Umland, Aachen: Die Zukunft des Gewerbeparks Avantis war dem Aachener Wirtschaftsausschuss auf seiner Sitzung im vergangenen Monat ein echtes Anliegen. Ausführlich und mit Power-Point-Präsentation ließ sich das Ratsgremium von Geschäftsführer Felix Delahaye die Entwicklung des Gewerbegebiets im Aachener Norden erläutern.
1998 war man in der Horbacher Nachbarschaft mit hohen Ansprüchen gestartet. 10.000 neue Arbeitsplätze sollten im „European Science and Business Park Avantis“ entstehen. Ein innovativer Gewerbepark beidseits der Grenze zwischen Aachen und Heerlen, ein internationales Projekt unter niederländischer und deutscher Beteiligung war angedacht.
Die Investitionen für Grunderwerb und Infrastruktur in das neu zu schaffende Gewerbegebiet verschlangen damals zirka 38,5 Millionen Euro, davon flossen fast 18 Millionen aus niederländischen und deutschen Fördertöpfen.
19 Jahre später sind von den damals hochgelobten Wunschträumen erst einige reale Gewerbe-Ansiedlungen umgesetzt. Lediglich knapp 1.000 Beschäftigte fanden bisher bei Horbach im Aachener Norden einen neuen Arbeitsplatz. Großzügige 328.000 Quadratmeter erschlossener Flächen warten weiterhin auf potente Investoren.
Im Wirtschaftsausschuss – Anfang Februar – äußerte man sich optimistisch zur weiteren, zukünftigen Vermarktung der teuer erschlossenen Parzellen. Allerdings war die Information für die Ratsmitglieder in dieser Sitzung unvollständig. Hätte doch die Aachener Verwaltung auf ein weiteres Großprojekt der STAWAG in unmittelbarer Nähe des Gewerbeparks hinweisen müssen, welches möglicherweise die Zukunft von Avantis massiv beeinflussen wird.
Im Juni 2016 hatte der Rat der Stadt vier Windanlagen der STAWAG-Energie für den neuen Windpark „Aachen Nord“ unmittelbar neben dem Gewerbegebiet mehrheitlich genehmigt. Ein weiteres Windrad, ebenfalls für die STAWAG, kam kurz vor Jahresende am 27. Dezember auf dem „kleinen Dienstweg“ hinzu, also ohne die an dieser Stelle vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung.
Normalerweise erfordert die Erweiterung eines Windparks ein neues Planverfahren mit weiterer Beteiligung der Anlieger und weiteren Prüfungen durch die Genehmigungsbehörde. Steigt doch durch eine zusätzliche Windanlage sowohl die Geräuschemission als auch die Belastung für die gesamte Umgebung. Eine solche langwierige Überprüfung wollte man anscheinend in der Aachener Verwaltung vermeiden, war doch auch das 5. Rad ein Projekt für die STAWAG und blieb so gewissermaßen „in der Familie“.
Gegenüber der anzeigepflichtigen Behörde, der Bundesnetzagentur, erklärte die Stadt Aachen als verantwortliche Genehmigungsbehörde, dieses zusätzliche 5. Rad würde nicht zu dem Windpark Aachen Nord gehören, obwohl es sich – als WEA 17 – nahtlos in die Reihe der anderen genehmigten Räder WEA 13 bis WEA 16 einfügt, den gleichen Betreiber – den Energieversorger STAWAG – hat und lediglich 370 Meter vom nächsten Nachbarrad entfernt errichtet werden soll.
Diese „kleine Ungenauigkeit“ sparte dem Betreiber viel Zeit und viel Geld für zusätzliche Überprüfungen und wurde dadurch erleichtert, dass das planende Ingenieurbüro bei Windrad Nummer 5 ein anderes als bei den vorausgegangenen Genehmigungen für die Räder 1 bis 4 ist.
