EIFELON weiterempfehlen

Wir informieren die Eifel

unabhängig. überparteilich. unbezahlbar.

neue Kommentare
0
Design und 'Klingelton' lösen Erinnerungen aus. [Foto:cts]

Hören, staunen, erinnern: „Wir alle müssen wieder lernen hinzuhören“

Umland: In einer Zeit, in der fast jeder Einkauf mit Kaufhausmusik bedudelt wird, geht selektives Hören oft verloren. Aber genau wie bei vertrauten Gerüchen – beispielsweise beim weihnachtlichen Plätzchenbacken – werden mit vertrauten Geräuschen längst vergessene Kindheits-Erinnerungen wieder wachgerufen. Wie in einer Zeitreise fühlt man sich plötzlich zurückversetzt, erinnert sich an das klappernde Rattern des ersten mechanischen Hand-Quirls, mit dem sonntagnachmittags die Sahne – Umdrehung für Umdrehung – steifgekurbelt wurde. Der Schneebesen hatte dank dieser Innovation oftmals ausgedient.

Unvergessen auch das Geräusch, wenn der Kohlenmann die Klütten vors Kellerfenster poltern ließ… Das sirrende Klipp-Klapp der fußbetriebenen Nähmaschine, auf der Großmütter Kinderkleider nähten… Das unvergleichliche Tremolo, wenn damals das Bakelit-Wählscheibentelefon bimmelte… Mittlerweile ist dieser Retrosound besonders in meiner Generation als Handy-Klingelton wieder sehr beliebt.

Jan Derksen und Daniel Chum archivieren Klangwelten. [Foto: cts]

Dreidimensionale Kultgegenstände landen irgendwann in Designer-Museen, aber was passiert eigentlich mit jenen vertrauten Klängen der Kindheit? Diese Frage stellten sich auch die beiden Kommunikationsdesigner Jan Derksen und Daniel Chum. Sie wollten das assoziative Klangvolumen vor dem Vergessen bewahren und richteten im Internet das erste deutsche multimediale „Klangmuseum“ ein.

Nur 16 Buchstaben muss man eingeben, um in eine vergangene Zeit katapultiert zu werden: Conserve the sound – Konserviere den Klang – nennen sie ihre grandiose Sound-Sammlung. Aber Vorsicht! Diese Seite entwickelt einen gewissen Suchtfaktor.

Da sind sie wieder, die Alltagsgegenstände unserer Kindheit und Jugend. Der schneckenförmig designte Metall-Fön mit Holzgriff. Präzis-scharfe Detail-Fotos. Aus verschiedenen Blickwinkeln und Perspektiven aufgenommen. „Die Fotos sind alle von uns“, erläutert Derksen das verblüffende Projekt. Bei diesen vertrauten Bildern blitzen plötzlich längst vergessene Assoziationen, Erinnerungen, Emotionen im Kopf auf. An das damalige Gefühl kann man sich seltsamerweise sofort erinnern, aber wie hörte es sich damals an? Wie war der Sound? Der hochtonige Klang ist irgendwo tief im Gedächtnis eingraviert. Und nun: Neben ästhetisch-sachlichen Detailaufnahmen dieses Klangfossils findet sich ein runder Button. Wer darauf klickt, hört ihn wieder, diesen unvergesslichen Kindheitsklang.

Ich bin fasziniert, starte meinen Selbstversuch und tauche tief ein in die vertraute Bilder- und Klangwelt.

Wissen Sie noch, wie sich das Fahrgeräusch einer 2CV-Ente anhörte, wenn man völlig entspannt – heute würde man das ‚entschleunigt‘ nennen – über die Landstraßen tuckerte? Haben Sie noch den metallischen Anschlag der alten mechanischen Schreibmaschinen im Ohr? Das rastlose Rattern der ersten Kugelkopfmaschinen? Erinnern Sie sich noch an das vertraute, surrende Geräusch, wenn Ihr Casettenrecorder beim Vor- oder Rückspulen Ihr Lieblingslied wiederfinden sollte? Kennen Sie es noch, das knirschende Mahlwerk der Kaffeemühle, die der fiese Räuber Hotzenplotz der Großmutter entwendete?

Dieses authentische Klangarchiv öffnet längst verstaubt geglaubte Erinnerunsschubladen. Und – ehrlich gesagt – als ich mich mit Feuereifer und wachsenden Bildern im Kopf durch alle Stationen ‚gehorcht‘ hatte, fühlte ich mich lächelnd um mindestens 20 Jahre jünger.

