Umland, Bonn: Bonn? Bern? Verona? Wie hieß die ehemalige Bundeshauptstadt einst eigentlich wirklich? Nicht nur dieser Frage stellten sich die Mitglieder des Dietrich von Bern-Forums. Bei ihrer diesjährigen Herbsttagung am Rhein präsentierte die Gruppe engagierter, privater Geschichtsforscher ein Wochenende lang Referate zu zahlreichen spannenden Themen.
Die Mitglieder des Vereins für Heldensage und Geschichte hatten das Jahr über selbständige Forschungen betrieben. Waren in Archiven und Bibliotheken auf Spurensuche. Sammelten Beweise, um ihre Theorien zu untermauern – durch geschichtlich überlieferte Belege.
Verblüffend war beispielsweise, dass viele der hiesigen Volkssagen und Legenden rund um den Rhein auch in anderen Regionen vorkommen, wie Ulrich Steffens in seinem Vortrag vermittelte. Egal, ob in Thüringen oder Österreich. Das zeigte er anhand zahlreicher Quellen auf. Ein Beispiel dafür sei die mittelalterliche Genoveva-Saga. Als angebliche Ehebrecherin wird die Herzogstochter verstoßen, überlebt aber – dank einer säugenden Hirschkuh – mit ihrem neu geborenen Sohn in der Wildnis. Solange, bis ihr Mann sie und den gemeinsamen Sohn während einer Jagd im Wald entdeckt und sie beglückt wieder aufnimmt. Dieser Topos – also Kern der Erzählung – komme in allen Regionen, in vielen Varianten vor, verdeutlichte Steffens.
Es war ehemals gelebte, märchen- und mythenvolle Geschichte, denen sich die einzelnen Referenten gewidmet und für die einzelnen Teilnehmer des diesjährigen Treffens detailgetreu recherchiert hatten.
Absolut spannend waren die Ausarbeitungen von Karl Weinand, der die Namensgebung von Bonn hinterfragte: Bis ins 14. Jahrhundert hinein wird die heutige Stadt Bonn als „Verona“ tituliert. Dann erst einigten sich die damaligen Geschichtsschreiber – heute würde man vielleicht ‚Journalisten‘ sagen – auf Bonn. Dieser oft vergessene Name „Verona“ ist auch auf dem alten Bonner Stadtsiegel aus dem Jahre 1244 dokumentiert.
Auf diesem geprägten, werbenden „Propagandamittel“ der damaligen Zeit wird im Mittelfeld der heilige Cassius unter einem Baldachin abgebildet. Zu seinen Füßen ein „Untier“. In der linken Hand hält der Heilige einen adlergeschmückten Schild, in der rechten Hand eine Lanze. Im Hintergrund lassen sich die fünf Türme der Bonner Münsterkirche (Basilika Minor), ehemals St. Cassius und St. Florentius, jetzt St. Martin, erkennen. „Die Umschrift am äußeren Rand lautet: SIGILLVM· ANTIQUE· VERONE· NVNC· OPPIDI· BVNNENSIS“, was – aus dem Lateinischen heraus übersetzt – meint: ‚Siegel des antiken Verona, jetzt der Stadt Bonn‘ (Verona = Bern)“, führte Weinand aus. „Berna“, die Glänzende…„Und was lernen wir daraus“, hinterfragte Weinand zum Schluss seiner Power-Point-Präsentation:
Verona ist der latinisierte Name von Bern, das am Rhein lag. Von Verona zeugen viele Urkunden, Münzen und das Stadtsiegel. Von Bern zeugen die alten Mären (Sagen). Die Zusammenführung von „Bonn“ und „Verona“ führt zu „Bern = Bonn“
Damit will ich schließen. „Den Vorhang zu – und alle Fragen offen“
Bert Brecht, „Der gute Mensch von Sezuan“.
Karl Mebold – Ex-Lehrer, Künstler und Querdenker, der vor seinem Umzug nach Niedersachsen die Recherchenarbeit des Heimbacher Geschichtsvereins maßgeblich begleitete – referierte über sein Spezialthema: Die Eisengewinnung in längst vergangener Zeit. Anschaulich und überzeugend zeigte er auf, wie ehedem Waffen geschmiedet werden konnten. Einige Freilichtmuseen versuchen aufgrund überlieferter Erzählungen, diesen Prozess nachzuvollziehen. Viele allerdings scheitern, da entweder aufgrund der Mischungsverhältnisse oder der Ofen-Temperaturen keine schmiedefähige „Luppe“ entstehen kann.
Wenige Striche und Markierungen auf einer hölzernen „Zeitlatte“ – vom Urknall bis zur Jetztzeit – reichten allerdings, um das Gehörte unvergesslich ins Gedächtnis zu gravieren. Ein Vollblutpädagoge halt. „Ich will Bilder verstehen“, meinte Mebold.
Anschließend ergriff der Münchener Karl Weinand erneut das Wort und referierte über „Köln und das Babylon-Problem in der Thidrekssaga“. Köln ist seit Urzeiten ein Schmelztiegel der Nationen, da kommt es seit Jahrhunderten zu Turbulenzen. Nicht nur beim heutigen kölschen Karneval. Ein Sündenpfuhl? Ein Babylon?
Mit großer Sorge schickte der Gelehrte und Schulmeister der Bamberger Domschule, Meinhard von Bamberg bereits 1057 einen mahnenden Brief an einen gewissen G. in Köln:
Hier [in Köln] ist das dir gefährliche Alter, die seidigen Körper der Kölnerinnen, du bist geradezu selbst Gast des vielgestaltigen Köln oder eher (oder: wenn du lieber willst) Babilon, versehen mit allen Vergnügungen“.
Als Quelle diente „Monumenta Germaniae Historica“: „Epistolae“, „Die Briefe der deutschen Kaiserzeit (Briefe d. dt. Kaiserzeit)“, „ 5: Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV.“ (1950) p. 192.
Einige der bundesweit und selbst aus Frankreich angereisten Tagungsteilnehmer nutzen die Gelegenheit, die historischen Überreste der Bonner Diet-Kirche und abschließend sonntags die neu eröffnete, interaktive Jahres-Ausstellung „Ritter und Burgen – Zeitreise ins Mittelalter“ im Bonner LandesMuseum zu besichtigen.
Bisher 0 Kommentare
Kommentar schreiben
Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag. Schreiben Sie den Ersten.
Einen neuen Kommentar schreiben
Um einen neuen Komentar zu schreiben, melden Sie sich bitte mit ihrem Benutzernamen und Passwort an. Wenn Sie noch keinen EIFELON-Account haben, können Sie sich kostenlos und unverbindlich registrieren.