Simmerath, Kesternich: Es gibt sie noch – die Dinge aus der „guten alten Zeit“, die nicht nur nostalgische Gefühle heraufbeschwören, sondern auch die Gegenwart um liebenswerte Nuancen bereichern. Beim Bonbonmacher Hartmut Gerhards dreht sich alles darum, Groß und Klein das Leben zu versüßen. Er verfügt über das nötige Know-how, damit nicht nur die Erinnerung schmeckt, sondern auch die Gegenwart. Lachend steht er inmitten aromatischer Duftwolken, die verführerisch nach Anis und Himbeere riechen. Umgeben von geheimnisvollen Fläschchen, Eimern und Kanistern. Überall kleine Metallformen, Dosen und Kästchen mit Zutaten und Ingredienzien, Großküchen-Kellen und Kupferkesseln, wohin der Blick auch schweift. So, oder so ähnlich stellt man sich eine Alchimistenküche vor. Aber das Gold, das Hartmut Gerhards herstellt, ist leckerstes Süß- und Naschwerk. Alles wie zu Großmutters Zeiten – „anno 1900“. Nur mit natürlichen Zutaten versteht sich.
Das kleine Glück
Sprachlosigkeit und Staunen macht sich unter den Kindern und ihren Omas breit, die angereist sind, um in der Bonbonmanufaktur live mitzuerleben, wie das eigentlich genau funktioniert mit dem Bonbongießen. Längst brodelt ein Gemisch aus Wasser, Bonbonsirup, Honig und Zucker im großen Kupferkessel vor sich hin. Mucksmäuschenstill und mit großen Augen umringt die Besucherschar die Arbeitsfläche und hängt erwartungsvoll an Hartmut Gerhards‘ Lippen. In allen Farben und mitreißend zu erzählen, darauf versteht sich der Mann im lila Overall und pinkfarbener Baskenmütze bestens. Ein gutes Bonbon braucht Geduld. Doch Langeweile kommt in keiner Phase der Vorführung auf. Ihm gelingt es, die Zeit mit allerlei Geschichtchen zu verkürzen. Das kleine Glück, dass Deutschlands einziger mobiler Bonbonmacher auf die Gesichter seiner Besucher zu zaubern vermag, begleitet ihn tagtäglich. Aus dem Inneren seines Zirkuswagens heraus, mit dem er die vielen Märkte quer durch die Republik bereist. Bei Firmenevents, für die er gebucht wird. Und bei den Vorführungen in seiner Bonbonmacherei. Sein ausgefallener Broterwerb führte ihn bereits in Fernsehstudios quer durch alle Sender, wie beispielsweise zu Spiegel TV oder Günther Jauch & Co. Ob er zusammen mit Tim Mälzer kocht, oder im roten Oldtimer der Sendung „Wunderschön“ durch die Eifel fährt, in der er seine Bonbonmacherei seit 28 Jahren betreibt.
Bevor die kleinen Bonbons in die Münder der Besucher wandern können, muss seine Bonbonmasse langsam auf 118 Grad erhitzt werden – egal, ob er seine klassischen Himbeerbonbons und Zitronenscheiben, Anis- und Lakritzbonbons, Goldnüsse oder Blockmalz herstellt. Aber nicht nur Altbewährtes kommt aus seiner Küche. Neben Rotwein-, Sesam- und Schlehenbonbons kreierte er seine unvergleichlichen „Eifelbrocken“, die er sich hat patentieren lassen. Seine eingetragene Marke brachte ihm sogar eine Goldmedaille vom Institut für Back- und Süßwaren aus Weinheim ein. Seine neueste Kreation sind Sanddornbonbons aus Amerika – selbstverständlich ebenfalls ein Naturprodukt. Hartmut Gerhards erzählt gerne aus seinem Leben und von seinen Erfolgen – nicht ohne immer einen Blick auf sein gerade begonnenes Süßwerk zu werfen.
