Umland, Düren: „Die Sperlinge werden sauber wie junge Tauben zugerichtet, in ein wenig Butter gebräunt und mit Suppengrün und Zwiebeln ganz weich gekocht.“ Was sich anhört wie ein schlechter Scherz, war im berüchtigten „Steckrübenwinter 1916/17“ bittere Realität: Der Mangel an Nahrungsmitteln zwang dazu, alles nur halbwegs Verwertbare in die tägliche Versorgung einzubeziehen. Egal, wie hoch der „Nährwert“ wirklich war.

Postkarte zur Frauenarbeit. [Postkarte: Anita Schoeller]
Die Menschen in Düren hatten im Sommer 1914 die Ereignisse mit Spannung und wachsender Sorge verfolgt. Vor den Zeitungsredaktionen sammelten sich große Menschenmengen, um nur ja nicht die neuesten Meldungen, Telegramme, Aushänge und Extrablätter zu verpassen. Selbst zur Annakirmes wollte sich keine „echte, rechte Kirmesstimmung“ einstellen. Wie wenig „siegesgewiss“ die Bevölkerung aller offiziellen Propaganda zum Trotz wirklich war, verdeutlichen die massiven „Hamsterkäufe“, die unmittelbar nach der Kriegserklärung einsetzten. Sogar das Kleingeld wurde knapp, weil die Leute dem Papiergeld nicht vertrauten.
Als erste bekamen die Handwerker die Auswirkungen zu spüren. Viele Mitarbeiter wurden eingezogen, Aufträge wurden storniert, Rechnungen nicht beglichen. „Schafft dem Handwerk Arbeit!“, schrieb die Dürener Zeitung schon Mitte August angesichts der sich rapide verschlechternden Situation vieler kleiner Betriebe.
Aber auch viele Industrie-Unternehmen bekamen, wenn sie nicht sofort als kriegswichtig eingestuft wurden, große Probleme. Die Glashütte Peill & Putzler etwa konnte ihre Produktion erst im Spätherbst wieder aufnehmen, indem man medizinische Gläser herstellte. Die Zuteilung von Rohstoffen und Kohlen wurde jetzt staatlich organisiert, zudem waren die Verkehrswege weitgehend von militärischen Transporten blockiert, Telefon- und Telegrafenverkehr unterlagen strengen Beschränkungen. Bei der nicht kriegswichtigen „Dürener Fabrik präparierter Papiere Renker & Co.“ sank unter diesen Umständen der Umsatz auf ein Siebtel der Normalgröße.

Bürgermeister Klotz beim Empfang der Artilleristen. [Foto: Stadtmuseum]

Postkarte zur Warenbewirtschaftung. [Foto: Stadtmuseum]
Diesen negativen Erfahrungen stehen aber auch Momente der Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber. Der freiwillige Dienst in den Lazaretten gehört ebenso dazu, wie die zahlreichen Initiativen zur Arbeitsbeschaffung für „Kriegerfrauen“, die Spenden für den „Kriegsgeschenkefond“ des Oberbürgermeisters oder die zahlreichen anderen Sammlungen. Nicht verkennen darf man dabei, dass die finanziellen Mittel meist aus den Schatullen der reichen Fabrikanten stammten und es die „Damen“ der „besseren Gesellschaft“ waren, die den „Frauen“ aus den minderbemittelten Kreisen halfen. Auch so wurden Klassenstrukturen deutlich und verfestigt.
Immer wieder konnte man in Düren, bei entsprechenden Wind- und Wetterbedingungen, das Grollen der Geschütze von der Front vernehmen. Am 1. August 1918 wurde man dann auch tatsächlich zum Frontgebiet: Der erste Bomberangriff auf Düren forderte 17 Todesopfer und läutete, wie ein Menetekel, das baldige und schmerzhafte Ende des Krieges ein.
Über mehr als sechs Jahre hat eine Gruppe von Autoren des Stadtmuseums die verfügbaren Quellen ausgewertet und in insgesamt 54 Beiträgen ein umfassendes Panorama von Düren in jenen Jahren gezeichnet, das auch für jeden Kenner der Stadtgeschichte noch manche überraschende Entdeckung bereithält. Gefördert wurde diese umfassende Rechereche und Publikation von der NRW-Stiftung. [Bernd Hahne, Trägerverein-Vorsitzender des Dürener Stadtmuseums]
Inkl. einer CD mit Aufstellung der verstorbenen Militär- und Zivilpersonen der Stadt Düren 1914-1918, Hahne & Schloemer Verlag, Düren 2021, ISBN 978-3-942513-40-1, Preis: 39,95 Euro
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