Eifel: In gewisser Weise war es eine „historische“ Sitzung am 26. März im Kreistag: Die SPD hatte einen Antrag eingebracht, in dem die Landesregierung, sowie die Kreise Düren und Rhein-Erft aufgefordert wurden, sich für die öffentliche Ordnung rund um den Tagebau Hambach einzusetzen. Gemeint war ein schärferes Vorgehen gegen die Waldbesetzter, die seit drei Jahren im Hambacher Forst gegen die Abholzung des alten Baumbestandes durch die RWE kämpfen.
Die Formulierungen zum Sachverhalt klangen eher saftig: So war in dem SPD-Antrag von „radikalen, vom Fanatismus getriebenen Umweltaktivisten, die sich nicht an Gesetze halten“ die Rede. Deshalb erschienen circa 15 Waldbesetzer in der Kreistagssitzung und verlangten Rederecht zu den formulierten Vorwürfen. Ein absolutes Novum, denn in den letzten drei Jahren hatte die Kommunikation zwischen Politik und der Besetzerszene eher in wechselseitigen Verbalattacken und Schuldzuweisungen bestanden.
Nach einer Diskussion über die Frage, ob es ein Rederecht für Gäste im Kreistag geben könne, fand Landrat Spelthahn eine salomonische Lösung: Die Sitzung wurde unterbrochen. In der Sitzungspause erhielt der Aktivist Tino Schnuck das Rederecht vor der Versammlung. Er stellte die Frage an die Kreistagsabgeordneten, wessen Friede denn gewahrt werden müsse, ob RWE ein gesetzliches Anrecht auf die Enteignung tausender Menschen im Braunkohlerevier habe, auf die Zerstörung der Natur und die Belastung des Klimas. „Nur weil ein Unrecht juristisch legitimiert ist, heißt das noch lange nicht, dass es legitim ist: Es ist legal, aber nicht legitim. Das ist ein großer Unterschied. Unzählige Bürgerinitiativen in der Region haben sich Jahrzehntelang abgerackert, viele Menschen haben sich aufgerieben beim Versuch, im rechtsstaatlichen Rahmen mit Bürgerinitiativen, Petitionen, Demonstrationen etwas zu ändern. Sie sind alle enttäuscht und frustriert,“ resümierte Tino Schnuck. Nicht nur die große Politik müsse handeln, sondern auch die Menschen hier vor Ort, denn es könne so nicht weitergehen. Es stehe auf der Kippe, ob dieser Planet für die kommenden Generationen noch bewohnbar ist. „Ich erkenne an, dass die Region wirtschaftlich abhängig ist von RWE. Das ist ein Fehler, der jahrzehntelang von der Lokalpolitik begangen wurde, sich abhängig zu machen von einem einzigen Konzern und tausende Arbeitsplätze in der Region zu binden an einen einzigen endlichen Energieträger.“
Dann erinnerte Schnuck die SPD an den Satz: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Früher waren Streiks illegal, waren Demonstrationen illegal, und Ihre historischen Vorläufer haben das trotzdem gemacht, und haben damit durchgesetzt, dass es [in Deutschland] keine Kinderarbeit mehr gibt, dass es nicht mehr Hundert-Stunden-Wochen gibt. Das ist die [ehrenhafte] Tradition, in der Sie [als SPD] stehen. Es gibt sehr viele Rechtsbrüche in der Geschichte, die nachträglich in der Geschichtsschreibung legitimiert wurden.“
Bei der anschließenden Abstimmung wurde die Resolution der SPD-Fraktion abgelehnt, in der ein härteres Vorgehen gegen die Aktivisten im Hambacher Forst gefordert wurde. An ihrer Stelle wurde ein moderaterer alternativer Resolutionsvorschlag vorgestellt, der von den Grünen und der CDU eingereicht worden war. In diesem war der Beschlussvorschlag der SPD übernommen und um eine Aufforderung zum Dialog ergänzt worden. Als auf Vorschlag von Michael Hintzen von der UWG das Gesprächsangebot an die Besetzer um die Formulierung „sofern sich die Waldbesetzer gesetzeskonform verhalten“ erweitert worden war, konnte auch die SPD dem zustimmen.
Am 20. 4. soll es im Düsseldorfer Landtag ein Treffen zwischen den Landräten der Kreise Düren und Rhein-Erft, Vertretern und Politikern der Landesregierung und den Waldbesetzern geben. Dieser Gesprächstermin wäre durch den ursprünglichen Antrag der SPD gefährdet gewesen. „Die Hürden für ein solches Gespräch sind schon hoch genug. Es kann nicht Sinn einer solchen Resolution sein, die Beteiligten vorher noch tiefer in die Schützengräben zu treiben“, kommentierte Landrat Wolfgang Spelthahn den Ausgang der Abstimmung.
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