Böswillige könnten an dieser Stelle behaupten, der Rat der Stadt und die niederländischen Partner wären von der Aachener Verwaltung hinters Licht geführt worden, hat doch die Genehmigung des 5. Rades nun weitreichende Auswirkungen auf die Entwicklung des unmittelbar anschließenden Gewerbegebietes Avantis. Durch das zusätzliche Rad wird es lauter im Gewerbepark. Somit ist der höchste, zulässige Schallpegel auf dem Gelände des Gewerbegebiets weitgehend ausgereizt. Danach könnten nur noch absolut „lautlose“ Gewerbebetriebe auf dem Terrain angesiedelt werden. Firmen mit Lagerhaltung oder Speditionsverkehr – also Lärmentwicklung – haben keine Chance mehr, eine gewerberechtliche Genehmigung zu erhalten. Der mit einer weiteren Gewerbegenehmigung verbundene Schallpegel würde, dank Windrad Nummer 5 (WEA 17), den höchsten zulässigen Wert im Gewerbepark überschreiten. Dazu gibt es auch Fachgutachten der Firma BBB Umwelttechnik GmbH, welche die Schall-Vorbelastung durch Windräder am Standort untersucht hat.Damit bleibt – aller Voraussicht nach – die Avantis Vermarktungsgesellschaft auf nicht zu vermarktenden, voll erschlossenen Gewerbegrundstücken im Wert von 16,4 Millionen Euro sitzen. Weitere Optionsflächen von 106.000 Quadratmetern für eine mögliche Erweiterung des Gewerbegebietes mit einem Wert von zirka 5,3 Millionen Euro sind mit dieser „WEA 17 Genehmigung“ wahrscheinlich ebenfalls nicht mehr bebaubar und damit wertlos geworden.
Bleibt die Frage im Raum, wie die bereits vor Ort angesiedelten Unternehmen mit der dann erhöhten Schallemission durch ein weiteres Windrad umgehen? Es wird zu prüfen sein, ob die zusätzliche Geräuschbelastung zu Schadensersatzforderungen führt, war doch bei Vertragsabschluss für die ansiedlungswilligen Firmen nicht davon auszugehen, dass sich ihre Betriebsgrundstücke plötzlich mitten in einer Windkonzentrationszone befinden.
Auch die Niederländer werden sicher über Schadensersatzforderungen nachdenken, wenn sich die investierten Fördermillionen in das Gewerbegebiet aufgrund der Windrad-Genehmigungspraxis der Aachener Verwaltung nun als Fehlinvestition herausstellen.
Es gibt also eine Menge Gesprächsbedarf zwischen den Genehmigungsbehörden in Aachen, der Stadt Heerlen als Miteigentümer des Gewerbegebiets, den Mitgliedern des Rates und der Geschäftsführung des Gewerbeparks. Auf Nachfrage von EIFELON zeigte sich Avantis Geschäftsführer Felix Delahaye vergangenen Donnerstag überrascht von der zusätzlich erteilten Genehmigung für ein 5. Windrad kurz vor Jahresende. Auch ihn – als unmittelbarem Anlieger – zu informieren, hatte die Aachener Verwaltung offensichtlich versäumt.
Noch ein wenig pikanter wird das Genehmigungschaos durch eine seit 2014 laufende Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Eine Normenkontrollklage bedeutet eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines behördlichen Genehmigungsvorgangs durch ein Gericht. Der Kläger meint, dass die Stadt bei der Vergabe der Windradstandorte unberechtigterweise ausschließlich städtischen Grundbesitz für ihre Windkonzentrationszonen ausgewiesen habe, um so alleine in den Genuss der jährlichen Pachtzahlungen zu gelangen. Weitere, ebenfalls geeignete Gebiete, an denen die Stadt kein Eigentum besitzt, wären nicht berücksichtigt worden. Am 5. Juli, nach fast drei Jahren Wartezeit, soll nun das Oberverwaltungsgericht entscheiden. Mit unabsehbaren Folgen für das weitere Schicksal des neuen Windparks.
Welche Konsequenzen sich aus diesem wahren Meisterstück städtischer Planungskompetenz zum Windpark Aachen Nord für die investierten Steuermillionen in Avantis und damit für die Aachener und Heerlener Steuerzahler noch ergeben, wird spannend zu beobachten sein.
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