Mechernich: Die Mechernicher Anwohner der Baugebiete „Am Wachholder“ und „Im Bruch“ zwischen Kommern Süd und Mechernich Nord sind entnervt. Mehrere Aufforderungen an die Gemeinde Mechernich, die starke Staubentwicklung im Neubaugebiet zu unterbinden, hatten wenig Erfolg. Es war anscheinend nicht möglich, durch Wasserberieselung den stark bleihaltigen Staub aus den Erdbauarbeiten dauerhaft zu binden. Auch auf dem benachbarten Baugebiet Im Bruch wiederholte sich das Problem für die betroffenen Anwohner. Der Bleistaub wehte weiter ungebremst über die Siedlung und die Gärten. Die Verwaltung war nicht in der Lage, die Staubentwicklung zu unterbinden. Antworten der Behörde zur Bleibelastung blieben vage.
Im September folgte eine Anzeige bei der Polizei. Die Bürger werfen der Stadt Gesundheitsgefährdung und Umweltverschmutzung vor.
Auch eine gesundheitsschädliche Blei-Kontaminierung des Bodenaushubs lässt sich belegen:
Unter technischer Anleitung des Aachener Analyselabors Eurofins wurden durch die Bürger acht Bodenproben im Baugebiet „Wachholder“ gezogen und in Aachen analysiert. Die Bleibelastung der Oberböden liegt – laut Prüfbericht des Analyselabors – zwischen 488 und 1.680 mg Bleibelastung pro Kilogramm Bodensubstanz. Damit überschreitet sie unproblematische Mengen um ein Vielfaches.Mit den ermittelten Daten haben die Anlieger den renommierten Experte für Bodenschutz und Bodensanierung, sowie Lehrstuhlinhaber an der Fakultät für Agrarwissenschaft der Hochschule Osnabrück, Professor Dr. Helmut Meuser, konfrontiert und um ein Gutachten gebeten. Helmut Meuser kommt in seinen Ausführungen unter anderem zu dem Schluss:
Im Falle des Parameters Blei wurde eine Schwankungsbreite von 488 bis 1.680 mg/kg bei einem Mittelwert von 840 mg/kg festgestellt. Dieser Mittelwert, aber auch bereits der Minimalwert von 488 mg/kg, überschreitet die Vorsorgewerte, unabhängig von der vorliegenden Textur, sowie die Prüfwerte für den Pfad Boden ‐ Mensch für Kinderspielplätze und Wohngebiete der BBodSchV 1999 (Bundes-BodenSchutz-Verordnung, die Red.) deutlich.
Professor Meuser widerspricht auch den altlasten‐ und abfallrechtlichen Empfehlungen des Kreises für die Verwertung oder Entsorgung von mit Blei konteaminiertem Boden. In den Kreis-Anweisungen wird ausgeführt, dass der auszuhebende Boden möglichst auf dem Grundstück verbleiben soll, was in Anbetracht der hohen Bodenkontamination in Verbindung mit der geplanten Nutzung als problematisch einzustufen sei. Auch die Anweisung der Kreisbehörde, falls der Boden von der Fläche entfernt werden müsse, ihn möglichst einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung zuzuführen, sei – so Meuser – in Anbetracht der Messwerte zu hinterfragen.
Das Material, das im Mittel 840 mg/kg Blei enthält zeigt eine Überschreitung sowohl des LAGA (2003)‐Zuordnungswerts z1 (210 mg/kg) als auch von z2 (700 mg/kg). Damit wäre ein eingeschränkter offener Einbau (z1) und ein Einbau mit technischen Sicherungsmaßnahmen (z2) nicht möglich; folglich müsste das Material einer Entsorgung auf einer Deponie zugeführt werden. Die Ausführungen zur wirtschaftlichen Verwertung widersprechen also den abfallrechtlichen Vorgaben, die in Deutschland angewendet werden.
Letztendlich führe das dazu, dass alle Bodenaushübe auf einer Deponie zu entsorgen seien. Zwar existiere nach der Deponieverordnung von 2009 kein Grenzwert für Blei, aber in der Verordnung werde darauf hingewiesen, dass nur Material < 140 mg/kg als Rekultivierungsschicht im Deponiebau verwendet werden darf. Somit würde sich der in den Baugebieten anfallende Bodenaushub nicht einmal für die Rekultivierung von Abfalldeponien eignen.
Die Bürgerinitiative betont in ihrer Presseaussendung, dass die Bleiwerte in den Mechernicher Neubau- und Bestandsgebieten die Vorsorgewerte, sowie die Prüfwerte für den Pfad Boden-Mensch für Kinderspielplätze und Wohngebiete der Bundes-Bodenschutz-Verordnung deutlich überschreiten würden. Der bleibelastete Boden sei noch nicht einmal zur Rekultivierung geeignet und müsse als toxischer Sondermüll behandelt werden:
Die Ergebnisse des Gutachtens bestätigt die Befürchtungen der Anwohner und macht sofortiges Handeln unumgänglich, um weitere Gefährdungen der Bevölkerung abzuwehren. Die bisherige Verfahrensweise der Stadt Mechernich und des Kreises Euskirchen muss hinterfragt werden – auch im juristischen Sinne.
Die BI der Anwohner fordert von Kreis und Gemeinde, die Staubemissionen in der Nähe bestehender Wohngebiete (z.B. durch Bodenbewegungen, Baumaßnahmen und landwirtschaftliche Bodenbearbeitung) zu unterbinden, denn es müsse von einer Gefährdung der betroffenen Bevölkerung ausgegangen werden.
Bodensanierungsmaßnahmen seien erforderlich. Gartenflächen sollten bei Prüfwert-Überschreitungen bis in die Tiefe von 60 cm ausgekoffert und durch zertifizierten, nicht kontaminierten humosen Boden ausgetauscht werden. In Spielbereichen darf kein belastetes Bodenmaterial vorzufinden sein. In Sandspielbereichen sollte unterhalb des Sandes ein wasserdurchlässiges Geotextil als Grabesperre verbaut werden.
Darüber hinaus seien weiterreichende Detailuntersuchungen zur Gefahrenabwehr dringend geboten. Das Merkblatt zur Information der Bewohner mit Hinweisen zur gesundheitlichen Vorsorge muss vom Kreis Euskirchen dringend überarbeitet werden, so die BI.
Der Kreis Euskirchen als Untere Emissionsschutzbehörde hat ebenfalls ein Bodengutachten in Auftrag gegeben. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln in der Anzeige der Anwohner.
Mehr zum Thema: https://eifelon.de/kall/kall-iii-bauen-auf-unsicherem-land.html
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