleine, tönerne Rassel aus der Bronzezeit, die einem Verstorbenen in der Nähe vom heutigen Aldenhoven mit ins Grab gelegt wurde. „Dabei handelt es sich aber nicht um ein Kinderspielzeug, wie man vermuten könnte, sondern um ein so genanntes Idiophon, eine Rassel, mit der zu Urzeiten böse Geister vertrieben wurden“, erklärt sie, während ihre Kollegin, Dr. Ulrike Müssemeier, das kostbare Fundstück liebevoll aus der Vitrine holt und für die Fotografen vorsichtig auf ihren weißen Handschuhen bettet. „Das ist bislang ein einmaliger Fund in Nordrhein-Westfalen. Sonst kennt man diese Rasseln nur aus Rheinland-Pfalz oder aus der Lausitzer Kultur“, führen die Archäologinnen aus. Die klickernden Kügelchen waren bei der Grabung allerdings nicht mehr auffindbar und selbst das tönerne Gehäuse musste mehrfach zusammengefügt werden. Im früheren Zellentrakt des ehemaligen Klosters zeigen die Archäologen regionale Funde der letzten zwei bis drei Jahre. Bis Sonntag werden vier Glasvitrinen mit Funden aus der Vergangenheit bestückt, die in den vergangenen Jahren aus dem Erdreich geborgen werden konnten. Etwa 500 Artefakte sind dann zu bestaunen. Das älteste Fundstück ist etwa 7.000 Jahre alt, das neueste Relikt stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. Schautafeln und Fotos geben unter anderem Einblicke in eine Siedlung der ältesten Jungsteinzeit in Erftstadt-Blessem, eine hochmittelalterliche Siedlung in Erftstadt-Erp und verborgene Kirchenschätze aus Hückelhoven. Auch der spektakuläre römische Sarkophagfund aus Zülpich wird wissenschaftlich erläutert. Erstmals sind auch pflanzliche Fossilien aus den tertiären Schichten der Tagebaue des rheinischen Reviers zu sehen.RWE-Geologe Ulrich Lieven steht während des Hoffestes Rede und Antwort und wird den Gästen die paläontologische Bedeutung der ausgestellten Stücke erklären. Über aktuelle Untersuchungen der Ausgrabungen in Aachen berichtet Stadtarchäologe Andreas Schaub um 12.30 und 14.00 Uhr. Und wer einfach nur in die Fantasiewelt der Märchen und Mythen eintauchen will, ist bei Geschichtenerzählerin Berenike Wannenmacher bestens aufgehoben, die in vergangene Zeiten entführt.
Weitere Programmpunkte:
- Der Freundeskreis für Kultur und Geschichte in Wollersheim bietet Führungen in der benachbarten Alten Kirche an (11.00 und 15.00 Uhr).
- In einer Tastbox können die Gäste Fundstücke erfühlen und raten, worum es sich handelt.
- Das LVR-LandesMuseum Bonn bietet Bücher aus Kunst und Archäologie zum Verkauf an.
- Der Freundeskreis Römerkanal informiert über das bedeutende römische technikgeschichtliche Denkmal im Rheinland.
- Und wer selber archäologische Schätze bergen will, kann in einem präparierten Grabungsfeld auf Spurensuche gehen: In jedem abgesteckten Karree sind historische Scherben versteckt, die es vorsichtig freizulegen gilt.
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