Nideggen, Wollersheim: „Weiter rechts, rechts! Tiefer. Langsam, langsam. Ja, gut so!“ Majestätisch schweben schwere Dachsparren an einem Kranhaken durch die Luft. Die letzten Balken für das neue Dach von Burg Gödersheim. „Endlich ist die Burg keine Ruine mehr“, freut sich Helmut Waldmann, der die verwunschene Ruine im Neffelbachtal vor fünf Jahren kaufte und sie vor dem endgültigen Verfall bewahrte.
Getragen wird der neue Dachstuhl von sieben, fast zehn Meter langen Balken mit einem Durchmesser von 40 mal 40 Zentimetern. Doch die Suche nach dem historischen Baumaterial wurde schwierig. Nach dem verheerenden Brand des Pariser Wahrzeichens Notre Dame und dessen Wiederaufbau, war der europäische Markt für massive Eichenbalken ‚leergekauft‘. „Ich habe jahrelang europaweit gesucht“, schildert der Bauherr. Fündig wurde Waldmann trotzdem. Die stämmigen Unterzüge wurden von Fachhändlern für antike Baumaterialien aus Burg Brohl und Deensen bei Hannover angeliefert.
Eigentlich wollte Waldmann zur Fertigstellung des neuen Dachstuhls ein Richtfest feiern. „Aber in Zeiten wie diesen ist das ja nicht möglich“, bedauert er. „Corona hat uns einen Schlag gegeben“, resümiert Waldmann. Deshalb würde in ihrem Zeitplan mindestens ein Vierteljahr fehlen. „Es gab Lieferschwierigkeiten, da viele Sägewerke schließen mussten. Dadurch sei es zusätzlich zu immensen Preissteigerungen gekommen. „Teilweise wurden die Produkte 60 Prozent teurer.“ Bislang wurden Waldmanns aufwendige Restaurierungsmaßnahmen der ehemaligen Wasserburg von Bund und Land mit etwa 300.000 Euro bezuschusst.
Ein großes, kostenintensives Problem sei auch die Verfugung des historischen Gemäuers gewesen, schildert Waldmann. Der Vorbesitzer habe die Fugen mit Zement gefüllt, das aber führe in Natursteinmauern zu Schäden. Also musste die gesamte Verfugung entfernt und dann mit biologischen Baustoffen neu gefüllt werden. 1342 wurde die Burg Gödersheim erstmals als Schutz- und Trutzburg für die gegenüberliegende Mühle urkundlich erwähnt. Welche Wehrhaftigkeit dieser Bau hatte, lässt sich schon an dem Fundament ablesen: Stufenartig verbreitert es sich im Boden bis auf 2,80 Meter.
Vor der Burg stapelt sich weiteres Baumaterial. Regendicht mit Folie gesichert, warten riesige Holzplatten darauf, auf dem frisch gezimmerten Dachstuhl montiert zu werden. Daneben stehen unzählige Holzkisten – gefüllt mit bereits rund geschlagenen Schieferschindeln. Das wirkt auf den ersten Blick wie eine immense Schellack-Plattensammlung.Mich irritiert, dass aber auch rechteckige Schieferplatten eingelagert sind. Also frage ich bei einem der Dachdecker nach. „Die müssen noch behauen werden“, erklärt er. „Mit Schablone oder aus Erfahrung? Wie geht das?“, hake ich nach. „Mit Erfahrung“, lacht er. Und das – ganz ehrlich, liebe EIFELON-Leser – schätze ich an meinem Beruf: Man lernt bei jedem Termin etwas dazu…
Einen Steinwurf entfernt stehen zwei hölzerne, spitze Türmchen, gestaltet wie Indianertippis. Sie werden rechts und links auf der Fassadenfront als Wachtürmchen montiert. So, wie es früher einmal aussah. Die im Durchmesser 60 Zentimeter großen, runden Sockel werden auf zwei Meter Höhe aufgemauert, mit Schießscharten versehen und anschließend durch die schiefergedeckten Dachspitzen abgedeckt. Demnächst werden auch zwei Wetterfahnen das Ensemble schmücken. Eine trägt dann die Inschrift „CWH“ für das Investorenehepaar Cécile und Helmut Waldmann. Die andere erinnert an die erste urkundliche Erwähnung der Burg (1342) und an 2021, in dem die verfallene Burg nach über 100 Jahren wieder ein festes Dach erhält.„Bis Ende Mai soll das Dach gedeckt sein“, fügt Waldmann hinzu. Für den Innenausbau der ehemaligen Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert kalkuliert der pensionierte Chemiker zwei bis drei Jahre. Aber bereits jetzt ist der „Genius Loci“, die faszinierende Ausstrahlung des Ortes, der ehemaligen Wasserburg zu spüren. Einfach ein Kleinod der Geschichte.
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