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Zeitlos beeindruckend: Das in Bonn geborgene Gesichtsgefäß. [Foto: Jürgen Vogel]

Fund des Monats: Ein seltenes Gesichtsgefäß aus Bonn

Umland, Bonn: Bei Grabungen auf dem Areal des ehemaligen Bonn-Centers wurden 2018 auch Bereiche der römischen Zivilsiedlung  – dem so genannten „vicus“ – untersucht. Dabei kam im hinteren Teil eines „Streifenhauses“ ein Holzfass aus dem 2. Jahrhundert zutage. Als „Streifenhaus“ wird die damals typische Bebauung tituliert, bei der die Vorderfront oft nur wenige Meter einnahm, der Längstrakt aber bis zu 40 Meter in die Tiefe reichen konnte. Reihenhaus auf Römisch.

Im hinteren Trakt dieses Hauses stieß der freiberufliche Archäologe Cornelius Ulbert auf Fass-Fragmente: Holzfasern, sowie verrottete, verrostete Eisenbänder. Darin verborgen jenes Gesichtsgefäß, das nun als Fund des Monats im Bonner LandesMuseum präsentiert wird.

Ein außergewöhnlicher Fund. [Foto: Jürgen Vogel]

„Der rauwandige, bauchige Topf mit schmalem Fuß und abgesetztem Rand weist eine erhaltene Höhe von 14 Zentimetern und einen Randdurchmesser von 21 Zentimetern auf. Auf einer Hälfte, der Schauseite, ist ein Gesicht dargestellt. Die Augenbrauen bestehen aus bogenförmigen Wülsten, Kerben markieren die Haare. Aus der Stelle, an der die Augenbrauen zusammentreffen, erwächst eine plastisch geformte Nase. Zwei Messerstiche deuten die Nasenlöcher an. Die Augen bestehen aus zwei runden Tonwülsten mit leicht schrägen Einschnitten. Ähnlich ist der Mund aus einem ovalen Tonwulst mit einer waagerechten Kerbe gestaltet. Unmittelbar darunter liegt das runde Kinn. Die Ohrmuscheln werden fast realistisch durch geschwungene Wülste angedeutet. Auf der rechten Wange ist ein waagerechter Phallus modelliert“, beschreiben Fachleute den Fund.

Ursprünglich bezeichnete man diese Gesichtsgefäße als „Gesichtsurnen“, was auf die Form und die oft geschlossenen Augen der Gesichter als Symbolisierung des ewigen Schlafes zurückzuführen ist. „Da schaut einen ein Toter an“, beschreibt Ulbert den Moment, als der zerborstene Topf geborgen werden konnte. Dieses Gefäß weist die Grundformen römischer Töpfereien auf, ist aber durch seine plastische Ausgestaltung sehr ungewöhnlich. „Deshalb wollte unsere Restauratorin Margareta Siepen die Scherben auch eigenhändig wieder zusammenfügen.“

Da die Mehrzahl dieser Gefäße jedoch nicht aus Gräbern stammt, ist deren Funktion nicht im Zusammenhang mit einem Totenkult zu sehen, sondern offensichtlich eher im Alltagsleben verankert. Die unheilabwehrende, also apotropäische Bedeutung der Gesichter und Phalli steht – laut Wissen der Fachleute – außer Frage. Möglicherweise sollten diese modellierten Darstellungen den Gefäßinhalt vorm schnellen Verderben, Naschen oder Tierfraß schützen.

Eine andere Interpretation bringt die männlichen Geschlechtsorgane mit der Fruchtbarkeit im Dionysos-Kult in Zusammenhang. Allerdings ist eine kultische Nutzung der Gefäße nach aktuellem Forschungsstand eher auszuschließen, denn der Tonfund sei in einem „profanen Umfeld“ geborgen worden. „Auch an antiken Pferdegeschirren haben wir bereits ähnliche Darstellungen gefunden“, erklärt Cornelius Ulbert im EIFELON-Gespräch.

6.3.2020KulturUmland, Bonn0 Kommentare bwp

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