Euskirchen, Euenheim: Was macht ein kleiner Junge, wenn er die unstillbare Leidenschaft in sich verspürt zu malen? Er greift nach einem Stück Kohle und bemalt Türen und Wände… Das waren die ersten schwungvollen Bilder, die der anatolische Künstler Mehmet Güler in seinem Leben schuf. Mittlerweile sind seine Werke – Gemälde, Grafiken und Skulpturen – weltweit bekannt. An vielen Hochschulen und Akademien vermittelte der preisgekrönte Künstler sein Können – unter anderem auch an der Internationalen Kunstakademie Heimbach (IKAH).
In seiner Grundschulzeit sah er erstmals bunte, gedruckte Gemälde in den Schulbüchern, war fasziniert und fragte wissbegierig, wie so etwas möglich sei. „Mit Farben und Pinsel“, lautete die Antwort. Farbige Pigmente kannte Mehmet Güler bislang nur vom traditionellen Wollefärben. „Aber was ist ein Pinsel“, hakte der kleine Junge sofort nach. Geduldig malte sein Lehrer einen Pinsel an die Tafel, den Mehmet sofort in sein Heft übertrug. So etwas wollte, musste der Zehnjährige auch haben. Aus einem Holzstiel, einem Stückchen Blech und den feinen Haaren eines erbeuteten Eichhörnchenschwanzes baute er sich sein erstes Malutensil. Der anrührende Beginn einer großen Künstlerkarriere…
Er malte wie besessen… experimentierte… schuf aus Harz von Aprikosenbäumen und Farbpigmenten strahlende Farben. „Meine Eltern haben es geduldet“, meint er still lächelnd. Doch als er sein Skizzenheft stolz einem Imam zeigte, hätte er es ihm fast um die Ohren gehauen. „Ich musste versprechen, nie mehr zu malen“, meint er still vergnügt. Seine Passion war stärker…
Die Galerie Spectrum in Euskirchen-Euenheim zeigt zurzeit einen Querschnitt durch sein künstlerisches Schaffen und Galeristin Karin Zehnder hatte zum Gespräch mit dem Künstler eingeladen. Einfühlsam und informativ führte Professor Frank Günter Zehnder, Leiter der IKAH, den Dialog mit dem Künstler, der witzig, wortgewandt und gleichzeitig dankbar-nachdenklich seinen Werdegang beschrieb: Die Passion eines Menschen, der all die bunten Bilder in seinem Kopf aufs Papier bannen wollte.
Seit 1977 lebt Mehmet Güler – 1944 im türkischen Malatya geboren – mit seiner Familie in Deutschland und musste hier gegen so manche Vorurteile ankämpfen. Sprüche wie „Aus der Türkei kommen nur Gastarbeiter, keine Künstler“ sind ihm nicht fremd. Doch mit seinen farbenfrohen Bildern voller Dynamik beweist er allen das Gegenteil – vereint Orient und Okzident. Die sonneatmenden großflächigen Gemälde sind eine Liebeserklärung an seine Heimat. Eine künstlerische Zwiesprache mit der Natur, eine poetische Erinnerung an ein schweres Leben in karger Landschaft.
Seine Beobachtungen, Erfahrungen und Begegnungen hält er in seinem Kasseler Atelier scheinbar nur in großen, dynamischen Farbbögen fest. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt zwischen dominanten Schwüngen filigrane Figuren – oftmals nur zart angedeutete Details. Dazwischen einzelne Worte, Versatzstücke aus Werken großer deutscher Dichter wie Goethe, Schiller oder Heine. Diese Sprach-Fragmente sind jedoch nicht komplett lesbar. „Ich habe sie erst auf die Leinwand geschrieben und dann teilweise übermalt“, beschreibt Güler den künstlerischen Brückenschlag zwischen seiner alten und neuen Heimat. „Orient und Okzident sind nicht zu trennen“, ist er überzeugt. In wenigen Wochen wird sein autobiografisches Buch „Vergangenheit in der Sonne“ erscheinen.
Mit zartem Flair wurde der Künstlerabend musikalisch umrahmt. Cellist Ralf Geliboluoglu und Tenor-Flötistin Susanne Schaeffer interpretierten die teils selbst komponierten Musikstücke schmetterlingsgleich und leiteten mit Titeln wie „Melancholie“, „Tanz der Derwische“ oder „Vergossene Tränen“ von der Fülle der Töne zur Farbenpracht der ausgestellten Bilder. Ein orientalisches Buffet entführte dann endgültig in eine andere Welt.
Der Künstlerabend: Eine faszinierende Begegnung, die Mut macht, der inneren Passion zu folgen.
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