Umland: „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist verfassungsbedenklich und widerspricht europäischem Recht.“ Zu diesem Schluss kommt Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin. In einer 45-seitigen Expertise beschäftigt sich der Rechtswissenschaftler mit der Förderpraxis des EEG 2014. Er kommt zu dem Schluss, dass das Gesetz sowohl aus verfassungs-, als auch aus europarechtlicher Perspektive wesentliche Funktionsdefizite aufweist.
Verfassungsrechtlich handelt es sich – nach der Analyse von Professor Schwintowski – beim EEG-Fördersystem nicht um eine Preisregulierung, wie der Bundesgerichtshof (BGH) bislang annimmt, sondern um eine „verdeckte Steuer“. Er spricht von einer finanziellen Belastung, die alle Stromverbraucher und damit praktisch jeden Bürger betrifft. Entgegen der Auffassung des BGH handelt es sich – laut Schwintowski – bei der EEG-Umlage nicht um eine gesetzliche Preisregelung. Die EEG-Umlage reguliere nicht den Preis auf irgendeinem der Energiemärkte. Sie sei vielmehr der Jahresdurchschnitt der zusätzlichen Kosten, die für die Bereitstellung der erneuerbaren Energien pro Kilowattstunde anfallen.
Die EEG-Umlage schaffe erst das Angebot und die Nachfrage, die es ohne den gesetzgeberischen Eingriff überhaupt nicht gäbe. Der Gesetzgeber gibt also die Art der Produkte (Grün-Strom) und die darauf bezogene Nachfragepflicht (grünen Strom zuerst zu verbrauchen) gesetzlich vor. Das sei keine Preisregelung, sondern staatlich verpflichtende Stromabnahme, die den Markt für Grünstromanlagen erst entstehen lasse. Durch diese gesetzliche Regelung landen die Mehrkosten des geförderten Ökostroms letztendlich auf den Schultern aller Stromverbraucher. Das einzig zulässige Finanzierungsinstrument für einen solchen „staatlich gelenkten Mittelfluss“ sei aber, wie das Bundesverfassungsgericht vor über 20 Jahren bereits beim „Kohlepfennig“ festgestellt hat, eine Steuer.
Aus europarechtlicher Sicht argumentiert Professor Schwintowski, dass das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz für das Erreichen der europaweiten Klimaschutzziele ungeeignet sei. Er sieht in der EEG-Förderung „ein nationales System, das ausländische Grünstromerzeuger benachteiligt.“ Außerdem stehe das EEG-Fördersystem in Wechselwirkung zum europäischen Emissionshandelssystem. Die durch das EEG eingesparten CO2-Kontingente würden auf dem europäischen Markt frei gehandelt und führten damit zu keiner Einsparung des Treibhausgases. Die Klima- und Umweltschutzziele, die das EEG verfolgt, liefen so ins Leere. Darauf hätte die Monopolkommission schon 2013 hingewiesen.
Statt einer Klimaschutzwirkung werde durch das EEG 2014 „hohe Kosten für die deutsche Volkswirtschaft verursacht, während gleichzeitig andere Länder innerhalb der EU, die keine vergleichbare Förderung haben, indirekt durch die deutsche Förderpolitik entlastet werden.“ Rechtlich bedeutet dies, dass die Förderung durch das EEG aus der Perspektive des europäischen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht erforderlich ist. Damit fehle die Rechtfertigung und die Legitimation für eine Umwelt- und Klimabeihilfe, da das zurzeit geltende EEG aus dem Jahr 2014 keine CO2-Einsparung bewirke.
Der aus anderen EU-Ländern importierte Grün-Strom (z.B. aus Österreich oder Schweden) werde im deutschen EEG-System „diskriminiert“, da der ausländische Öko-Strom mit der deutschen EEG-Umlage belastet wird, aber von der finanziellen Förderung der erneuerbaren Energien in Deutschland nicht profitieren kann. Das verstößt, auch nach Meinung der EU-Kommission, gegen Art. 110 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union). Zusätzlich liege ein Verstoß gegen die „Freiheit des Warenverkehrs“ (Art. 34 AEUV) vor. Das hat der Europäische Gerichtshof bereits im Jahre 2001 im Fall „PreussenElektra“ entschieden.
Deutschland hat sich gegenüber der EU verpflichtet, bis 2020 18 Prozent der Brutto-Stromenergie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Dieser Zielwert wurde bereits im Jahre 2015 deutlich überschritten und liege heute bei etwa 34 Prozent. Konsequenz: Da Deutschland ausländischen Öko-Strom nicht fördert, wäre in dieser Überschreitung des Zielwertes eine nicht mehr zu rechtfertigende Diskriminierung ausländischer Grünstrom-Erzeuger gegeben. Es sei nicht einzusehen, warum in anderen Mitgliedstaaten erzeugter Grün-Strom nicht im gleichen Maße zur Verringerung des Abgasausstoßes beitragen solle, wie Grün-Strom aus Deutschland und damit ebenso förderfähig wäre. Die Erzeuger grünen Stroms aus anderen Mitgliedsstaaten hätten somit ebenfalls Anspruch auf die EEG-Umlage, ebenso wie die inländischen Erzeuger. Darauf könne sich jeder europäische Grünstrom-Produzent vor nationalen Gerichten berufen. Zugleich bedeute dies, dass der Sonderstatus, den die EU-Kommission dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gewährt hat, sich auch auf Erzeuger grünen Stroms anderer europäischer Mitgliedsstaaten erstrecken müsse. Zusammenfassend folgert Professor Schwintowski, dass das EEG-Fördersystem für das Erreichen der europäischen Klimaschutzziele weder erforderlich noch geeignet, sondern stattdessen unverhältnismäßig ist.
Siehe auch: Energiewende wohin? Professor Konrad Kleinknecht zieht Bilanz
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