Nideggen, Schmidt: Insgesamt 65 Rotarmisten waren einst am Rande des Waldgebietes „Buhlert“, das zwischen den Ortschaften Schmidt und Strauch liegt, begraben. Bis zur raschen Auflösung dieses Friedhofs 1959 erinnerte dort eine von russischen Kameraden gefertigte Gedenktafel an das schreckliche Schicksal der während ihrer Gefangenschaft zu Tode geschundenen Rotarmisten. Nach Auflösung des Friedhofs wurden die sterblichen Überreste der Kriegsgefangenen auf die zentrale sowjetische Kriegsgräberstätte Rurberg umgebettet. Die Gedenktafel aber gilt seither als verschollen. Eine alte Fotografie davon ließ bei der Katholischen Kirchengemeinde St. Hubertus – besser bekannt als St. Mokka – den Gedanken reifen, im Sinne ihrer Friedensarbeit diesen sowjetischen Kriegsgefangenen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Um die Erinnerung wachzuhalten, wurde auf Anregung von Konrad Schöller ein Replikat der Tafel erstellt.
Während einer kürzlich stattgefundenen Gedenkfeier in der Schmidter Pfarrkirche konnte diese Tafel feierlich enthüllt werden. Adalbert van Londen, Kirchenvorstandmitglied der Pfarre, führte durch die zweistündige Veranstaltung. „Als Kirchenvorstand einer christlichen Kirchengemeinde, die in einer Region lebt, in der die schrecklichen Ereignisse des 2. Weltkrieges selbst nach über 70 Jahren immer noch und immer wieder präsent sind, ist es eine Verpflichtung, sich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln für den Frieden einzusetzen. Wir alle wissen, dass dies nur durch das Wachhalten von Geschichte funktioniert. Auch wenn das bedeutet, dass es sich dabei um Dinge handelt, über die man gerne den Mantel des Vergessens hüllen möchte. Doch was ist schon unser beklemmendes Gefühl gegen das, was die Menschen jener Zeit erdulden und verkraften mussten“, so der Moderator des Kirchenvorstands.
Im Anschluss sprachen Hans Doncks, Pfarrer der Katholischen Kirchengemeinde, Burkhard Herpers, Prädikant der Evangelischen Kirchengemeinde Monschauer Land, und Msgr. Alexander Pustoutov, Dekan der Berliner Diözese der Russisch-Orthodoxen Kirche, einige geistliche Worte. Weitere Redner waren Dürens Landrat Wolfgang Spelthahn und Heinrich Esser, stellvertretender Bürgermeister von Nideggen. Regionaldekan Hans Doncks wies auf noch bestehende Forschungsdefizite hin. Es bedürfe weiterhin Aufklärung über das genauere Schicksal der Kriegsgefangenen. Wer sie beispielsweise in der Landwirtschaft und anderen Betrieben drangsaliert habe. „Frieden bekommt man nicht geschenkt. Frieden muss erarbeitet werden“, betonte Landrat Spelthahn. Er würdigte die Erinnerungs- und Friedensarbeit der Schmidter Pfarre ausdrücklich als beispielhaft und nachahmenswert.
Benedikt Schöller, Lehrer für Geschichte am St. Angela-Gymnasium in Bad Münstereifel, lieferte in seinem Vortrag die notwendigen historischen Hintergrundinformationen. „Drei Grundlagen sind für die Erinnerungsarbeit des Kirchenvorstands der Schmidter Pfarre wichtig: Erstens eine Pluralisierung der Erinnerung, also eine Betrachtung aller Opfer- und Tätergruppen, eine Individualisierung der Erinnerung, also die Recherche und Herausarbeitung von Einzelschicksalen aus der anonymen Masse. Drittens die Universalisierung der Erinnerung, also die Betrachtung des lokalen Geschehens im Rahmen der Großen Geschichte unter Einbezug des Vernichtungskrieges der Wehrmacht und des Holocaust. Erst unter diesem ganzheitlichen Blick besteht überhaupt die Chance, aus der Geschichte lernen zu können.“
Ein weiteres Lob, die Erinnerung an die toten Rotarmisten und die Umstände ihres Todes wachzuhalten, sprach Vladimir Pyatin aus, stellvertretender Generalkonsul der russischen Föderation in Bonn.
Die Gedenktafel wird künftig einen festen Platz in der Maria-Hilf-Kapelle der Schmidter Pfarre bekommen. In genau der Kapelle, die seit Jahrzehnten von den Schmidter Gläubigen „Kriegerkapelle“ genannt wird, weil dort der eigenen Gefallenen der Kriege gedacht wird. Im letzten Jahr wurde hier bereits eine Erinnerungstafel angebracht, die der Befreiung von der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus gedenkt und sich gleichzeitig bei den seinerzeit beteiligten amerikanischen Soldaten bedankt. Der deutsch-russische Kammerchor „Cantilene“ aus Köln sorgte mit hervorragender Liedauswahl und professionellem Vortrag für einen unvergesslichen Rahmen der Gedenkveranstaltung. Konrad und Benedikt Schöller stellten für die Besucher noch weiteres Material zusammen. Die kleine Ausstellung mit Fotos und Hintergrundinformationen ist noch bis Anfang September in der Kirche zu sehen.
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