Nideggen, Wollersheim: Für das 19. Stifthoffest an diesem Sonntag, 21. Juni, haben Petra Tutlies, Leiterin der Nideggener Außenstelle des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege, und ihr archäologisches Team im ehemaligen Zehnthof des Kölner Stiftes Maria im Kapitol wieder ein spannendes, umfangreiches Programm zusammengestellt. Die faszinierende Zeitreise führt diesmal in die Steinzeit. Unter dem Motto „Jäger und Sammler, Bauern und Handwerker“ dokumentieren die Archäologen den Wandel von umherziehenden Steinzeithorden hin zu sesshaften Siedlern, die feste Gebäude errichten, Ackerbau und Viehzucht betreiben, sowie das Handwerk perfektionieren.
In einer Sonderausstellung werden Grabungsergebnisse vorgestellt, die genaue Rückschlüsse auf das Leben vor mehr als 7.000 Jahren zulassen. Funde vom Aachener Lousberg belegen, dass in der Steinzeit dort ein Feuersteinbergwerk betrieben wurde. Innerhalb von 800 Jahren wurde hier Flint für 300.000 Rohbeilklingen abgebaut – eine frühe Form der industriellen Fertigung. „Oft sind es die scheinbar unspektakulären Funde, die nach ihrer Auswertung die Wissenschaft maßgeblich bereichern“, führte Petra Tutlies in die Steinzeit-Thematik des Stifthoffestes ein. Geborgene Samenkörner, die damals bei der Essenszubereitung unbemerkt zu Boden fielen, geben heute – dank modernster Technik der Archäobotanik – darüber Auskunft, wie sich die Steinzeitmenschen vor Tausenden von Jahren ernährten. „Damals wurde Einkorn und Emmer angebaut“, weiß Petra Tutlies. Ebenso seien Erbsen und Linsen kultiviert worden. Wildäpfel, Holunder und Himbeeren sorgten für erfrischende Ernährungsvielfalt. „Genau wie in der Paleo-Diät, die heute in aller Munde ist“, fügte sie augenzwinkernd hinzu.
Welche Tiere in diesen längst vergangenen Zeiten gejagt wurden, und wie die moderne Wissenschaft das mittlerweile entschlüsseln kann, darüber gibt Dr. Nadine Nolde von der Archäozoologie der Uni Köln am Sonntag Auskunft. Um 14.00 Uhr erklärt Dr. Ralf W. Schmitz – passend zur momentanen „Eiszeitjäger“-Ausstellung im Bonner Landesmuseum – das Jagdverhalten unserer Vorfahren.
Welche Waffen die Steinzeitmenschen fertigten, um Mammuts zu erlegen, demonstriert der Prähistoriker Dr. Jürgen Junkmanns. Seit 25 Jahren rekonstruiert er aufgrund von Grabungsfunden Jagdwaffen aus der Vorzeit und gilt mittlerweile in ganz Europa als Koryphäe auf diesem Gebiet. Bei seinen Nachbauten verwendet er dieselben Materialien wie die Steinzeitmenschen und so entstehen Pfeil und Bogen von ästhetischer Eleganz und ungeheurer Treffsicherheit. „Unsere Vorfahren verfügten damals schon über eine Top-Technologie“, formulierte der Ur- und Frühgeschichtler. Unter seinen zahlreichen Exponaten befindet sich auch der Nachbau eines in Polen entdeckten Bumerangs, der 25.000 Jahre vor Christi Geburt aus einem Mammutstoßzahn gefertigt wurde. Bei der Jagd eingesetzt, erreichte diese wirbelnde Wurfwaffe eine Geschwindigkeit von 80 Stundenkilometern und hatte eine Flugweite von 60 bis 70 Metern. Unter seinen vielen Ausstellungsstücken befindet sich auch ein jungsteinzeitlicher Bogenrohling wie ihn Ötzi im Gepäck hatte, als er in den Alpen zu Tode kam. „Beim Stiftshoffest wollen wir unsere Besucher in Erstaunen versetzen und sind sicher, dass dadurch die Hochachtung vor der hoch angepassten, jagenden Steinzeitgesellschaft wächst“, freut sich Petra Tutlies auf das Steinzeit-Special.
Traditionell gibt es auch in diesem Jahr rund um den Stiftshof wieder ein buntes Treiben: Vor dem Haupthaus schlagen Kelten und Römer am Lagerfeuer ihre Zelte auf. Im idyllischen Innenhof zeigen Drechsler, Löffelschnitzer, Schmiede und Steinmetze ihr Können. Zudem ist die alte Wollersheimer Kirche geöffnet. Hier stellt der Geschichtsverein historische Fotos vom bäuerlichen Leben und Handwerk aus. Um 14.00 und 16.00 Uhr gibt es in der romanischen Kirche Harfenkonzerte mit keltischer Musik.
Bei dem vielfältigen, barrierefreien Angebot und attraktiven Mitmach-Aktionen für Pänz – von Töpfern und Filzen, über Fachwerkbau und Seifenwerkstatt, bis hin zu Steinschleuderschießen, eigenem Ausgrabungsfeld und Kinderführungen in einfacher Sprache – sollte für diese lohnenswerte Reise in die Vergangenheit genügend Zeit eingeplant werden.
Weitere Informationen zum Stiftshoffest unter www.bodendenkmalpflege.lvr.de, einen Lageplan finden Sie hier.
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