Umland, Bonn: Ein spektakulärer Fund ist diesen Monat im Foyer des Bonner LandesMuseums zu sehen: In der Vitrine werden Fragmente von so genannten „Carnyx“-Trompeten ausgestellt. Im 2. bis 1. Jahrhundert vor Christus nutzten die Kelten die in Tierköpfen mündenden Fanfaren bei kriegerischen Auseinandersetzungen, um den Feind mit infernalischem Getöse in Angst und Schrecken zu versetzen. Bei kultischen Zeremonien wurden die kostbar gearbeiteten Fanfaren vermutlich melodiöser eingesetzt.
1854 entdeckten Archäologen im Erdreich der rheinland-pfälzischen Ortschaft Abentheuer zwei verzierte Bronzeplättchen aus der Keltenzeit. 1874 konnten die Fragemente für den Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande erworben werden, kamen in den Bestand des Bonner LandesMuseums und wurden seitdem in einer Dauerausstellung gezeigt. Bislang hatten selbst die Experten keine Ahnung, welcher Schatz dort schlummert. „Es wurde immer vermutet, dass es sich um keltische Hoheitszeichen oder Tempelschmuck handeln könnte“, erläutert Ralf W. Schmitz, Museumsexperte für Vorgeschichte. Deshalb sei die Vitrinenbeschriftung auch mit einem Fragezeichen versehen worden. Nun lüftete sich der Schleier der Geschichte.
Vor einiger Zeit durchstreifte Dr. Fraser Hunter vom Schottischen Nationalmuseum auf der Suche nach Leihgaben für eine große Keltenausstellung in Edinburgh auch das Bonner LandesMuseum und entdeckte die beiden Bronzeplättchen. Der Carnyx-Experte erkannte, dass es sich bei den Fundstücken um die Ohren eines, zum Tier geformten Carnyx-Trichter handeln müsse. Das Forscherfieber war erwacht.
Neue Untersuchungen durch Holger Becker und Hans-Eckhart Joachim bestätigten die Vermutung und erhellten die Herstellungsgeschichte sowie kulturelle Einordnung der sehr seltenen Funde.
Röntgenuntersuchungen und Materialanalysen belegen verschiedene Arbeitsschritte zur Herstellung einer Keltenfanfare. So goss man die beiden Bronzeblätter zunächst als Blech und schmiedete sie danach von der Mittelrinne zu den Rändern hin kalt aus. Die Tülle schmiedete man aus einem gegossenen Blechstreifen zu einem Rohr und verlötete sie entlang der Naht. Sowohl die unterschiedlichen Größen als auch die abweichende Zusammensetzung der Legierungen sprechen dafür, dass die beiden Blätter und das etwa 20 Zentimeter lange Rohr wahrscheinlich zu zwei unterschiedlichen Instrumenten gehören.
Die besten Parallelen zu den ausgestellten Bronzeblättern finden sich in der französischen Fundstelle Tintignac. Hier kamen bei Grabungen Teile von sieben Carnyces zutage, deren Schalltrichter in Gestalt von Wildschweinköpfen und bei einem Exemplar als Schlangenkopf geformt waren. Deren Verarbeitung weisen große Ähnlichkeiten zu den Bonner Exponaten auf.
„Jetzt haben wir erst verstanden, welchen Schatz wir hier über 140 Jahre ausgestellt haben und den wir nun mit neuen Erkenntnissen und Techniken heben konnten.“
Fasziniert von dem Sensationsfund, hat das Bonner Museumsteam die Reproduktion einer keltischen Carnyx anfertigen lassen. Goldglänzend endet die Fanfare in einem Schweinekopf mit großen, aufgerichteten Ohren – genau wie jenes, gut 2.000 Jahre alte Instrument, dessen Überreste im Museum ruhen. „Diese Carnyx wird demnächst ebenfalls in der Dauerausstellung zu sehen sein, damit die Besucher sich ein Bild von den keltischen Kriegsfanfaren machen können“, erläutert Ralf W. Schmitz. Zunächst aber soll das Instrument öffentlich zum Einsatz kommen. Für den 11. Mai ist ein Vortragsabend geplant, zu dem Carnyx-Experte Hunter eigens aus Edinburgh anreist. Anschließend wird der Kölner Musiker Mitch Höhler das keltische Instrument zum Klingen bringen. „Schon beim ersten Probespiel war er überrascht, welche Bandbreite an Tönen da herauskommt“, schildert Schmitz die Carnyx-Premiere im Museum. „Die Keltenfanfare war und ist ein vollwertiges Musikinstrument.“
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