Nideggen, Wollersheim: Ihre eigentlichen, familiären Wurzeln sind in der Eifel. Genauer gesagt in Wollersheim. Doch die Jüdin Paula Kamp hat ein bewegtes Leben hinter sich: Sie lebte und arbeitete in Argentinien, Israel, Spanien und kehrt nun nach Deutschland zurück. Gut zwei Monate – vom Dezember 2020 bis zum Februar 2021 – hielt sie sich in Deutschland auf. Danach kümmerte sie sich in Spanien weiter um ihren deutschen Pass, damit sie wieder nach Deutschland auswandern und bei ihrem Partner Gerhard „Gerd“ Biedermann in Rhede an der Ems (nahe Papenburg) leben kann. Während ihres Deutschlandaufenthaltes besuchte sie im Januar 2021 auch Nideggen.
Franz-Josef Brandenburg, der das jüdische Leben in der Region dokumentiert, und seine Frau Doris waren ihre Gastgeber und führten sie unter anderem zum Geburtshaus ihres Vaters in Wollersheim, den Stolpersteinen davor, zur dortigen Gedenktafel und zur Schule ihres Vaters, sowie in Embken zum Jüdischen Friedhof, dem Mahnmal auf dem Dorfplatz und zum früheren Standort der Synagoge.
Nideggens Bürgermeister Marco Schmunkamp begrüßte die Besucherin persönlich, gab ihr Einblick in die, auf ihre Familie bezogenen Urkunden des früheren Standesamtes Wollersheim und händigte einige beglaubigte Urkunden aus.
In einer Mail an Brandenburg schrieb Susi Lessing am 12. Mai 2020 über Paula Kamps Familie:
Ihr Vater, Josef Kamp, hatte Lotte Heumann geheiratet. (Paula Kamp: „Man hatte mir erklärt, dass es war, um leichter aus Deutschland ausreisen zu können, oder weil es leichter war, in Argentinien akzeptiert zu werden. Ich verstehe auch nicht, wie sie verwandt waren.“) Die Ehe ging auseinander und später war Josef Kamp mit Carlota Sara Heller liiert; sie durften aber nicht heiraten, denn in Argentinien gab es damals keine Scheidung. Am 30. Januar 1962 ist diese Frau, die Mutter von Paula Kamp, meiner Cousine „Pauli“, gestorben. In 1972 emigrierte Paula Kamp von Argentinien nach Israel, wo sie zwei Jahre lang in einem Kibbuz gelebt hat. Dann hat sie 25 Jahre für eine Bank in Tel Aviv gearbeitet, aber 2005 hat sie einen spanischen Mann [Francesco Mauero] geheiratet und ist im Juli 2005 nach Barcelona umgesiedelt. Er ist leider 2015 an Krebs gestorben. Sie hat bis 2019 in einer Konditorei gearbeitet.
Ihre Informationen hat Susi Lessing aus dem Buch „Wollersheim – Ein Eifeldorf zwischen Krieg und Frieden“, das der Wollersheimer Heimat- und Geschichtsverein e. V. unter Leitung von Albert Grein veröffentlichte und das sie zufällig im Internet entdeckte.
In Gesprächen mit Paula Kamp kamen dann weitere Details zutage: 1968 lebte sie als 18-Jährige ein Jahr im 1954 errichteten Kibbuz „Bachan“ in der Gemeinde Emek Chefer im israelischen Zentralbezirk. 1972 wanderte sie dann endgültig aus Argentinien nach Israel aus, wo sie zunächst im Kibbuz „Maʿagan Micha’el“ wohnhaft wurde.
Paula Kamp, die Weltenbürgerin, besitzt neben der israelischen Staatsbürgerschaft auch die argentinische. Wenn sie jedoch die spanische Staatsbürgerschaft erhalten möchte, müsste sie ihren israelischen Pass abgeben und die spanische Fahne küssen. Das will sie aber auf keinen Fall. Und so ist sie in Katalonien seit 2005 eine so genannte „comunitaria“, ein Teil der Volksgemeinschaft ohne Wahlrecht.
Zu Lebzeiten ihres Vaters wäre es ihr möglich gewesen, im Rahmen der Wiedergutmachung einen deutschen Pass zu erhalten. Den Antrag hätte jedoch ihr Vater stellen müssen, was dieser aber mit der Bemerkung „Nur über meine Leiche!“ verweigerte. Zu tief waren die Trauer und der Schmerz über die, durch die Nazis seiner Familien angetanen Verbrechen. In Israel trug Paula Kamp den hebräischen Namen „Nurit“, was auf Deutsch „Butterblume“ bedeutet.
Albert Grein (82) aus Wollersheim hat sich nicht nur schriftlich intensiv mit dem Schicksal der Familie Schmitz/Kamp beschäftigt, das er in der Wollersheimer Buch-Dokumention aufarbeitete. 2013 ließ er auf eigene Kosten an ihrem früherem Wohnort Ecke Zehnthofstraße, Zuckerstraße eine Gedenktafel für die ehemaligen jüdischen Mitbürger errichten. Denn die Mutter von Paula Kamp stammte aus Wollersheim, ihr Mann aus Nideggen-Berg. Gemeinsam betrieben sie ein Lebensmittelgeschäft und eine Fleischerei, erzählt der Wollersheimer Geschichtsvereinsvorsitzende im EIFELON-Gespräch. „Die Familie war sehr beliebt. Jeden Freitag gab es einen Eintopf, von dem sich jeder im Ort eine Portion abholen konnte.“
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