Umland, Köln: Manchmal sind es kleine Dinge, die das Leben eines Menschen verändern können. Bei Bernd Göken war es ein Fernsehfilm über die Organisation Cap Anamur, den er als junger Mann Ende der 1980er Jahre gesehen hatte. Dieser Film hat ihn in seiner Berufsausbildung zum Krankenpfleger geprägt, er legte den Schwerpunkt auf Intensiv- und Notfallmedizin. Einige Jahre arbeitet er in seinem Beruf, bis er sich entschließt, Kontakt zu Rupert Neudeck, einem der Gründer der Organisation, aufzunehmen. Fünf Wochen später befindet er sich mitten in Angola, in einem Land im Bürgerkrieg – heute ist er Geschäftsführer bei Cap Anamur.
Eigentlich wollte Göken nur ein halbes Jahr dort bleiben, es wurden zwei Jahre am Stück. Er habe dort viel gelernt, sagt der gebürtige Jeveraner. Wie ihm geht es heute vielen Mitarbeitern, die zeitweise für Cap Anamur im Einsatz sind: Sie verlängern ihren Einsatz. Allerdings wird heute Wert darauf gelegt, dass die Mitarbeiter etwa alle sechs Monate für eine Zeit wieder nach Hause kommen.Ruhig und besonnen spricht Bernd Göken von seiner Arbeit. Die Arbeit dieser Organisation lässt ihn nicht los. Im Sudan, in den Nuba-Bergen, hat er auch seine Frau kennen gelernt. Sie war als Hebamme in dem Gebiet. Heute leben sie mit ihren beiden Kindern in Mechernich, doch Göken ist immer noch viel unterwegs. Er fährt regelmäßig in die Krisengebiete, um zu sehen, ob Cap Anamur helfen kann. Im Büro in Köln wird anschließend besprochen, was getan werden kann. Er habe manchmal auch Angst, gibt Göken unumwunden zu. Er bewegt sich schließlich häufig in Kriegsgebieten. Und nicht nur in den Nuba-Bergen ist es ihm passiert, dass Sprengsätze und Bomben um ihn herum flogen.
Der 49-Jährige spricht ebenso offen von der größten Krise bei Cap Anamur. 2004 war es, als das Schiff der Organisation, auf dem Mittelmeer unterwegs war und Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten wollte. Sie nahmen sie vor der afrikanischen Küste an Bord, doch dann begann eine Irrfahrt, denn der Kapitän durfte zunächst in Italien keinen Hafen anlaufen. Kurz nach der Landung wurde dann das Schiff beschlagnahmt. Der Kapitän, der 1. Offizier und Elias Bierdel, damaliger Geschäftsführer von Cap Anamur, wurden wegen Beihilfe zur illegalen Einreise festgenommen. Kritiker warfen der Organisation vor, das Leid von Menschen zur Durchsetzung politischer Ziele zu missbrauchen. Bernd Göken hatte bis zu diesem Zeitpunkt im Kölner Büro eher im Hintergrund gewirkt, doch mit der Verhaftung des Geschäftsführers „ging ein Sturm über uns los“. Sie seien als Schlepperbande bezeichnet und auch von der rechten Szene bedroht worden. Doch schon damals sei das Sterben auf dem Mittelmeer groß gewesen und Cap Anamur habe den Finger auf dieses Problem gelegt, meint Göken und man spürt, dass diese Ereignisse ihn auch heute noch sehr bewegen. Auf Verständnis stießen sie in dieser Zeit nicht bei jedem, das Spendeneinkommen brach ein. Strukturen wurden geändert, ein ehrenamtlicher Vorstand eingesetzt und Elias Bierdel verließ die Organisation. Bernd Göken wurde Geschäftsführer. Das Schiff wurde verkauft und Cap Anamur konzentrierte sich auf die Hilfe an Land. Auch dort gibt es genügend zu tun.
Manche Projekte konnten erfolgreich abgeschlossen werden, manche dauern noch an und mitunter werden Erfolge auch wieder zerstört. Doch auch wenn die Arbeit manchmal traurig und frustrierend ist, denkt Bernd Göken nicht ans Aufhören. „Ich sehe so viele Menschen, die wahnsinnig engagiert sind, damit es ihren Leuten gut geht – das gibt mir viel Kraft“, meint Göken und erzählt von den Menschen vor Ort, die ihm und den Cap Anamur-Mitarbeitern helfen, Krankenstationen einzurichten oder Schulen zu bauen. Er kann auch über Erfolge berichten. Nach dem Tsunami auf den Philippinen beispielsweise halfen sie auf einer der vielen Inseln, die Häuser wieder aufzubauen. In Uganda ist in den letzten Jahren viel passiert, „man sieht, dass sich Strukturen entwickeln“. Die Mitarbeiter von Cap Anamur bleiben aber auch in Krisengebieten, solange es geht. „Wenn ihr geht, geht unsere letzte Hoffnung“, dies wird Bernd Göken aus den Nuba-Bergen erzählt.
Sorge bereitet dem 49-Jährigen, dass Hilfskräfte von Organisationen wie Cap Anamur heutzutage selbst zu Zielscheiben geworden sind. Die Politik scheine dies nicht zu interessieren, meint er, denn Unterstützung gäbe es von dieser Seite eigentlich nicht. Am liebsten fährt Bernd Göken mittlerweile in unauffälligen Fahrzeugen durch das Land, um gar nicht erst zur Zielscheibe zu werden. Einfacher wird die Arbeit dadurch nicht. Doch Bernd Göken lässt sich nicht entmutigen. Und an Bewerbern, die eine zeitlang für Cap Anamur arbeiten möchten, mangelt es nicht. „Wir können Hoffnung geben“, bekräftigt er und beschreibt damit auch seine Motivation, die Menschen in Krisengebieten nicht alleine zu lassen.
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