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Dieser Odysseus-Kopf aus grau-weißem Marmor wurde in Nettersheim gefunden. [Foto: Mathias Abdank]

Eifeler Grabbeigabe krönt Berliner Ausstellung

Kreise, Städtereg. Aachen: Die Irrfahrten des wagemutigsten Helden der griechischen Mythologie sind legendär. Odysseus, Sohn des Königs von Ithaka, besiegte zwar nach zehn Jahren Krieg mit einem genialen Streich das als uneinnehmbar geltende Troja. Doch seine Rückreise währte wegen zahlreicher Abenteuer und Herausforderungen durch verärgerte Götter, gruselige Ungeheuer und unwiderstehliche Verführerinnen mehr als lang.

Das passt zu dem Kopf des Odysseus, der noch bis 6. Januar 2019 im Deutschen Historischen Museum (DHM), Unter den Linden, in Berlin zu sehen ist. In der Sonderausstellung „Europa und das Meer“ wird erstmals maritime Kulturgeschichte aus der See-Perspektive gezeigt. Seine eigene Reise offenbart der Kopf aus weiß-grauem Marmor, den in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr. eine unbekannte Hand schuf, nur mit Hintergrundwissen: Es handelt sich um eine Leihgabe aus dem Archiv der StädteRegion Aachen.

Odysseus: In der Eifel gefunden, nun in Berlin ausgestellt. [Foto: Mathias Abdank]

Treue Besucher des Kunst- und Kulturzentrums (KuK) der StädteRegion in Monschau dürften das nachdenkliche Gesicht mit abgebrochener Nase wiedererkennen: Es zierte im September 2010 die Einladungskarte zur Eröffnung der damaligen KuK-Ausstellung „Spurensuche“. Diese beleuchtete die Geschichte dieses Kunstobjekts und zahlreicher weiterer. Die Abbildung von Odysseus‘ Kopf zählt aktuell zu den offiziellen Pressefotos der „Meer“-Ausstellung. Ein Beleg für den Highlight-Charakter dieses Eifeler Fundes.

Das fast 1.800 Jahre alte Objekt zieht in Berlin natürlich wesentlich mehr Blicke auf sich, als acht Jahre zuvor bei der Monschauer Präsentation. Auf einer 1.500 Quadratmeter großen Sonderfläche zeigt das Kuratoren-Team um Dorlis Blume rund 400 Exponate im DHM,  einem der best besuchten Museen der Bundeshauptstadt. Wie grundlegend das Meer die Entwicklung und Identität des Kontinents geprägt hat und welche Rolle es bis in die Gegenwart hinein spielt, beleuchten Kunst- und Alltagsobjekte aus 2.500 Jahren. Eine auf 500 v. Chr. datierte Darstellung von Europa auf dem Stier gehört zu den ältesten Schaustücken. Das 2014 mitgeführte Handy eines Flüchtlings zu den jüngsten.

Die Leihgabe der StädteRegion deklariert der 448 Seiten umfassende Ausstellungskatalog als „Kopie nach hellenistischem Original“, die „bei Ausgrabungen in Nettersheim/Eifel“ gefunden wurde. In den Archivunterlagen der StädteRegion wird das historische Kunstobjekt wie folgt beschrieben:

Es wird vermutet, dass es sich um das Fragment eines Sarkophags oder Relieftondos handelt. Es ist ein bärtiger Männerkopf dargestellt, der eine kegelförmige Filzmütze, einen sogenannten Pilos, trägt. Die Nase fehlt. Die voluminöse Haargestaltung und der Vollbart sowie der Pilos sind charakteristisch für die Darstellung des Odysseus in der Antike.“

Dieses außergewöhnliche Exponat wurde erstmals im einstigen Heimatmuseum in der alten Reichsabtei in Kornelimünster einem breiten Publikum – museal aufbereitet – zugänglich gemacht.

Der damalige Landkreis Aachen hatte die Einrichtung seit 1924 geplant und angekündigt, eröffnet wurde das Heimatmuseum am 3. Oktober 1936. In den 1920ern wurden Heimatpflege und –kultur gerade im noch besetzten Rheinland bewusst gefördert. In den 1930ern instrumentalisierten bereits nationalsozialistische Ideen sie für ihre Zwecke. In den 1940ern schließlich stand das Heimatmuseum weniger als ein Jahrzehnt nach seiner Eröffnung vor dem Aus: „Die Museumsräume waren fast leer. Die zahlreichen wertvollen Schätze waren, wie es hieß, nach Belgien entführt […]“, ist im Tagebuch des damaligen Museumsleiters Dr. Jakob zu lesen.

1948 passten alle noch verbliebenen Inventarstücke auf einen LKW und traten ihre Reise in die Kreisverwaltung an. Mangels Budget öffnete das Heimatmuseum entgegen Bestrebungen in den 1950ern nicht wieder. Offiziell aufgelöst wurde es jedoch erst im Zuge der kommunalen Neugliederung Mitte der 1970er Jahre. Die verbliebenen Bestände wurden eingelagert oder als Leihgaben an regionale Museen gegeben. Manche wechselten sogar den Besitzer – bis die StädteRegion Aachen sich gut 30 Jahre später mit seinem KuK auf „Spurensuche“ begab, viele Stücke wieder ausfindig machte und restaurieren ließ.

Hätte die langjährige, regionale Reise des Odysseus-Kopfes in den Monschauer Ausstellungsräumen kein glückliches Ende gefunden, wäre es wohl kaum denkbar gewesen, dass der antike Held nun Segel in Richtung Berlin setzen konnte.

Wir sind froh, dass wir mit dem Archiv gewährleisten können, dass Kunst- und Alltagsgegenstände den Bezug zu ihrer – wenn man so will – Heimat nicht verlieren“,

sagt KuK-Leiterin Nina Mika-Helfmeier und verweist auf die Sammlung von Möbeln, Truhen und Tonwaren, über historische Dokumente, Malereien und Skulpturen. Archiviert sind auch Radierungen, die als Entwürfe der Rethel-Fresken dienten, die im Krönungssaal des Aachener Rathauses faszinieren. Sie ist stolz, dass jetzt eins der Exponate in der Berliner Ausstellung, die sich erfahrunsgemäß zum Publikumsmagneten entwickelt, präsentiert wird.

Das macht das kulturelle Potenzial der StädteRegion auch weit jenseits ihrer Grenzen sichtbar und gibt uns damit Recht, dass wir im vorigen Jahrzehnt entschieden haben, uns des Archivs mit seinen Werten verstärkt wieder anzunehmen.“

Eine weitere „Spurensuche“-Schau in der StädteRegion ist derzeit nicht in Planung, doch die Internetseite www.spurensuche-ausstellung.de erläutert zahlreiche Details der weiteren Funde, die noch in den Depots schlummern.

 

24.8.2018KulturKreise, Städtereg. Aachen0 Kommentare redaktion

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