Hürtgenwald, Simonskall: Ungewohnt und fast ein wenig freudig erklingt Glockengeläut über dem Kalltal. Nichts Ungewöhnliches in der Eifel sollte man meinen, aber in diesem Fall ist es rund 70 Jahre her, dass die beiden Glocken der Marienkapelle des 50-Seelen-Ortes Simonskall gemeinsam tönten.
Die Marienkapelle ist den Menschen in Simonskall wichtig. Erbaut wurde sie 1935, ausgerechnet in einer Zeit, in der das Christliche Glaubensbekenntnis kaum mehr galt als die Religion, der es entstammte, und in welcher die Deutschen auf eine tausendjährige, glorreiche Zukunft eingestimmt wurden. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, als das Metall für Kanonen knapp wurde, haben die Behörden die größere Marienglocke demontiert und eingeschmolzen. Den Simonskallern blieb nur die kleinere Variante, die Raffaelsglocke. Doch die war bis jetzt – nach einer fehlerhaften Reparatur – lediglich ein Ausstellungsstück und zum Läuten nicht zu gebrauchen.
Dem 2010 gegründeten Förderverein und den Sponsoren verdanken es die Simonskaller, dass die Kapelle nun wieder zwei intakte Glocken hat. Initiator und Fördervereinsvorsitzender Berthold Rüttgers freute sich während der zwei Tage, die das Glockengießen vor Ort dauerte, über die große Resonanz der Bevölkerung und der vielen Interessierten und Freunde, die es nicht versäumen wollten, einmal an einer echten Glockengeburt teilzuhaben.
Das Glocken nicht in der Glockengießerei, sondern vor Ort hergestellt werden, ist eine Jahrhunderte alte Tradition, erzählt Glockengießermeister Simon Laudy aus Groningen, denn früher war es meist viel schwieriger, die großen und schweren Glocken zu transportieren. Also wurde vor Ort am Fuß des Kirchturms gegossen. Diese alte Tradition haben die holländischen Glockengießer übernommen und ihren Glockenofen mit allem Werkzeug nach Simonskall gebracht. In einem Schamottsteinofen muss die Glockenbronze 1.100 Grad erreichen, bevor an den Guss der Glocke zu denken ist. Um die Bronze zu erhitzen, benötigten Laudy und seine Gesellen den ganzen Tag. Erst am späten Samstag Abend erreichte die flüssige Bronze die gewünschte Temperatur.
Über hundert Zuschauer haben bis dahin ausgehalten. Bei jedem Arbeitsschritt ging das Publikum mit. Als der Kamin vom Ofen genommen wurde, ging ein staunendes Raunen durch die Menge. Der Trog mit 200 Kilo glühender flüssiger Bronze wurde vorsichtig nach oben gezogen. Wie im Lehrbuch kippten die Gehilfen langsam den Behälter, um die gleißende Bronze in die Form zu gießen. Als das weiß glühende Metall in die vorbereitete Form lief, hätte man eine Nadel zu Boden fallen hören können. Alle hielten den Atem an… Die Spannung löste sich erst, als die Glocke gegossen war. Dann hieß es wieder warten. Die Glocke in ihrer Form muss langsam abkühlen, um einen guten Klang zu gewährleisten.
Am Sonntag war es dann soweit. Der Tag begann mit dem Entfernen des Metallrings, der die Form umschließt. Schnell war die immer nach heiße Glocke in ihrer Gussform zu erkennen. Der mit Wasserglas gehärtete Formsand wurde vorsichtig abgetragen. Zum Schluss legte Meister Simon Laudy wieder selbst Hand an. Nachdem er mit Hammer und Meißel die Inschrift und den Zierrat am Rande der Glocke vom Formsand befreit hat, wurde die neugeborene Marienglocke poliert, bis sie glänzte. Die erste Klangprobe bestand der neue Stolz der Simonskaller ohne Beanstandung.
Auch vom Klang her muss beim Glockengießen einiges berücksichtig werden“, weiß Pfarrer Axel Lautenschläger. „Der Glockenklang wird immer auch auf die Glocken in der Umgebung angepasst, damit diese gemeinsam harmonisch klingen.“ Zusammen mit der von Meister Laudy bereits in seiner Werkstatt gegossenen neuen Josefsglocke soll das Geläut in der Tonhöhe „es“ und „ges“ erklingen. Weihbischof Dr. Johannes Bündgens segnete die neuen Glocken der Marienkapelle in der anschließenden Abendvesper.
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