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Mit schwerem Gerät schafft Simmerath Tatsachen. [Fotos: Gerald Kroll]

Wie sicher ist das Aachener Trinkwasser?

Eifel: Die Euregio bezieht Dreiviertel ihres Trinkwassers aus der Eifel. Die Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel mbH (WAG) in Roetgen, am Fuß der Dreilägerbachsperre, ist die zentrale Filter- und Verteilerstation. Von hier fließen circa 33 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr in die Euregio. Neben Stadt und StädteRegion Aachen werden auch die Stadt Düren, der Kreis Heinsberg und die niederländischen Nachbarn von Roetgen aus beliefert. Die WAG ist ein Tochterunternehmen der Energieversorger STAWAG und der enwor GmbH (energie & wasser vor ort GmbH) aus Herzogenrath. Zu den Aachener Trinkwasserspeichern gehören neben der Dreilägerbachtalsperre die Kalltalsperre und der Obersee der Rurtalsperre. In Roetgen kann man jeden dieser Trinkwasserseen über Verbundleitungen einzeln zur Wassergewinnung heranziehen oder auch, sollte es zu einer Wasserverschmutzung kommen, vom gemeinsamen Versorgungsnetz nehmen. Die Trinkwasseraufbereitungsanlage der WAG in Roetgen ist die zentrale Schaltstelle dieses Versorgungssystems.

Geologische Untersuchungen

Als die Firma juwi 2014 einen Genehmigungsantrag zur Errichtung und den Betrieb von sieben Windenergieanlagen im „Simmerather Wald“ in unmittelbarer Nähe zur Kalltalsperre stellte, war der Aachener Geologe Gerald Kroll alarmiert: Der nächste geplante Windradstandort war in nur 870 Metern Entfernung zu der Trinkwassertalsperre ausgewiesen. Der unmittelbar an das geplante Windradbaugebiet angrenzende Saarscheider Bach fließt in die Kalltalsperre. Er ist also ein Zubringer zur Aachener Wasserversorgung. Krolls hydrogeologischen Berechnungen nach benötigen Flüssigkeiten, die an der geplanten WEA 04 austreten würden, nur knapp 90 Minuten, um über den Bachlauf die Talsperre zu erreichen. Auch die geplanten Windanlagen 01, 02 und 03 sind über Nebengewässer mit dem Bach und der Talsperre verbunden. Jede der hier geplanten sieben 200-Meter-Windmühlen benötigt für den Betrieb zirka 1.200 Liter Hydrauliköl in der Gondel. Wenn es hier zu einem Unfall beim Ölwechsel, einer Leckage oder einem Brand kommen sollte, ist die Aachener Wasserversorgung in Gefahr.

Mangelhafte Gutachten?

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Gerald Kroll im frisch gerodeten Wasserschutzgebiet.

In seinen Einwendungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung an das Umweltamt der StädteRegion Aachen erhob Gerald Kroll und mehrere seiner Kollegen Bedenken gegen den vorliegenden Genehmigungsbescheid. In der Wasserschutzzone II, also im Nahbereich einer Trinkwassertalsperre, sind solche Baumaßnahmen nach dem Landeswassergesetz verboten. Er bemängelt die von der Planungsfirma juwi vorgelegten hydrogeologischen Gutachten wegen mehrerer fehlender Parameter. So wurde unter anderem weder die Wasserdurchlässigkeit des Bodens, noch die Fließgeschwindigkeit des Gewässers in dem Sicherheitsgutachten des Antragstellers einbezogen.

Auch wenn durch die Aufsichtsbehörden – für die Kalltalsperre – aus unerfindlichen Gründen bisher keine Trinkwasserschutzzonen ausgewiesen ist, unterliegt die Talsperre doch den Schutzbestimmungen des Landeswassergesetzes. Damit sind alle Zuflüsse zu einer Trinkwassertalsperre in Schutzzone II einzustufen und von wassergefährdender Bebauung freizuhalten. Dies gilt natürlich erst recht für Windanlagen mit mehr als 1.200 Litern wassergefährdenden und giftigen Hydraulikölen im Kopf. Kroll bemängelt weiter, dass die oberste Wasserbehörde, das Umweltministerium des Landes NRW, bisher keinen Bewirtschaftungsplan für die geschützten Zonen an der Talsperre vorgelegt hat. Ein solcher Bewirtschaftungsplan wäre die nötige und auch rechtsverbindliche Voraussetzung, um den Bau und den Betrieb eines industriellen Windparks im Einzugsgebiet der Trinkwassertalsperre auch nur beurteilen zu können. Das schreibt das Landeswassergesetz als Voraussetzung verbindlich vor. Leider hat man beim Umweltministerium in Düsseldorf bisher einen solchen Plan weder gefordert, noch erstellt. Damit läge wohl ein Verstoß gegen die Genehmigungsrichtlinien vor, ist Kroll überzeugt.

