Adenau, Reifferscheid: Es erinnert an frühere Zeiten: Landesherr und Kirche bestimmen über Wohl und Weh der Untergebenen. Die Landbevölkerung hat zum Wohl des Grundbesitzers zu arbeiten und bekommt dann ihren Lohn, für ein gottgefälliges Leben, von der Kirche in einem besseren Jenseits versprochen. Im Feudalismus gängige Praxis – aber im 21. Jahrhundert?
In Reifferscheid (VG Adenau) hätte man gerne dieses Idealbild fügsamer Einwohner. Ora et labora (bete und arbeite), während die „Obrigkeit“ schaltet und waltet, ohne von aufmüpfigen, kritischen Bürgern in ihren Entscheidungen hinterfragt zu werden. In Reifferscheid hängen Bürgermeister und Pfarrer anscheinend an diesen alten Zeiten…
Bürger oder gar Bürgerinitiativen, die etwas anderes wollen, haben in Reifferscheid keine Chance. Bürgermeister und Pfarrer wissen schon, was gut ist für „ihre Schäfchen“. Und vereint bekämpfen sie die neue Zeit, in der Bürger auch manchmal gefragt oder informiert werden wollen. Oder vielleicht auch dann nicht das wollen, was die Obrigkeit als „gut für sie“ befindet.
Am Wochenende berichtete die Rhein-Zeitung über „vorsorgliche Maßnahmen“ von Bürgermeister und Pfarrer, um der windkraftkritischen Bürgerinitiative „Sturm im Wald“ (StiW) den Einzug in das Gemeindehaus oder den Jugendraum der Pfarre zu untersagen. Auch auf zuerst zugesagte Räumlichkeiten in einer Reifferscheider Gaststätte und eine anschließende Ablehnung soll angeblich vom Bürgermeister Einfluss genommen worden sein.
„Sturm im Wald“ bekommt in Reifferscheid die Türe vor der Nase zugeschlagen. Dabei will StiW, in Zusammenarbeit mit dem Eifelverein, eigentlich nur einen Saal anmieten, um die Anwohner über das neue Bauprojekt eines Windparks auf Reifferscheider Ortsgelände zu informieren.
Das ist eine hochpolitische Diskussion. Wir wollen nicht, dass sie in den kirchlichen Raum hineinstreut,
begründet der örtliche Pfarrer die Ablehnung der Kirchengemeinde, der Bürgerinitiative ‚Kirchenasyl‘ in einem Raum der kirchlichen Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen.
Soll die Bevölkerung zu dem seit Montag in der Verbandsgemeinde Adenau laufenden Raumordnungsverfahren für insgesamt acht geplante Windanlagen in der Verbandsgemeinde, vier davon in Reifferscheid, nicht informiert werden?
„Bürgermeister Michael Henneberger hat mir inzwischen mehrmals ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass unsere Bürgerinitiative in Reifferscheid nicht erwünscht ist und er uns für solche Infoabende keine Räumlichkeiten der Gemeinde zur Verfügung stellen wird,
so Dirk Wenigmann, Sprecher der Adenauer Sektion des Vereins „Sturm im Wald“, zu der Weigerung des Bürgermeisters. In Reifferscheid sei mindestens ein Windrad auf einem Grundstück der Kirche geplant, der Bürgermeister sitze auch im örtlichen Kirchenvorstand, verortet Wenigmann den Widerstand bei den gemeinsamen monetären Interessen von Kirche und Bürgermeister an den zu erwartenden Pachterträgen für die fast 230 Meter hohen Windriesen. Dabei seien „Störungen“ und kritische Fragen der Bürger zu Naturerhalt und zur Umweltbelastung der geplanten Windräder, wie sie „Sturm im Wald“ stellen würde, sichtlich unerwünscht.
Auf Nachfrage von EIFELON erklärte Bürgermeister Henneberger, die Gemeinde selbst würde noch im September eine Informationsveranstaltung planen. Die Bürgerinitiative „Sturm im Wald“ – Ortsgruppe VG Adenau–Hocheifel – sei kein ortsansässiger Verein, damit bestünde auch kein Anspruch auf eine Anmietung des Gemeindehauses.
Hausrecht gegen Bürgerinformation, so kann man Politik auch machen.
Bei dieser Informationsveranstaltung der Gemeinde kann Bürgermeister Henneberger dann sicher „seinen Schäfchen“ auch erklären, wieso der geplante „Windpark Reifferscheid“ innerhalb des europäischen Vogelschutzgebietes „Ahrgebirge“ ausgewiesen werden soll und wieso mindestens zwei der vier Windriesen in „alten Laubwäldern“ geplant sind, wie man anhand der Karten aus dem Raumordnungsverfahren unschwer ablesen kann.
Laut dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung sind solche Bereiche in Zukunft tabu und damit nicht mehr mit Windrädern bebaubar. Aber im Reifferscheider Feudalismus gehen die Uhren anscheinend anders. Das sind sicher nur Nebensächlichkeiten, an die sich eine Ortsgemeinde nicht zu halten braucht…
Der Verein „Sturm im Wald“ sucht nun nach geeigneten Räumlichkeiten, notfalls in Nachbargemeinden, um seine Informationsveranstaltung zum anhängigen Raumordnungsverfahren für die Bewohner abhalten zu können.
Der ZwEifler wünscht viel Erfolg.
Über Raumangebote freut sich Dirk Wenigmann Tel.: 0170 – 3180632 von der BI oder unter: www.sturmimwald-hocheifel.de/kontakt/
Das Raumordnungsverfahren für die Errichtung von vier Windenergieanlagen (WEA) im Windpark Reifferscheid und vier WEA im Windpark Struth (Gemarkungen Pomster, Bauler, Barweiler) in der Verbandsgemeinde Adenau ist eingeleitet.
Die Stromflut Hocheifel GmbH & Co.KG als Baubewerber plant die Errichtung von zwei Windparks mit insgesamt acht Wind-Energie-Anlagen (WEA) in der Verbandsgemeinde Adenau. Jeder Windpark besteht aus je vier WEA. Aus Gründen der Vereinfachung wird für beide Windparks ein gemeinsames Raumordnungsverfahren (ROV) durchgeführt. Teil A – Windpark Reifferscheid und Teil B – Windpark Struth (in den Gemarkungen Pomster, Bauler, Barweiler)
Geplant sind WEA moderner Bauart nach aktuell technischem Standard mit einer Nennleistung von 3-5 MW, durchschnittlich 150 m Nabenhöhe, rund 75 m Rotorblattlänge und demnach einer Gesamthöhe von rund 225 Metern.
Die Öffentlichkeit kann die Unterlagen zum Raumordnungsverfahren (Gutachten und Pläne) bis zum 28. September 2017 bei der Verbandsgemeindeverwaltung Adenau, Haus A, Kirchstraße 15-19, Zimmer A 0.03, 53518 Adenau, während der Öffnungszeiten einsehen.
Die Unterlagen und Gutachten stehen auch im Internet hier.
Vom 28. August bis 13. Oktober 2017 können die Bürger in der VG Adenau und angrenzenden Nachbargemeinden ihre Bedenken und Anregungen zu diesem Verfahren schriftlich oder in elektronischer Form einbringen. Diese Äußerungen werden in die Abwägung einbezogen.
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