Umland, Belgien: Einen Riesenspaß hatten die Gäste im gut besuchten Eupener Kulturzentrum „Alter Schlachthof“ mit dem aus Berlin angereisten Volker Strübing, einem Star der Poetry-Slam-Szene. Für die Lit.Eifel trat der dreimalige Sieger der deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften zum ersten Mal in Belgien auf, das er bislang nur auf dem Weg in die Niederlande passiert habe, wie er bei der Begrüßung gestand. Dabei outete er sich gleich zu Beginn als Liebhaber belgischen Bieres. „Das sieht jetzt so aus, als wollte ich mich einschmeicheln“, kommentierte er sein Glas Tongerlo Blonde auf dem Lesetisch. Belgisches Bier „sei ja, vorsichtig ausgedrückt, international umstritten“, konstatierte er, räumte aber sogleich ein: „Ich finde, es schmeckt sehr gut.“
Doch auch ohne diese Hommage an die Braukunst belgischer Klöster hätte er das ostbelgische Publikum schnell auf seiner Seite gehabt. Mit satirischem Wortwitz bewies der 1971 in Thüringen geborene und in Sachsen-Anhalt und Berlin-Marzahn aufgewachsene und „gelernte Facharbeiter für Datenverarbeitung“ einen unglaublich komischen Blick auf die grotesken Momente in scheinbar alltäglichen Situationen. Wie etwa bei der Unterhaltung eines Paares am Frühstückstisch, das sich streitet, weil er ihren Geburtstag vergessen hat. Die Geschichte gipfelt in der Erkenntnis, dass es eine Verwechslung der Kontaktanzeige war, die zur Beziehung geführt hat.
Absolut amüsant auch seine Erfahrungen mit Orthopäden in den „Meniskus-Chroniken“. „Ich bin ja jetzt in dem Alter, wo man Stück für Stück kaputtgeht“, kündigte er den Text an, der „eigentlich eine Kurzgeschichte werden sollte“. Schnell habe er jedoch gemerkt: „Das wird was Größeres.“ Herausgekommen seien schließlich „Band I bis VI“ und die weise Einsicht, bei Gewitter nicht mehr nackt auf den Baum zu steigen und Petrus mit dem Metallrohr zu drohen.
Auf einen schmalen Grat begab er sich mit seiner Geschichte „Kaffee ohne Hitler“: Im DB-Café bestellt er sich den „einfachen ehrlichen Filterkaffee“, wie es ihn nur noch bei der Deutschen Bahn zu geben scheint, stößt aber mit seiner Bitte um einen großen Becher und normale Milch auf einen unglaublich renitenten Bordrestaurant-Mitarbeiter, der das freundlich vorgetragene Anliegen ungerührt mehrfach mit dem Satz „Ich habe meine Anweisungen“ abschmettert. „Das hat Eichmann auch gesagt“, entgegnet Strübing. Doch mit dem schnoddrigen Vergleich zur NS-Zeit tritt der Autor nicht ins Fettnäpfchen, sondern liefert auch hier ein genial komisches Kabinettstückchen, indem er scheinbar Banales zur Satire erhebt.
Makaber mutete für Katzenliebhaber die Geschichte „Die Frau mit der Knochensäge“ an. Darin verwertet Strübing das, was ihm eine befreundete Tierärztin, die für die Berliner Tierrettung tätig ist, abends an der Bar erzählte. Einer von Volker Strübings Klassikern ist „Der Fleischsalat“, „auch so eine Geschichte, die gut an diesen Ort passt, an dem ja schon viel Blut geflossen ist“: Sie will „Ich liebe Dich hören“, ihm aber gehen diese Worte nicht über die Lippen, stattdessen kauft er ihr Fleischsalat. Weil sie Fleischsalat liebt und er ihn hasst, demonstriert er damit seine Liebe in einer Selbstlosigkeit, die von ihr so gar nicht gewürdigt wird.
Bei seinem Auftritt im „Alten Schlachthof“ präsentierte sich Strübing mal als ruhiger Vorleser, mal als geübter Spoken-Word-Performer, der seine Texte in atemberaubender Hochgeschwindigkeit vortrug. Zwischendurch griff er zur Gitarre und gab zwei nicht weniger komische Lieder zum Besten. Zum Abschluss las er die herrlich schräge Titelgeschichte seines Buches „Das Mädchen mit dem Rohr im Ohr und der Junge mit dem Löffel im Hals“ vor. Von der Bühne entließen ihn das begeisterte Publikum und Guido Thomé, der als Pressereferent im Kabinett von Isabelle Weykmans tätig ist und in dieser Funktion die Lit.Eifel begleitet, aber erst nach einer Zugabe. [pp]
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