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Ohne Genehmigung wurden am Ranzenkopf bereits die ersten Kabel verlegt. [Fotos: Jörg Rehmann]

Genehmigungschaos und Verwaltungswillkür

Umland: 50 Windräder in einem ökologisch sensiblen Waldgebiet, Rodungsarbeiten mit fragwürdiger Genehmigung, eine Kreisverwaltung, die sich über gesetzliche Vorgaben hinwegsetzt, ein Verwaltungsgericht, das sich dem Problem nicht gewachsen sieht, und Naturschutzverbände, die mehrere Gerichtstermine anstrengen müssen, um die Kreisverwaltung an ihre Verantwortung zu erinnern: An der Mosel im Landkreis Bernkastel-Wittlich herrschte diese Woche Ausnahmezustand…

Großflächige Rodungsarbeiten am Ranzenkopf, einem ökologisch sensiblen Waldgebiet, hatte die Kreisverwaltung am 29. Februar und 2. März kurzfristig genehmigt. Gegen diese Genehmigungen war der NABU mit Eilanträgen beim Verwaltungsgericht in Trier vorgegangen. Diese Anträge, die Rodungsarbeiten einzustellen, wies das Gericht jedoch zurück. Zur Begründung erklärte man in Trier, der NABU sei nicht klageberechtigt, da es sich bei den Baumfällungen nicht um das eigentliche Genehmigungverfahren des Windparks am Ranzenkopf handele, sondern nur um “vorbereitende Maßnahmen“. Dafür hätte der NABU kein Einspruchsrecht, so die Verwaltungsrichter in Trier. Deshalb habe das Verwaltungsgericht auch gar nicht erst geprüft, ob die Rodungen am Ranzenkopf zwischen Piesport und Morbach rechtens wären oder nicht.

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Selbst jahrhundertealte Laubbäume fielen diese Woche dem „Genehmigungschaos“ zum Opfer.

Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts legte der NABU vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz kurzfristig Beschwerde ein und bekam am Donnerstagabend Recht: Der Antrag des NABU auf aufschiebende Wirkung gegen den Genehmigungsbescheid des Kreises Bernkastel-Wittlich sei begründet und rechtens. Das OVG sieht die Rodungsarbeiten als genehmigungspflichtig nach dem UVP Gesetz an und verwirft die Argumentation der Kreisverwaltung und des Verwaltungsgerichts, der NABU hätte kein Einspruchsrecht. Bei einer Fortsetzung der Rodungsarbeiten würden sonst im Vorfeld eines Genehmigungsbescheides bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Wäre der Wald erst einmal gerodet, könne man sich schlecht für seine Erhaltung einsetzen.

Der NABU und die Naturschutzinitiative e.V. werfen dem Landkreis großflächigen „Natur-Kahlschlag“ vor:

Mitten in einem bislang nahezu unzerschnittenen und ökologisch hochwertigen Naturgebiet wird mit dem Planvorhaben ein gesamter Landschaftszug oberhalb der Gemeinde Gornhausen vernichtet. Im Einzugsbereich von ca. 2000 ha sollen über 50 Windindustrieanlagen errichtet werden. Damit kommt es mitten in ‚unberührter‘ Natur zu einer bislang noch nicht dagewesenen Industrialisierung eines wertvollen Waldgebietes.

Gegen diesen Plan der Kreisverwaltung sind Rechtsmittel eingelegt, das Genehmigungsverfahren zu dem geplanten Windpark ist somit noch nicht abgeschlossen. Noch am 23. Februar soll die Kreisverwaltung versichert haben, dass für eine derartige Maßnahme (eine Rodungsgenehmigung, die Red.) keine immissionsrechtliche Genehmigung erteilt worden sei. Gleichzeitig hätten aber bereits am 23. und 25. Februar umfangreiche Rodungen – auch in alten, schützenswerten Buchenwaldbeständen – stattgefunden, so die Naturschutzinitiative. Kurzfristig sei dann am Abend des 29. Februar eine erste Fäll-Genehmigung zum 1. März erteilt worden. Erschwerend komme hinzu, dass mit dem ersten März die Nist- und Brutzeit begonnen habe und verschärfte Schutzbestimmungen im Wald wirksam geworden seien.
Damit würde sich der Verdacht erhärten, dass die Genehmigung der Maßnahme am 29. Februar abends so kurzfristig erfolgt seien, um mögliche Rechtsmittel durch den Dienstschluss bei Gericht zu unterlaufen.

