Eifel: Die römische Wasserleitung von der Eifel nach Köln ist das bedeutendste technische Denkmal der Antike nördlich der Alpen – zugleich das längste. Ihre Gesamtlänge beträgt 95 Kilometer. Rechnet man alle Zuleitungen dazu, erreicht das Leitungsnetz eine Länge von 130 Kilometern. Sie ist damit die drittlängste Versorgungsleitung im gesamten römischen Imperium. Der „Römerkanal“, wie er in der Region genannt wird, gehört zu den großen Ingenieurleistungen der Antike. Bauweise und Vermessungstechnik lassen Laien und Fachleute staunen. Er ist ein archäologisches Denkmal von internationalem Rang – auch deshalb, weil wichtige Teile erhalten sind.
Bekanntlich legte die römische Bevölkerung am Niederrhein Wert auf der Beibehaltung ihres Lebensstils. Dazu gehörte auch einwandfreies, frisches Trinkwasser. Bei einem Durchfluss von 250 Litern pro Sekunde lieferte die Eifelleitung täglich bis zu 20 Millionen Liter Wasser in die Provinzhauptstadt – so die Berechnungen von Professor Dr. Klaus Grewe, der als Archäologe und Vermessungsingenieur beim LVR die Leitung über viele Jahre erforschte.
Trassenführung
Der „Römerkanal“ funktionierte als reine Gefälleleitung. Zur Überbrückung von Tälern gab es einige Aquäduktbrücken. Um die Leitung wegen des Frosts weitgehend unterirdisch führen zu können, folgt die Trasse vorhandenen Höhenzügen, Umwege wurden in Kauf genommen. In der Regel wies sie eine Überdeckung von 90 Zentimetern auf. Das gewünschte Gefälle konnten die Baumeister dadurch bestimmen, dass der Kanal im Hang verlief. Der Erdaushub für die Rinne diente als talseitige Arbeitsterrasse und Zuweg. Bei Meckenheim sowie zwischen Hürth und Köln war die Leitung als Hochleitung angelegt, von Bogenstützen getragen.
Die römische Vermessungstechnik überließ nichts dem Zufall. Das Gefälle der Leitung beträgt teilweise nur ein Promille. „Doch wenn man bei Nettersheim eine Kegelkugel in die Rinne legte, würde sie bis Köln kullern“, veranschaulichte Grewe die Präzisionsarbeit der römischen Baumeister.
Bauweise
Die gute Erhaltung der Leitung ist vor allem auf ihre bestens ausgeklügelte und äußerst aufwendige Bauweise zurückzuführen. Die Römer kannten bereits den Beton (opus caementitium) und verfügten recht früh über wasserdichten Zement. Der Kanal liegt auf einer Packlage aus senkrecht gestellten Fundamentsteinen. Er besteht zunächst aus einer U-förmigen Rinne, die als Beton gegossen oder gemauert war. Die Wangen sind etwa 35 Zentimeter stark, die Innenmaße der Rinne betragen gut 70 Zentimeter in Breite und Höhe. Außen war die Rinne verputzt und in feuchter Umgebung zusätzlich mit einer Drainage versehen, um das Eindringen von Oberflächenwasser zu unterbinden. Besonders wichtig war der rötliche, wasserdichte Innenputz (opus signinum). Er gewährleistete die Abdichtung der Rinne im Inneren und ist auch heute noch gut zu erkennen.
Oberhalb der Rinne errichteten die Römer ein Gewölbe, um den Kanal unterirdisch führen und das wertvolle Wasser vor Verunreinigungen schützen zu können. Das Gewölbe war baulich ohne Verbindung auf die Rinne gesetzt, quasi als Sollbruchstelle. Diese Vorkehrung trafen die Baumeister, damit bei einer Beschädigung des Gewölbes ein Bersten der Rinne möglichst vermieden wird.
Wartung
Die Forscher entdeckten Absetzbecken und Brunnenstuben sowie zahlreiche Revisionsschächte, die einen Einstieg in die Leitung ermöglichten. Neben der ingenieurtechnischen Leistung des Wasserleitungsbaus sind die Wartung und der Bauunterhalt der Leitung über mindestens 190 Jahre als administrative Leistung nicht zu unterschätzen: Man geht davon aus, dass das Bauwerk durch mehrere Kanalmeistereien fortlaufend gereinigt und gewartet wurde und so der dauerhafte Betrieb gewährleistet wurde.