Fehlende Wasserschutzzonen

Bei dem Erörterungstermin zu dem Windpark-Bauvorhaben im August 2015 in Simmerath kommen auch die Bedenken von Gerald Kroll zur Sprache: Der Vertreter der Städteregion erläutert, dass die Kalltalsperre eine Trinkwassertalsperre sei, es allerdings kein bisher rechtlich festgesetztes Wasserschutzgebiet gäbe. In enger Abstimmung mit der Bezirksregierung Köln wurde dennoch ein detailliertes „Handlungskonzept zum Trinkwasserschutz“ gefordert, das Bestandteil des Antrages nach dem Bundes-Emissionsschutz-Gesetz (BImSchG) sei. Die hier vorgesehenen Windanlagentypen entsprächen dem allgemein anerkannten Stand der Technik, der ein Austreten von wassergefährdenden Stoffen aufgrund der geschlossenen Hülle der Gondel unmöglich mache, wird im Gutachten von juwi ausgeführt. Der Einwender verweist auf ein TÜV-Gutachten, das Mängel an solchen Anlagen attestiere und das Austreten von Ölen als durchaus möglich ansieht. Die zum Auffangen des Öls – im Fall einer Fehlfunktion – vorgesehene Kunststoffwannen würde im Brandfall zerstört und könnten daher ihre Funktion nicht mehr erfüllen. So steht es im Protokoll des Erörterungstermins.

Umgangenes Landeswassergesetz?

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Bodenzerstörung im Umfeld der Talsperre.

Zum ebenfalls von Kroll kritisierten Fehlen eines Maßnahmen- und Bewirtschaftungsplans, welches das Landeswassergesetz für den Wasserschutzbereich fordere, wird im Protokoll lapidar erklärt: „Hierzu gibt es keinen Erörterungsbedarf.“
Resümee: Im Februar 2016 hat die Gemeinde Simmerath mit den Rodungsarbeiten im Simmerather Wald begonnen. Ein Genehmigungsbescheid der StädteRegion für den Windpark Simmerath liegt seit dem 23. Dezember 2015 vor. Eine ausgewiesene Trinkwasserschutzzone an der Kalltalsperre gibt es immer noch nicht. Das Landeswassergesetz bleibt weiterhin ohne Anwendung. Die Windräder werden demnach in einer rechtlichen Grauzone errichtet werden, ohne dass die verbindlichen Forderungen des Wasserschutzgesetzes umgesetzt wurden. Der Diplom Geologe Gerald Kroll zweifelt an der Kompetenz der Genehmigungsbehörde und fürchtet um die Qualität des Aachen Trinkwassers.

Fragen an die Bezirksregierung Köln

EIFELON (EO) hat sich an die Kölner Bezirksregierung, der vorgesetzten Behörde der StädteRegion Aachen, gewandt und einen Fragenkatalog mit der Bitte um Stellungnahme eingereicht. Hier finden Sie den Schriftwechsel im Wortlaut:

EO: Warum gibt es an der Kalltalsperre, die maßgeblich an der Aachener Trinkwasserversorgung beteiligt ist, keine Wasserschutzzonen?

Die Festsetzung einer Wasserschutzgebietsverordnung wurde bisher von der Bezirksregierung Köln nicht als vorrangig angesehen.

EO: Warum wurden im Bereich Kalltalsperre keine Schutzmaßnahmen für das Trinkwasser ergriffen?

