Umland, Köln: Sie erhob Köln zur „Kolonie“ und machte so aus der Ubiersiedlung und dem römischen Militärlager erst eine „richtige“ Stadt. Sie war die einzige Frau, nach der im Römischen Reich eine Stadt benannt wurde – doch Köln besitzt keine einzige Porträtbüste seiner „Stadtmutter“. Jetzt aber zeigt das Römisch-Germanische Museum in der Ausstellung zum 2000. Geburtstag von Kaiserin Agrippina gleich zwei steinerne Abbilder.
Es sind Leihgaben. Der eine Marmorkopf kommt aus der Gothaer Stiftung Schloss Friedenstein und zeigt eine sichtlich junge Agrippina. Nicht wesentlich älter scheint sie in der Leihgabe aus Kopenhagen. Aber Achtung: Dieser Kopf aus schwarz-polierter Grauwacke wurde – so Experten – noch zu Lebzeiten der machthungrigen Frau „geliftet“, sprich: Die matronenhaften breiten Wangen wurden verschmälert, auch die Nase ist wohl zierlicher als ursprünglich.
Nur eine Agrippa-Statue entging nach ihrer Ermordung Neros Zerstörungs-Befehl
Es ist eine spektakuläre Leihgabe: Erstmals wieder ist der Kopf mit dem dazugehörigen lebensgroßen „Rest“-Körper zu sehen. Die Skulptur in Gestalt einer Betenden oder Priesterin war – warum auch immer – der Zerstörungswut ihres Sohnes Nero entgangen und wurde später zerschlagen, um Platz in einer Mauer zu finden, die Rom vor germanischen Barbaren schützen sollte. Beim Bau eines Militärhospitals wurden die Trümmerstücke 1885 gefunden. Nicht erkannt wurde allerdings, dass sie zusammengehören. So landete der Kopf in Dänemark, der Rest blieb im Kapitolinischen Museum. Erst 1994 rekonstruierte man, dass beides zusammengehört. Als Folge schenkten die Dänen der kopflosen Statue in Rom einen Abguss des Ur-Kopfes – so ist Agrippina jetzt in Köln zu sehen.
Die „Kaiserin aus Köln“ wurde vor 2.000 Jahren am Rhein geboren
Geboren wurde Agrippina am 6. November im Jahr 15 n. Chr. in Köln, verließ die Stadt aber schon nach einem Jahr. Sie stammte aus einer einflussreichen Familie – Kaiser Augustus war ihr Urgroßvater – und war in ein mächtiges Familiengeflecht eingebunden, zu dem auch Onkel Caligula gehörte. Weil viele, aber kurze Ehen in dieser Zeit üblich waren, hat man den Stammbaum des julisch-claudischen Kaiserhauses in dieser Ausstellung etwas verschlankt. Die wichtigsten Vertreter sind als Porträtbüsten in Köln vertreten. Aus erster Ehe stammt ihr Sohn Nero, den sie unbedingt zum Kaiser machen wollte. Das gelang ihr auch, nachdem sie ihren dritten Ehemann, Kaiser Claudius, vergiftet hatte. Nero allerdings zeigte wenig Dankbarkeit: 59 n. Chr., nur fünf Jahre nach Claudius’ Tod, ließ er seine Mutter ermorden. Anschließend gab er den Befehl, alle ihre Statuen zu zerstören. Bis auf die eine. Zugleich wurden Münzen mit ihrer Abbildung aus dem Verkehr gezogen.
Im Mittelalter und vor allem in Köln übersieht man ihre dunklen Seiten gerne
Wie man sich diese Intrigen und Machtspiele vorzustellen hat, war mindestens 13 Mal Thema von Filmen und TV-Serien. Aus dreien sind in dieser Ausstellung Ausschnitte zu sehen: Der älteste ist ein Stummfilm aus dem Jahr 1910, den (vorerst) letzten mit dem Titel „Nero – die dunkle Seite der Macht“ drehte Paul Marcus im Jahr 2004. Matthias Habicht spielte darin den Philosophen Seneca.
Im Mittelalter – und in Köln wohl bis heute – sieht man Agrippina ihre Machtspielchen nach. Sie wird einfach als „Stadtmutter“ gefeiert. Ob in Woensams meterlangem Holzschnitt aus dem Jahr 1531 über dem Stadtpanorama schwebend oder in einem Pilgerbuch über Kölns Reliquien aus dem Jahr 1607. Dass ihr in den Rosenmontagszügen Ende des 19. Jahrhunderts eigene Prunkwagen gewidmet waren, zeigen zwei Leporellos aus dieser Zeit.
In ihrer Zeit als Politikerin mag Agrippina gefürchtet gewesen sein, doch in Sachen Frisur war sie für ihre Zeitgenossinnen modisches Vorbild, wie einige Marmorbüsten zeigen. Eine von ihnen, wohl vor 250 Jahren auf einem Kölner Friedhof gefunden, brachte es sogar mal bis zur „echten“ Agrippina. Kölns Museumsgründer Ferdinand Franz Wallraf hatte sie als solche akzeptiert – besser als gar kein Porträt der Stadtmutter in Köln. Heute weiß man es besser.
Die Ausstellung „Agrippina – Kaiserin aus Köln“ wird bis zum 28. März 2016 im Römisch-Germanischen Museum am Roncalliplatz 4 in Köln gezeigt. Tel. 0221 – 22124438. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag jeweils 10.00 bis 17.00 Uhr. Donnerstags von 10.00 bis 20.00 Uhr. Jeden ersten Donnerstag im Monat bleibt das Museum bis 22.00 Uhr geöffnet. Eintritt: 9,00 / ermäßigt 5,00 Euro. Der Katalog zur Ausstellung kostet 12,95 Euro. [ehu]
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