Heimbach: Sie grunzen kurz und stürzen sich dann auf den Futtertrog im Stall, aus dem sie Kartoffelschalen und alte eingeweichte Brötchen fressen, schmatzend, wie es sich für Schweine gehört. Noch sind die beiden Ferkel zu klein, aber in ein paar Wochen dürfen sie auf eine der vielen Weiden von Gut Weimert, direkt gegenüber des Klosters Mariawald oberhalb von Heimbach. Die Beiden sind neu auf dem Gut und inzwischen das zweite Ferkelpärchen, das Familie Kirch für den Eigenbedarf hält. Vor gut zwei Jahren haben sich Martina und Gregor Kirch zu diesem Schritt entschlossen. „Wir möchten, dass die Tiere ein schönes Leben haben, bevor sie geschlachtet werden. Und wir möchten auch wissen, was die Tiere gefressen haben, deren Fleisch wir dann wieder essen.“ Bewusst haben sie sich gegen die auf die heutige Massenfleischproduktion zugeschnittenen „rosa“ Schweinchen und für eine der alten Schweinerassen entschieden.
Nun ist es schon nicht einfach, in Wohnortnähe „rosa“ Ferkel zu kaufen. Die meisten Kleinzüchter konnten mit den großen Betrieben nicht konkurrieren und haben dichtgemacht. Doch Familie Kirch hatte Glück und fand einen Züchter in der Nähe von Reifferscheidt, der Angler-Sattelschweine verkauft. In Deutschland führen nur noch sehr wenige Betriebe diese alte Schweinerasse, die bereits 1990 von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen zur gefährdeten Nutztierrasse ernannt wurde.
„Das Fleisch schmeckt nach Schwein“
Im Gegensatz zum normalen Hausschwein sind Angler-Sattelschweine dunkel pigmentiert. Nur über Schulter und Vorderbeinen haben sie helleres Fell, das sich wie ein Sattel über diese Körperstellen zieht. Der Vorteil: Die Schweine können auch im Freien gehalten werden, ohne dass sie einen Sonnenbrand bekommen. Vom Gemüt her sind sie sehr gelassenen und ruhig. Wenn Martina Kirch den Stall ausmistet, laufen ihr die Ferkel nicht hektisch um die Füße. Die stressresistente Art wirke sich auch positiv auf die Qualität des Fleisches aus. Das „schmeckt nach Schwein“ und verliere beim Braten nicht so viel Wasser: „Du guckst nicht in den Topf und fragst Dich, wo Dein Braten geblieben ist.“ Während das moderne Mastschwein sechs bis sieben Monate bis zur Schlachtreife braucht, vergeht bei dieser alten Schweinerasse ein gutes Jahr. Aus Sicht der Massentierhaltung unökonomisch, findet sie, passe aber gut in ihre Hofphilosophie. „Wir düngen nicht. Unsere Rinder fressen neben Gras nur Heu und Silo, werden nicht geimpft und bekommen keine Antibiotika. Und unsere Schweine auch nicht.“
Ihre Söhne Aaron und David, sechs und zwei Jahre alt, wachsen in einem natürlichen Verhältnis zu den Schweinen auf. Sie sehen und erleben, wie die Ferkel groß werden und welche Umsorgung die Schweine hierzu brauchen. Sie spielen mit ihnen Ball und freuen sich, wenn sie beim Füttern mithelfen dürfen. Gehäckselte Kartoffel- oder Karottenschalen gibt es, als Leckerei im Herbst auch schon mal Apfelschalen von den runtergefallenen Obstbäumen auf dem Gut. An zusätzlichem Futter gibt es sonst nur noch einen Mix aus Vitaminen, pflanzlichen Ölen, Weizen-, Roggen- und Rapsschrot. Sojafutter lehnt Martina Kirch ab. „Auf der einen Seite beklagt man den Methanausstoß der Kühe, der schlecht fürs Klima sein soll“, erklärt die 32-Jährige. Auf der anderen Seite holze man den Regenwald auch deshalb ab, um dort Soja anzubauen, „den man dann um die halbe Welt zum Verkauf karrt.“
Die Kinder dürfen bei einem Teil des Schlachtens zusehen
Viele haben es in ihrer Kindheit vielleicht anders erlebt, doch Aaron isst erst Braten, seitdem er von ihren eigenen Schweinen auf dem Teller liegt. Vorher mochte er nur Gehacktes und Würstchen. Jetzt fragt er: „Ist der von uns? Ist der von unseren Schweinen?“ Wenn sie ihre Rinder schlachteten, haben Martina und Gregor Kirch ihren Kindern nur erzählt, dass das Rind Ferien mache. Als sie das erste Ferkelpärchen im vergangenen Winter geschlachtet haben, entschieden die Eltern, dass die Kinder beim Schlachten zugucken dürfen. Nicht beim Töten der Tiere, aber bei allem, was danach folgt. Aaron und David haben sogar mitgeholfen, die Borsten des toten Schweins abzuschrubben. Aaron hat sich fasziniert die Innereien angesehen und ist zu seiner Mama in die Küche gelaufen, „guck mal, Mama“, hat er gerufen und ihr das Schweineherz in seinen Händen gezeigt.
„Nein, ich denke nicht, dass die Kinder traurig sind, dass die Schweine tot sind“, meint Martina Kirch. Wirklich süß fänden sie die Schweine nur als Ferkel, wenn die noch verspielt sind und mit ihnen spielen wollen. Mit einem Jahr sind die Schweine nicht mehr so interessant. Außerdem wachsen die Kinder so natürlich mit den Tieren auf, wissen, dass von ihnen der Braten stammt und denken nicht wie manche anderen Kinder, dass das Fleisch aus dem Kühlregal im Supermarkt kommt.
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