Steinbruch
Die Römer bevorzugten wegen des besseren Geschmacks kalkhaltiges Wasser. Ein weiterer Vorteil bestand in der automatischen Abdichtung der giftigen Bleileitungen in den antiken Haushalten, die in Köln ihr Wasser aus der Eifel bezogen.
In den rund 190 Jahren seines Betriebs entstanden im Inneren des Kanals Kalkablagerungen, mit einer Dicke von bis zu 30 Zentimetern. Poliert wirkt dieser Kalksinter wie geflammter Marmor. Er eignete sich hervorragend für Säulen und Platten und wurde daher im Mittelalter an vielen Stellen aus dem nicht mehr verwendeten Kanal herausgebrochen, um ihn als bauliches Schmuckelement zu verwenden. „Eifelmarmor“ findet sich in vielen Kirchen, so in den Domen von Paderborn und Hildesheim, sogar in Dalby und Roskilde/Dänemark ist er zu finden.
Insbesondere auf den längeren Strecken und an den meisten Aquädukten wurde der Römerkanal ab dem Mittelalter außerdem als Steinbruch genutzt. An einigen Stellen ist er nur noch durch die ursprüngliche Baugrube nachweisbar; die Steine sind an manchen Bauwerken zu sehen – darunter Hexenturm und Stadtmauer in Rheinbach.
Vermittlung
Auf Initiative von Klaus Grewe, langjähriger LVR-Archäologe und Erforscher der Wasserleitung, wurde bereits 1988 der Römerkanal-Wanderweg mit Wanderführer und Informationstafeln eingerichtet. In Rheinbach ist ein Informationszentrum zur Eifelwasserleitung im Bau, es soll im Sommer 2019 eröffnet werden. Gefördert wird es durch das Land, die NRW-Stiftung und den Landschaftsverband Rheinland.
Auszubildende des rheinischen Handwerks haben nun Teile der römischen Wasserleitung restauriert und diese so vor der Zerstörung bewahrt. Notwendig wurde diese Rettungsaktion, weil in Hürth bei Köln das antike Monument auf 55 Metern Länge der Neuführung der Bundesstraße 265 weichen musste.
Als Kompensation für ihre ortsbezogene Beseitigung zugunsten des Straßenbaus verständigten sich das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege und der Landesbetrieb Strassen.NRW darauf, sechs Stücke konservatorisch zu ertüchtigen und der Öffentlichkeit später an Ort und Stelle zu präsentieren. Fünf der Teile werden dazu beiderseits der neuen Straße in die Böschungen eingebaut, um den Verkehrsteilnehmern den ursprünglichen Verlauf der antiken Leitung zu veranschaulichen. Das sechste, mit Gewölbe und Revisionsschacht, wird unmittelbar angrenzend an einem Rad- und Fußweg aufgestellt, der die neue Straße hier auf einer Brücke queren wird. Insgesamt wendete Strassen.NRW eine Million Euro für die gesamte Maßnahme auf.Für die restlichen 22 Stücke waren Interessenten einem Aufruf des Vereins „Freundeskreis Römerkanal-Wanderweg“ gefolgt und erklärten sich bereit, die Kosten der Restaurierung ihres jeweiligen Stückes in Höhe von knapp 10.000 Euro zu übernehmen. Es meldeten sich Gemeinden, Firmen, Verbände und Privatpersonen, die sich als „Anrainer“ der Römerleitungstrasse mit dem Monument verbunden fühlen oder aufgabengemäß mit dem Thema „Wasser“ befasst sind. Zu den Abnehmern gehört auch das Heilig-Geist-Gymnasium Würselen. Motiviert durch den Geschichtsunterricht ergriff hier der Schüler Timo Ohrndorf die Initiative. Er sammelte bei Förderern auch das Geld für das Stück Wasserleitung ein.
Neben dem sicheren Transport der Stücke gehörte dazu vor allem ihre fachgerechte Konservierung, zu der sich die Handwerkskammer Köln mit ihrem Bildungszentrum Butzweilerhof bereiterklärte. Unter Anleitung des Steinrestaurators Thomas Sieverding haben dort angehende Fachhandwerker im Betonbau mit Begeisterung und großem Respekt vor der Baukunst der Römer die Stücke überarbeitet. Die ersten zehn Blöcke werden in Kürze an ihre Abnehmer übergeben.
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