Simmerath, Rollesbroich: „Erst die Kenntnis der Vergangenheit lehrt uns, die Gegenwart richtig zu verstehen.“ Eine Erkenntnis, die viele kennen, die aber dennoch meist eine leere Worthülse bleibt. Nicht so bei den gut 25 Geschichtsinteressierten, die sich kürzlich in Simmerath-Rollesbroich trafen, um künftig aktiv etwas gegen das Vergessen der lokalen Geschichte zu tun. Mitten unter ihnen: Simmeraths Bürgermeister Karl-Heinz Hermanns, Rollesbroichs Ortsvorsteher Marc Topp und der Aktivposten in Sachen Geschichtsforschung des Altkreises Monschau, Jürgen Siebertz.
„Viele von denen, die heute Abend nicht zu uns gekommen sind, werden etwas Wichtiges verpassen. Sie verpassen z. B. die Antworten auf die Fragen: Wozu brauchen wir in Rollesbroich einen Geschichtsverein? Oder: Geschichtsverein – haben wir in Rollesbroich nicht schon genug Vereine?“, schwor Siebertz die Anwesenden auf das ein, wofür man zusammengekommen war: die Gründung eines eigenen Geschichtsvereins. Siebertz blieb die Antwort nicht schuldig: „Nun – abgesehen davon, dass Rollesbroich eines der wenigen Dörfer im Monschauer Land ist, in denen es noch keinen Heimatverein oder Geschichtsverein gibt – nein, da gibt es etwas mehr. Heimatgeschichte hat nämlich auch etwas mit dem Wort „Verantwortung“ und „Wertschätzung“ zu tun. Viele Leute interessiert es leider nicht, was früher war – sie wollen es auch gar nicht wissen. Sie ignorieren sozusagen ihre eigene Vergangenheit. Sie können auch Fragen ihrer Kinder und Enkel nicht beantworten, wenn z. B. gefragt wird: Wie war das hier früher, vor 100 Jahren? Meist lautet dann die Antwort: Weiß ich nicht – aber auf jeden Fall schöner – aber da musst du besser mal deinen Lehrer fragen.“
Die Zahl der älteren Einwohner, die etwas über die frühere Zeit berichten könnten, so die Erkenntnis der Gründungsmitglieder des neuen Geschichtsvereins, nimmt zwangsläufig immer weiter ab. Schon heute gibt es kaum jemanden, der etwas über die Zeit vor dem Krieg berichten könnte. Auch deshalb fühlen sich die Rollesbroicher Geschichtsforscher in der Pflicht. „Wir sind jetzt an der Reihe, unsere Zeit in Wort und Bild für die Nachwelt festzuhalten“, so die einhellige Meinung. Unumstritten ist auch die Erkenntnis, dass die junge Generation sich überhaupt kein Bild davon machen kann, wie einfach und bescheiden, ja oft armselig die Kriegs- und Nachkriegsgeneration als Kinder gelebt haben. Aber – das Erzählen alleine reicht da nicht aus – man muss es auch schriftlich und fotografisch festhalten. Jedes Dorf, jede Stadt hat oder braucht Leute, die das noch vorhandene Wissen über ihre lokale Geschichte schriftlich festhalten. Heimatgeschichte ist nicht nur ein interessantes und spannendes Hobby – die Beschäftigung mit der eigenen lokalen Geschichte hat auch etwas mit Verantwortung für nachfolgende Generationen zu tun. „Nach dem Verschwinden der Kneipenkultur sind vielfach auch die Unterhaltungen von Mensch zu Mensch auf der Strecke geblieben. Man unterhält sich heute lieber mit dem Smartphone oder mit seinem Computer. Es geht leider viel zu viel an Zwischenmenschlichkeit verloren in unserer hochtechnisierten Gesellschaft. Deshalb ist es wichtig, dass wir, darauf achten, dass Dinge, die für uns alle gut waren und die jetzt in Gefahr geraten, noch möglichst lange gesichert bleiben“, so Jürgen Siebertz, bevor die Anwesenden zur Verabschiedung der Vereinssatzung und Wahl des Vorstandes schritten.
So wollen sich die Rollesbroicher Heimatforscher künftig unter anderem darum kümmern, auf selbstgezeichneten Straßenkarten die zu einem bestimmten Zeitpunkt dort vorhandenen Häuser einzuzeichnen, die Einwohner nach Totenzetteln zu befragen und eine Liste zusammenzustellen, in der die Toten alphabetisch aufgeführt sind. Eine solide Basis, aus diesen Namen Stammbäume zu erstellen nach dem Motto: Wer bin ich, wo komme ich her und wer gehört noch zu mir? Auch die Pflege ihrer Mundart steht auf der Agenda. „Wir wissen – man kann ihr Aussterben nicht verhindern. Aber hier in Rollesbroich lebt das alte ‚Rollesbrucher Platt‘ noch! Also ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines Heimatgeschichtsvereins, ortstypische Bezeichnungen schriftlich festzuhalten oder besser noch – wegen ihrer besonderen Aussprache auf Tonträger zu sprechen.“ Bürgermeister Karl-Heinz Herrmanns erinnerte an den verstorbenen Erich Lennartz, der in Sachen Rollesbroicher Geschichte nicht nur eine hervorragende Vorarbeit geleistet hat, sondern dessen besonderes Andenken den neuen Verein begleiten wird.
Dem neugegründeten, gemeinnützigen Verein für Heimatgeschichte e.V. stehen künftig vor: Erich Wilden (1. Vorsitzender), Armin Voßen (stellvertretender Vorsitzender), Tom Theissen (Geschäftsführer), Vroni Wilden (Kassiererin), Renate Nießen (Schriftführerin), Jochen Nießen (Archivar) , Reinhold Köller (Webmaster), Jürgen Siebertz (Öffentlichkeit), Karl-Heinz Herrmanns, Dieter Herrmanns und Dietmar Nießen (Beisitzer) sowie Christine Wilden und Marion Theissen (Kassenprüferinnen).
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