Hören, staunen, erinnern könnte man diese Klangreise betiteln. „Demnächst wollen wir intensiv mit Alzheimer-Patienten zusammenarbeiten“, blickt Derksen in die Zukunft. „Es hat sich ja erwiesen, dass vertraute Alltagsarbeiten die Erkrankung verlangsamen können. Warum sollten sich nicht auch vertraute Töne positiv auf unser Gehirn auswirken?“

2013 wurde das digitale Klang-Museum mit dem Deutschen Kulturförderpreis ausgezeichnet und wird von der Film- und Medienstiftung unterstützt, denn unvergessliche Geräusche werden oft für Dreharbeiten benötigt. Die Gründer Jan Derksen, geboren 1981, und Daniel Chum, Jahrgang 1977, bekommen Anfragen aus aller Welt, aus Japan, den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig wollen die Geräusche-Sammler ihre tönende Datenbank weiter ausbauen. Wer also weitere Anregungen zur Klang-Konservierung hat, sollte sich mit dem Kreativ-Duo in Verbindung setzen: 
7.2.2020KulturUmland0 Kommentare bwp

Bisher 0 Kommentare
Kommentar schreiben

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Beitrag. Schreiben Sie den Ersten.

Einen neuen Kommentar schreiben

Um einen neuen Komentar zu schreiben, melden Sie sich bitte mit ihrem Benutzernamen und Passwort an. Wenn Sie noch keinen EIFELON-Account haben, können Sie sich kostenlos und unverbindlich registrieren.


  1. *Ihre eMail-Adresse wird nicht veröffentlicht
  2. Ein Passwort wird Ihnen an Ihre eMail-Adresse zugeschickt, Sie können es anschließend in Ihrem Benutzerberich leicht ändern.
  3. Den Button zur Registrierung finden Sie unter unserern folgenden Richtlinien:
Die Richtlinien für die Nutzung der EIFELON Diskussionsplattform
Die Benutzer bestätigen/akzeptieren mit ihrer Anmeldung unsere Richtlinien. Falls es im Nachhinein noch Änderungen an den Richtlinien gibt, werden die User beim nächsten Einloggen aufgefordert, die Richtlinien erneut zu bestätigen: Wir bieten Ihnen hier eine Plattform für sachliche und konstruktive Diskussionen. Um dies zu gewährleisten, behält sich die Redaktion vor, Kommentare nicht zu veröffentlichen, die einer sachlichen Diskussion nicht förderlich sind. Wir bitten Sie daher, durch die Einhaltung unserer Richtlinien zu einem freundlichen Gesprächsklima beizutragen.
1. Gegenseitiger Respekt
Bitte behandeln sie andere Nutzer so, wie Sie selbst behandelt werden möchten. Zeigen Sie Toleranz gegenüber anderen Meinungen und verzichten Sie auf persönliche Angriffe und Provokationen.
Selbstverständlich werden Kommentare, die ehrverletzend, beleidigend, rassistisch, pornografisch oder auf andere Weise strafbar sind, nicht freigeschaltet.
2. Wortwahl und Formulierung
Sachliche Argumentation ist die Basis für eine konstruktive Diskussionskultur. Nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Kommentar vor dem Abschicken zu überprüfen. Habe ich den richtigen Ton getroffen? Könnten meine Formulierungen Missverständnisse hervorrufen?
3. Benutzernamen
Diese genannten Richtlinien gelten auch für die Verwendung von Benutzernamen.
4. Quellenangaben und Verlinkungen
Wenn Sie Zitate verwenden, verweisen Sie bitte auf die Quelle und erläutern Sie deren Bezug zum Thema.
5. Zeichenbegrenzung
Die Länge eines Kommentars ist auf 1000 Zeichen zu begrenzen, um eine Moderation in einem adäquaten Zeitrahmen zu gewährleisten. Mehrteilige Beiträge können daher leider nicht berücksichtigt werden.
Bitte sehen Sie davon ab, denselben oder einen sehr ähnlichen Kommentar mehrmals abzuschicken.
6. Werbung
Die Nutzung der Kommentarfunktion zu kommerziellen Zwecken ist nicht erlaubt. Inhalte gewerblichen oder werbenden Charakters werden nicht freigeschaltet. Gleiches gilt für politische Aufrufe aller Art.
7. Sonstige Hinweise
Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung eines Kommentars. Beiträge, die sich als falsch oder unwahr herausstellen, können auch im Nachhinein noch gelöscht werden. Sollten Sie auf Beiträge stoßen, die gegen die Richtlinien verstoßen, machen Sie die Moderation bitte darauf aufmerksam. Schicken Sie einfach den Link des betreffenden Kommentars mit einer kurzen Erläuterung an redaktion@eifelon.de. Bei wiederholten oder besonders schweren Verstößen gegen diese Richtlinien behalten wir uns einen Ausschluss einzelner User vor.


zurück zur Startseite