Umland: „Zurzeit werden im Gebiet der Struktur- und Genehmigungsdirektion* (SGD) Nord verstärkt Flächennutzungspläne aufgestellt, die Konzentrationsflächen zum Bau von Windenergieanlagen in Naturpark-Kernzonen ausweisen.“
Mit dieser Pressemitteilung hatte die rheinland-pfälzische Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord in Koblenz einen landesweiten Proteststurm unter den Naturschutzorganisationen ausgelöst. Als Begründung wird bei der SGD angegeben, dass die besten windreichen Standorte außerhalb der Naturpark Kernzonen bereits durch Windräder belegt seien. Deshalb würde man nun überlegen, in einzelnen Fällen das generelle Bauverbot aufzuheben.
„Eine Befreiung kann erfolgen, wenn sie für das öffentliche Interesse notwendig und mit den Interessen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist“, so der Informationstext weiter. Das bedeutet im Klartext: Wenn eine Gemeinde das politische Ziel der Energiewende umsetzen will, indem sie Windräder in einem Naturpark aufstellt, dann ist das erlaubt.
Die Reaktionen der Bürgerinitiativen und Naturschutzorganisationen auf diese SGD-Ankündigung waren äußerst heftig. EIFELON zitiert in Auszügen aus den Presseveröffentlichungen:
POLLICHIA Verein für Naturforschung und Landespflege e. V.
Die POLLICHIA ist ein seit über 160 Jahren aktiver Naturkunde- und Naturschutzverband mit gegenwärtig 3.000 Mitgliedern. Dr. Jürgen Ott, Präsident der POLLICHIA:
Wenn diese Politik wirklich umgesetzt wird und landesweit Schule macht, haben wir bald keine einzige Landschaft ohne Windkraftanlagen mehr, noch nicht einmal mehr Schutzgebiete würden frei von dieser landschaftsprägenden Nutzung bleiben. […] Das hat mit Naturschutz absolut nichts mehr zu tun, auch wenn es jetzt angeblich nur Ausnahmen sind – über kurz oder lang wird dieses Vorgehen der Normalfall sein, das kennt man ja von anderen Entwicklungen schon zur Genüge. Unser Verband ist absolut gegen diese Aufweichung der klar definierten gesetzlichen Schutzbestimmungen für Naturparke, die den Naturschutz letztlich insgesamt konterkarieren würde.
Bündnis Energiewende für Mensch und Natur e.V.
In dem Verein sind 52 rheinland-pfälzische und saarländische Bürgerinitiativen mit mehr als 12.000 Mitgliedern zusammengeschlossen:
Die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord unter ihrem der „grünen“ Partei angehörigen Präsidenten Dr. Ulrich Kleemann gibt die letzten noch intakten Lebensräume bedrohter Tier- und Pflanzenarten für den ungehemmten weiteren Ausbau der Windindustrie frei. Wir halten dies für einen unverantwortlichen Akt der bewussten Naturzerstörung. […] Das „Bündnis Energiewende für Mensch und Natur e.V.“ bezichtigt die SGD Nord der Vernachlässigung und weitgehenden Unterlassung ihrer vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Naturschutzaufgaben. Die Preisgabe der Naturpark-Kernzonen für eine rein profitorientierte Windindustrialisierung ist das aktuelle Ergebnis der Politik einer nur noch dem Namen nach „grünen“ Partei. […] Wir fordern die Landesregierung und die SGD Nord auf, diesen unverantwortlichen Weg sofort zu stoppen.
Harry Neumann
unabhängiger und freier Naturschützer, ehemaliger Landesvorsitzender des BUND Rheinland-Pfalz:
Die Rot/Grüne Landesregierung, insbesondere die grünen Ministerien sind dabei, die Menschen ihrer einzigartigen Natur- und Kulturlandschaften und Wälder zu berauben. Die Entscheidung der SGD Nord, auch in den Kernzonen der Naturparke Windenergieanlagen errichten zu können, ist naturschutzfachlich unverantwortlich und lässt große Zweifel an der Neutralität der Oberen Naturschutzbehörde und ihres Präsidenten Dr. Kleemann aufkommen. Nachdem die europäischen FFH- und Vogelschutzgebiete für Windindustrieanlagen nicht ausgeschlossen wurden, folgte die Freigabe der Landschaftsschutzgebiete und nun selbst die Kernzonen in den Naturparken. Diese Landesregierung gibt damit fast die gesamte Landesfläche für eine Energieart frei, die keinen Beitrag zum Natur- und Klimaschutz leistet. Dies ist eine Katastrophe für Menschen, Natur und Landschaft.
SWR Kommentar
von Gerald Keßler, Studioleiter im SWR-Studio Trier. 3.12.2015:
[…]Na bravo! Da schafft man eine Rechtsnorm, ein Schutzgebiet und weil das gerade nicht in die Politik passt, hebt man es auf. Mit Wildkatze, Orchideen und Quellmooren kann man es ja machen. Die wehren sich nicht!
* Zur Erläuterung: In ihren Aufgabenbereichen und Strukturen entspricht die rheinland-pfälzische Behörde SGD den Bezirksregierungen in NRW. (Anmerkung der Redaktion)
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