Ausserdem sei mit dem Leitungsbau im Wald bereits begonnen worden und Steuerleitungen zu einem Teil der Windanlagen-Baustellen verlegt worden. Diese Arbeiten waren bereits im Gange, sodass nachweislich Vorarbeiten zu einem Zeitpunkt erfolgt und dokumentiert seien, zu dem – laut Aussage der Kreisverwaltung – noch keine Genehmigung vorgelegen hätte.

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Schweres Gerät planiert den Wald am Ranzenkopf.

Die Kreisverwaltung argumentiert, eine zeitnahe Umsetzung der Energiewende sei im öffentlichen Interesse. Der Landrat des Kreises Bernkastel-Wittlich, Gregor Eibes (CDU) bestätigt, dass das Genehmigungsverfahren für die Windkraftanlagen noch nicht abgeschlossen sei. Er spricht von einem Schaden von bis zu zehn Millionen Euro, sollte sich das Projekt längerfristig verzögern und rechtfertigt damit die vorgezogene Rodungsgenehmigung.

Die Naturschützer vermuten andere Hintergründe für die kurzfristig erteilte Erlaubnis, den Wald zu roden. So schreibt die Naturschutzinitiative e.V. in einer Presseaussendung:

Es besteht der dringende Verdacht, dass versucht wurde, mögliche Rechtsmittel durch […] undurchsichtige Maßnahmen zu unterlaufen. Sowohl die Art der Vorbereitung als auch die tatsächliche, geradezu konspirative Durchführung der bisherigen Maßnahmen lässt darauf schließen, dass das Projekt am Ranzenkopf allein aufgrund seiner enormen Ausmaße (50 Windräder, die Red.) der Öffentlichkeit verschwiegen und unter Umgehung gesetzlicher Genehmigungsinstanzen klammheimlich erschlichen werden sollte.

Möglicherweise hängt die, nach Ansicht der Naturschutzinitiative, rechtswidrige Genehmigung auch damit zusammen, dass der Landkreis teilweise selbst Betreiber von Windenergieanlagen ist, sodass eine institutionelle Befangenheit vorliegen könnte. Das Gleiche würde auch auf den Wintricher Ortsbürgermeister Dirk Kessler zutreffen. Das müssten die dafür zuständigen Behörden jetzt überprüfen. Der „Ranzenkopf“ sei ein weiteres erschreckendes Beispiel für einen undurchsichtigen Komplex zwischen Windindustrielobby, Politik, „Gutachtern“ und Genehmigungsbehörden.

Für Harry Neumann, dem Vorsitzendem der Naturschutzinitiative, ist der Fall „Ranzenkopf“ ein weiteres Beispiel für die Fehlsteuerung durch das Landesentwicklungsprogramms (LEP IV). Er sieht durch das Programm eine naturzerstörende und bürgermissachtende Planungs- und Genehmigungspraxis in Rheinland Pfalz:

Wir sind mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem die sogenannten Erneuerbaren Energien die Biologische Vielfalt, Landschaften, Wälder und Lebensräume in großem Stil gefährden und zerstören und doch nur einen marginalen Beitrag von 1,6 Prozent zum gesamten Energieverbrauch leisten. Ein sofortiger Ausbaustopp für Windindustrieanlagen ist dringend erforderlich.

4.3.2016PolitikUmland0 Kommentare cpm

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