Umland, Bonn: Eigentlich sollte nur eine Kiesgrube in Weeze-Knappheide vergrößert werden… Doch völlig überraschend entdeckten Archäologen dort in der Erweiterungsfläche ein bislang unbekanntes, frühmittelalterliches Reihengräberfeld aus dem 6. bis Anfang des 8. Jahrhundert. Der 50 mal 45 Meter große Bestattungsplatz wies eine recht dichte Belegung mit 121 Gräbern auf. Eine deutliche Abgrenzung im Erdreich lässt vermuten, dass das Gräberfeld ehemals eingefriedet oder auf andere Weise klar markiert gewesen sein muss.
Auf dem vollständig untersuchten Friedhof konnten 89 Körpergräber und – bemerkenswerterweise – auch 32 Brandgräber freigelegt werden, zu denen die jüngsten Bestattungen aus der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts zählen. Das Vorkommen von Brandgräbern in frühmittelalterlichen Grabstätten ist ein Phänomen am Rande des Merowingerreiches. Hier trafen verschiedene Ethnien, Bevölkerungsgruppen unterschiedlichster Herkunft und Glaubensvorstellungen, aufeinander. Ein Phänomen, das sich auch an der jeweiligen Bestattungskultur ablesen lässt…
Mindestens zwei Drittel der entdeckten Gräber wurden bereits „antik beraubt“, wie dieser „Tatbestand“ von den Archäologen formuliert wird: Bereits in früher Vorzeit plünderten Grabräuber diese letzten Ruhestätten auf der Suche nach wertvollen Bestattungsbeigaben. Der Anteil der beraubten Gräber dürfte noch wesentlich höher gewesen sein. Mögliche, verwertbare Spuren für diese historischen Plünderungen der heute teilweise nur noch flach erhaltenen Gräber fielen jedoch späteren Bodenabträgen durch Wasser und Wind zum Opfer. Auch die spätere, über Jahrhunderte betriebene ackerbauliche Nutzung des ehemaligen Friedhofs verwischte viele Spuren.Diese Annahme passt auch gut zu den verhältnismäßig wenigen Beigaben – abgesehen von Keramikgefäßen –, die in dem Gräberfeld geborgen werden konnten. Als Fund des Monats Juni 2018 wird in der kostenlos zugänglichen Vitrine des Bonner LandesMuseums eine der Beigaben eines Frauengrabes (St. 100) ausgestellt: Die 61 gefundenen, farbigen Glasperlen gehörten vermutlich zu einer Perlenkette, mit der die Verstorbene beigesetzt wurde. Im Grab der begüterten Frau, die in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts verstarb, fand sich auch eine Scheibenfibel mit Almandin-Einlagen, die als Gewandverschluss diente. Almandin ist ein, in vielen Rotschattierungen schimmernder Edelstein aus der Gruppe der Granate. Dem Leichnam waren zudem ein Keramikgefäß, ein Spinnwirtel sowie einige schon damals alte Glasscherben beigegeben worden, die die Verstorbene vielleicht in einem Beutel am Gürtel trug. Diese – beim Tod der Frau bereits zum Teil mehrere hundert Jahre alten Glasscherben – könnten von ihrer Besitzerin als Tauschobjekte aufgehoben worden sein oder wurden vielleicht auch als Kuriosum oder Glücksbringer gesammelt und schließlich mit ins Grab gegeben.
Die Entdeckung dieses Gräberfeldes ist ein wahrer Glücksfall, denn merowingerzeitliche Friedhöfe sind am Unteren Niederrhein eine Seltenheit. Eine Ausnahme bildet jedoch der Raum Weeze, wo bereits Teile von Bestattungsplätzen und Einzelgräber dieser Zeit bekannt wurden. Mit dem neu entdeckten Gräberfeld ergänzt sich das Bild einer in fränkischer Zeit gut erschlossenen Siedlungslandschaft in diesem Gebiet.
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