Es wurden Maßnahmen zum Schutze des Trinkwassers ergriffen. Die Belange des Trinkwasserschutzes wurden unabhängig von einer Festsetzung eines Wasserschutzgebietes im Genehmigungsverfahren berücksichtigt. Folgende Sicherungsmaßnahmen für Standorte von Windenergieanlagen in der geplanten Schutzzone II wurden gefordert und in den Genehmigungsbescheid aufgenommen:

  • Verwallung des Baustellenbereiches
  • Einrichtungen zum Sedimentrückhalt
  • Verlegung von Grabensystemen
  • Einrichtung von Ölsperren
  • Regelungen zum Umgang und zur Lagerung wassergefährdender Stoffe sowie Betrieb von Baumaschinen
  • Vorkehrungen gegen Austritt von wassergefährdenden Stoffen aus der WEA
  • Regelungen zu Wartungsarbeiten und Ölwechsel
  • Umfassende Regelungen zur Bau- und Betriebsüberwachung

EO Nachfrage: Nach unserem Wissensstand herrscht in der Trinkwasserschutzzone II absolutes Bauverbot für wassergefährdende Anlagen. Somit kann man diesen Grundsatz auch für “geplante” Wasserschutzzonen anwenden (siehe zum Beispiel an der Wehebachtalsperre). Gibt es übergeordnete Interessen an der Kalltalsperre keine Wasserschutzzone auszuweisen?

  • Diese Nachfrage wurde von der Bezirksregierung nicht beantwortet. Man verweist auf eine Anfrage beim Umweltministerium, zu der bisher noch keine Antwort vorliegen würde.

EO: Welche Maßnahmen sind von der Bezirksregierung vorgesehen, um eine Verunreinigung des Trinkwassers durch den geplanten Bau der WEA vorzubeugen und damit eine Gefährdung der Bevölkerung zu vermeiden?

Grundzüge des o. g. Sicherheitskonzeptes wurden bereits im Zusammenhang mit der Änderung des Flächennutzungsplanes zur Darstellung von Windenergiekonzentrationszonen für die 4 Standorte innerhalb der geplanten Wasserschutzzone II mit der Unter Wasserbehörde der Städteregion Aachen abgestimmt und ins Genehmigungsverfahren eingebracht.

EO: Welche Bestimmungen der Trinkwasserschutzverordnung kommen an der Kalltalsperre zur Anwendung?

Unabhängig von der Festsetzung einer Wasserschutzgebietsverordnung wurden hier die Anforderungen aus vergleichbaren Wasserschutzgebietsverordnungen angesetzt. So ist z. B. in festgesetzten Wasserschutzgebieten der Bau und Betrieb von Windenergieanlagen grundsätzlich verboten. Gleichwohl kann der Bau und Betrieb über eine Befreiung mit Sicherheitsvorkehrungen zugelassen werden.

EO Nachfrage: Das Gemeinwohl der Trinkwasserversorgung der Städte Aachen und Düren sind also nach dieser Interpretation weniger hoch anzusetzen als das kommerzielle Gewinnstreben eines Windradbetreibers?

  • Diese Nachfrage wurde von der Bezirksregierung nicht beantwortet. Man verweist auf eine Anfrage beim Umweltministerium, zu der bisher noch keine Antwort vorliegen würde.

Leichtfertiger Umgang mit der Aachener Wasserversorgung?

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Bereits abgeholzte Windradfläche im Wasserschutzgebiet.

Insgesamt entsteht bei diesen Antworten der Eindruck, dass bei der Genehmigung der Windanlagen im Einzugsgebiet der Aachener Trinkwasserversorgung durch die StädteRegion Aachen gegen grundlegende Anforderungen an den Trinkwasserschutz verstoßen wurde. Der Bezirksregierung Köln als Kontrollbehörde ist vorzuwerfen, dass dem leichtfertigen Umgang mit dem Aachener Wasser nicht energisch Einhalt geboten wurde.

Ein Ölaustritt oder ein Fehler beim Ölwechsel an den Windanlagen kann zu einer Verseuchung des Aachener Trinkwassers führen. Ein Risiko, das keine verantwortlich handelnde Wasserbehörde eingehen würde. Insofern ist zu hinterfragen, ob politischer Druck auf die Genehmigungsbehörden ausgeübt wurde, diese Unverantwortlichkeit zu genehmigen. Sollen doch neben juwi, die Stadtwerke Aachen und die enwor GmbH an diesem Windpark beteiligt sein. Die Kalltalsperre wird von der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel mbH (WAG) einem Tochterunternehmen der enwor GmbH und den Stadtwerken Aachen betrieben. Städteregionsrat Helmut Etschenberg, oberster Dienstherr der Unteren Wasserbehörde der Städteregion, ist gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der enwor GmbH (energie & wasser vor ort GmbH). Auf Nachfrage von EIFELON betont er die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheids für den Bau der Windanlagen im Wasserschutzgebiet.

11.3.2016PolitikEifel0 Kommentare cpm

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