Eifel: Es war einmal… Wenn sich Jens Gottschalk an die Anfänge seiner Märchen-Leidenschaft erinnert, sieht er sich als kleinen Jungen – gemeinsam mit seinem Vater in der damaligen Wohnküche. Vor ihnen ein riesiger Stapel Bücher, die Papa Gottschalk Seite für Seite vorlas. Doch wehe, wenn einmal eine Zeile fehlte, dann protestierte der Junior und forderte den genauen Wortlaut der Geschichte. Diese Kindheitserinnerungen seien vor langer Zeit „im Kopf verschütt gegangen“, räumt der 75-Jährige rückblickend ein. Erst Jahrzehnte später entdeckte er seine alte Leidenschaft wieder: Mittlerweile erzählt er Märchen für Erwachsene.
Sein früher Wunsch, Schauspieler zu werden, scheiterte am Veto der Eltern. Jens Gottschalk schlug eine kaufmännische Laufbahn ein und machte als Manager Karriere bei großen Firmen. Nebenher spielte er als Quereinsteiger an zahlreichen kleinen Theatern in Köln, Bonn oder Hannover. „In dem Alter gingen andere auf den Tennisplatz, ich auf die Bühne“. Mit 50 Jahren kam für ihn der klare Schnitt. „Damals sprach mich ein Zauberer an und fragte, ob ich ihn nicht als Märchenerzähler bei seinem Bühnenprogramm unterstützen könne.“ Gottschalk hängte seinen Beruf an den Nagel, arbeitete weiter als freier Berater und wurde wortgewandter Zaubergehilfe. „Und gleichzeitig zum Stillschweigen verdonnert“, erinnert er sich schmunzelnd, denn die genialen Zaubertricks seines damaligen Kollegen durfte er natürlich nicht verraten. „In dieser Zeit habe ich vieles dazugelernt.“Seit zwanzig Jahren steht der Wahl-Eifeler nun solo auf der Bühne und erzählt Märchen und Mythen aus aller Herren Länder: „Weltliteratur für Erwachsene eben“, konkretisiert er. Bei seinen Bühnenauftritten braucht Jens Gottschalk keine Requisiten oder Lesebücher. Die literarischen Schätze sind alle in seinem Kopf gespeichert. „Und der arbeitet immer noch“, meint er im Gespräch vergnügt. Trotzdem wird er am 31. Dezember seine märchenhafte Tätigkeit an den Nagel hängen: „Ich will aufhören, solange mein Publikum ‚Das ist schade!‘ und nicht ‚Gott sei Dank!‘ sagt.“
Für seine Abschiedstournee durch ganz Deutschland hat der passionierte Märchenerzähler die beliebtesten Erzählungen seiner Zuhörer im Programm: „Viele Gäste saßen wiederholt in meinen Aufführungen und fragten mich anschließend, warum ich denn ausgerechnet an diesem Abend nicht die wunderschöne Geschichte aus Arabien, Brasilien oder China erzählt habe.“ Aus seinem Gesamtrepertoire hat er nun all diese Wünsche für sein Programm „Immer wieder gern gehört“ zusammengetragen, mit dem sich der Märchenerzähler von seinen Zuhörern verabschieden will. „Lange bevor es die ersten Krimi-Dinner gab, habe ich schon in Hotels meine Menüabende veranstaltet und Märchen während Drei-Gänge-Menüs vorgetragen“, schaut er auf seine unzähligen Erzählreisen zurück.
Die Frage nach dem eigenen Lieblingsmärchen ist rasch beantwortet. „Von der Königin, die keine Pfeffernüsse backen, und dem König, der kein Brummeisen spielen konnte“, lautet Gottschalks spontane Antwort. Mitten im Krieg – 1870/71 – habe der Chirurg Richard von Volkmann diese Geschichte geschrieben. „Die Botschaft ist heute noch genau so aktuell wie damals.“„Nein“, seinen beiden Söhnen habe er früher nicht vorgelesen, bedauert er. „Damals war ich beruflich noch zu sehr eingespannt und oft lange Zeit unterwegs. Den Auftrag hatte meine Frau.“ Die Idee, Märchen aus aller Welt auch für Gehörlose auf der Bühne zu präsentieren, verdankt er seiner gehörlosen Pflegetochter. Mit ihr zusammen entwickelte er eine ganz eigene Gebärdensprache, um innerhalb der Familie miteinander zu kommunizieren. Bei seinen Bühnenprogrammen für Menschen mit Handicap übersetzt die professionelle Gebärdendolmetscherin Claudia Dubbelfeld die literarische Botschaft in Gestik und Mimik.
Wer den mittlerweile in Euskirchen lebenden, agilen Märchenerzähler noch einmal live erleben möchte, muss sich sputen. Am 3. März tritt er beispielsweise um 19.30 Uhr im Nideggener Atelierhaus von Muna Götze auf. Weitere Details zu seinen Auftritten und Aktivitäten finden sich im Netz unter www.maerchengottschalk.de.
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