Heimbach: „Die vielen Arbeitsprozesse, die hinter jedem Kunstwerk stecken, erahnt niemand. Doch das wollten wir in freier Natur sichtbar machen“, erklärte Professor Frank Günter Zehnder, Leiter der Internationalen Kunstakademie, das ungewöhnliche Projekt „Kunst im Busch“. Mitten in Wald und Flur entstanden Kunstwerke aus Holz, Stahl oder Beton. Und während der öffentlichen, vierzehntägigen Werkphase konnten Wanderer, Passanten oder ganze Schulklassen den Künstlern über die Schulter schauen. Auch wenn es einige Unwägbarkeiten zu bewältigen gab, die Stimmung untern den sechs Künstlern war grandios. Sie trotzen Wind und Wetter, stellten sich den Fragen der Spaziergänger, ackerten bis zum Muskelkater und vollendeten ihre Kunstwerke unter freiem Himmel.
Hoch hinaus wollte Holger Hagedorn mit seinem sechs Meter hohen „Spannungsbogen“, der direkt an der Rur einen idyllischen Platz gefunden hat. Um die filigrane, aber trotzdem schwergewichtige Skulptur aufstellen zu können, musste der Bagger anrücken, bevor die Konstruktion auf dem eigens gebauten Betonsockel verankert werden konnte. Erstmalig erarbeitete Holger Hagedorn mit der Kettensäge aus einem Holzstamm kompakte Kugeln. „Die ersten drei Tag konnte ich mich vor Muskelkater kaum noch rühren“, beschreibt der Künstler schmunzelnd seinen ungewohnten Körpereinsatz. Anschließend wurden die Holzrohlinge von 37 Schülern des Kreuzauer Gymnasiums, die sich an dem Kunstprojekt beteiligten, rund geschliffen und bunt eingefärbt. Nun schwebt der Ring aus zwölf Kugeln an einem dynamisch geschwungenen Edelstahlbogen.
Durch diese kühne Installation hat sich die hölzerne Plattform am Rurufer zu einer Oase der Ruhe verwandelt. In einem nächsten Schritt sollen dort noch schlichte Holzbänke aufgestellt werden.
Nur wenige Schritte weiter ließ die Bildhauerin und Keramikerin Monika Otto ihre bunte Stele „Zaubermärchen“ in der Landschaft erwachsen. Wie eine Tempelsäule aus einem speziell ausgetüftelten Gussbeton schichtweise gegossen, wurden danach die vertikalen Felder bunt bemalt und aus der Krone sprießen Keramikknospen und farbige Natursteine, die als bunte Blüten mit einem Klebemörtel fixiert wurden. Immer wieder zückten Spaziergänger den Fotoapparat, um das fröhlich-verspielte Exponat abzulichten.
Auch die Arbeit der Bildhauerin Dorissa Lem stieß auf großes Publikumsinteresse. „Viele belgische und niederländische Touristen blieben in der ersten Woche selbst während der heftigen Regengüsse hier stehen, beobachteten meine Arbeit und begannen ein Gespräch“, schildert die Kölner Künstlerin die Nähe zu ihren Besuchern. Auch viele Heimbacher seien tagtäglich vorbeigekommen, um den Werdegang ihrer Stele mitzuverfolgen und fotografisch festzuhalten. Viele Fragen tauchten auf. Während die älteren Gäste viel über das Kunst-Konzept wissen wollten, beschäftigte die kleinen Zaungäste vor allem eines: Wie schafft es Dorissa Lem, eine so detailliert ausgearbeitete Holzskulptur zu gestalten, ohne dauernd Splitter in die Hände zu bekommen? Andere Besucher dachten ganz pragmatisch und fragten, ob sie die abfallenden Holzspäne mitnehmen dürften, um ihren Garten damit zu mulchen.
Peter Nettesheim, dessen hölzerne Frauen-Skulptur unterhalb vom Haus des Gastes Gestalt annahm, wurde ebenfalls von vielen Wanderern angesprochen. Aufmerksam verfolgten sie, wie aus dem wuchtigen, 800 Kilo schweren Robinienstamm eine kräftig ausschreitende Wanderin herausgearbeitet wurde. „Zuerst den Kopf, dann Hände und Füße. Der Rest kommt von allein“, fasste der Bildhauer in seinem unverwechselbar trockenen Humor die einzelnen Werkschritte zusammen. Mit ein paar farblichen Akzenten betonte er den Gesichtsausdruck und das Outfit der Figur, doch die groben Arbeitsspuren, den Werkcharakter, ließ er ganz bewusst bestehen. Besonders angerührt war Peter Nettesheim darüber, dass er von einem Heimbacher mit selbstgekochter Marmelade verwöhnt wurde. „Einfach köstlich“, schwärmte er.
Ganz begeistert vom Arbeiten in der freien Natur zeigte sich auch Bildhauer Andreas Finke. Für ihn war es das erste Mal, dass eins seiner Kunstwerke im „open-Air-Atelier“ entstand. Aus einem kräftigen, drei Meter hohen Eichenstamm, der letzten Herbst in Hausen vom Sturm entwurzelt wurde, fertigte er eine teils archaisch anmutende, mit Zeichen und Chiffren bestückte Säule. „Hier habe ich auf die Natur reagiert und spontan noch einen Kopf in die Stele reinmodelliert“, erklärt er seinen Schaffensprozess. Einige der ausgearbeiteten Motive hob er mit Mahagoni-Pigmenten und Firnis hervor. Die übrigen Spannungselemente entstehen durch das stets wechselnde Spiel von Licht und Schatten. „Ich habe die Säule so ausgerichtet, dass sie Streiflicht erhält“, erklärte er und freute sich über das rege Interesse der Bevölkerung.
„Work in progress“ ließ sich auch bei Bildhauer Martin Kleppe beobachten. Sein, durch Karbonfasern verstärkter Beton bietet das ideale Ausgangsmaterial für überdimensionalen Faltenwurf wie bei einem Tuch. Während der Arbeitsphase leicht und geschmeidig, muss der von der RWTH Aachen entwickelte Spezialbeton langsam aushärten und kann danach handschmeichelnd fein geschliffen werden. „Während der ersten Regenwoche konnte ich kaum arbeiten, mir hätte der Regen alles weggespült“, bedauerte er. Kreative Grundschul-Pänz, die den Künstler bei der Arbeit beobachteten, ließen ihren Assoziationen freien Lauf: Die in sich gedrehte, dynamische Skulptur erinnerte sie an einen Berg, ein üppig gebauschtes Ballkleid oder ein appetitliches Sahnehäubchen. In den nächsten Tagen wird der Bildhauer Martin Kleppe noch aktiv vor Ort an seinem Kunstwerk arbeiten, um der Plastik den letzten, geschmeidigen Schliff zu geben. Kunst zum Anfassen eben.
An den sechs Kunststationen entlang des 1,6 Kilometer langen, barrierefreien Weges sind zudem Plexiglasboxen montiert, in denen Flyer zum Projekt „Kunst im Busch“ und jeweils eine Kurzvita der beteiligten Künstler zu finden sind. Offiziell wird die ungewöhnliche Kunstwanderroute nach den Sommerferien, am 22. August, eröffnet.
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