Mit einem Pinsel fettet er das große Blech ein, gibt ein Bienenwachs-Butter-Ölgemisch unter die fertige Bonbonmasse, das verhindern soll, dass sie festklebt. Plötzlich verstummen seine Plaudereien, denn nun ist seine ganze Konzentration gefordert. Jeder Handgriff muss sitzen, denn ab jetzt geht alles Schlag auf Schlag. Die heiße Bonbonmasse wird auf dem großen Blech flach verteilt und der Himbeersirup gut untergerührt. Ruckzuck klappt er die Masse wie Papier mehrmals zusammen. An einen großen Haken gehängt, muss das zähe Gebilde gedreht und gezogen werden. Je nach Bedarf wird es noch schnell mit einer andersfarbigen Masse vermischt.
Schnell trägt er die Masse zu seiner antiken Walze, für die er die unterschiedlichsten Formen besitzt. Besonders die Kinder rücken näher, um bloß nichts zu verpassen. Mit einem Kurbelrad dreht der Bonbonmacher die Masse durch die Walze. An ihrem Ende spuckt sie ein Himbeerbonbon-Brett aus. „Finger weg! Die Klümpchen sind noch weich und müssen erst abkühlen, bevor genascht werden kann“, bremst er die Kinder, die es kaum erwarten können, eine der kleinen roten Süßigkeiten zu stibitzen. Doch rasch sind die Köstlichkeiten erkaltet und lassen sich herausbrechen. „So, jetzt kann probiert werden“, erlöst er seine Besucher.
Eine andere Bonbonmasse gießt er in kleine Einzelformen, steckt Holzstiele oben hinein, öffnet die Formen und präsentiert leckere Lutscher. Mit einem einladenden Lachen reicht er den Kindern Lutscher mit unterschiedlichsten Motiven: Hähne, Pferde, Herzen, sogar kleine Weihnachtsmänner wandern als appetitliche Lutscher in den Besitz seiner kleinen Zaungäste.
Rückblickend ist Hartmut Gerhards froh, vor über einem Vierteljahrhundert den „Ausstieg zum Einstieg“ in sein neues Leben als Bonbonmacher gefunden zu haben. In seinem ersten Beruf als Groß- und Einzelhandelskaufmann wurde er damals zunehmend unzufrieden. Diese Tatsache und viele andere Zufälle trieben ihn dazu, seinen ganz eigenen Traum zu leben. Erst als Test gedacht, dann vom Erfolg überrascht, nahm er die zuvor wiederentdeckten alten Bonbonformen seines Großvaters, fasste sich ein Herz und begann mit dem Siegeszug seiner nostalgischen Leckereien.
Obwohl er seine Affinität zur guten alten Zeit nicht verhehlen kann, weiß der Liebhaber frankophiler Lebensart durchaus erfolgreich, mit den vielen Möglichkeiten einer modernen Kommunikationsgesellschaft umzugehen. Er hat ein Gespür dafür, was bei den Menschen gut ankommt. Auf seiner eigenen Homepage können Interessierte die Süßigkeiten ihrer Wahl online (www.bonbonmacher.com) bestellen. Die Vermarktung seiner Produkte bei bekannten Firmen wie Schrader Tee oder Manufactum bewertet der Hobby-Schafzüchter und leidenschaftliche Motorradfahrer zu Recht als Ritterschlag. Auch seine Präsentprodukte für kleinere Firmen und mittelständische Unternehmen sind ausgesprochen gefragt. Statt der üblichen Flasche Wein für Mitarbeiter und Kunden zum Jahreswechsel sind seine Bonbonkollektionen in hübschen Metallschatullen eine ideale Alternative. Ob er noch Wünsche und Ziele im Leben hat? Eindeutig ja! „Ich würde gerne meine Bonbons nach Amerika bringen. Am liebsten in die Gegend um Los Angeles. Mal abgesehen davon, dass ich da Land und Leute mag, könnte ich dort mit meinem Motorrad in der unendlichen Weite das Land richtig kennen lernen.“
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